Permanenter Balanceakt

25. August 2016
von Börsenblatt
Welche Zugeständnisse müssen christlich orientierte Buchhändler machen, wenn sie auch die Laufkundschaft erreichen wollen? Friedemann Hruby über die Kunst der Anpassung.

"Dass sich dieser Laden hier halten kann, ist mir ein absolutes Rätsel!", lautete der Kommentar eines Fußgängers, als er an unserer Buchhandlung in der Pforzheimer Stadtmission vorbeilief. Manchmal ist es für mich kein Rätsel, sondern eher ein Wunder. Wir leben in einer Zeit, in der sich vieles verändert – auch das Einkaufsverhalten unserer Kunden, wie wir christlichen Buchhändler merken. Das Internet ist eine starke Konkurrenz, und nicht selten hören wir von unseren Kunden den Satz: "Bestellen kann ich das selber, ich wollte es sofort mitnehmen."
Doch nicht nur das Internet ist für uns eine Bedrohung geworden, auch die christlichen Verlage buhlen mit höchster Kunst um unsere eigenen Endkunden. Natürlich nur, um das christliche Sortiment in die weißen Flecken auf der Landkarte zu bringen, an denen es keine christlichen Buchhandlungen gibt. Dabei inszenieren sich diese Verlage dann auch noch als die Retter des Buchhandels – manchmal würde man gern wie Martin Luther 95 Thesen an die Eingangstüren dieser Verlage nageln. Doch davon wird die ganze Situation nicht besser. Nein, wir Buchhändler sind für unsere Kunden da, wir lernen und versuchen, uns zu verändern! Dabei gibt es wichtige Punkte zu beachten:
Zunächst ist der Standort eine wichtige Frage. Denn er entscheidet, welche Kunden ich in meinen Laden bekommen will. Wähle ich eine zentrumsnahe Lage, dann kann ich mich auch über Laufkunden freuen. Wähle ich den Rand der Innenstadt oder sogar eine kleine Fläche in einem Gemeindezentrum, dann erreiche ich gezielt die Insider, die Christen, die mein Sortiment gut finden und mich mit ihrem Einkauf unterstützen wollen. Die Entscheidung für einen Standort ist oft sehr knifflig. Denn der Kundenstruktur muss sich auch das Sortiment anpassen: Will ich wirklich nur die Christen ansprechen, ist mein Sortiment in der Regel auf diese zugeschnitten. Es bietet eine große Tiefe im christlichen Spektrum und Sondertitel, die man in einer allgemeinen Buchhandlung nie finden würde. Es gibt auch nicht nur ein oder zwei Bibelüber­setzungen, sondern die große, breite Auswahl.
Will ich aber ebenso Laufkunden erreichen, dann brauche ich Angebote über das christliche Sortiment hinaus. So haben wir uns dafür entschieden, unser Sortiment vor allem im Kinder- und Jugendbuch zu erweitern. Die Kartenständer vor unserer Tür sind ein Umsatzgarant und auf Laufkunden ausgerichtet: Deshalb ist auf diesen Karten kaum ein Bibelvers zu finden.
Unser jüngster Sortimentsumbau umfasst Gesellschaftsspiele – zum einen, weil es bei uns in der Stadt keinen wirklich guten Fachhandel gibt, zum anderen, weil wir damit die über unsere eigenen "christlichen" Kunden hinausgehenden Käuferschichten erreichen. Doch auch hier gilt dasselbe wie im allgemeinen Sortiment: Beratung ist das A und O. Man muss sich auskennen – Spiele sind selten Selbstläufer, dafür bringen sie Geld in die Kasse. Die Anstrengung lohnt sich.
Natürlich findet man unsere Buchhandlung auch im Internet mit Homepage und Shop, seit neuestem kann man uns einfach eine Whatsapp schreiben mit dem Bild des Buch­covers, der CD, der DVD oder des Spiels, das man sucht, und wir besorgen es dann. Doch eines ist mir klar: Ohne unsere treuen Stammkunden, die uns lieben und mögen, könnten wir nicht überleben. Sie kommen zu uns, unterstützen uns und kaufen alles, wirklich alles, bei uns ein. Nur die Eismaschine, die habe ich wirklich nicht besorgen können.