Wissenschaft in Gefahr?

6. März 2013
von Börsenblatt
Der  Börsenverein übt scharfe Kritik an Entwürfen zur geplanten Urheberrechtsnovelle: Im Zentrum der empörten Stellungnahme steht das Zweitveröffentlichungsrecht auf Werke steuerfinanzierter Wissenschaftler.

Branchenverband sieht Wissenschaftsstandort bedrohtDer Börsenverein hat den Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums zur Novellierung des Urheberrechts scharf kritisiert, mit dem ein sogenanntes Zweitveröffentlichungsrecht für steuerfinanzierte Wissenschaftler eingeführt werden soll. „Der Wissenschaftsstandort Deutschland benötigt nachhaltige Strukturen für Open Access-Publikationen und keine kostenträchtige und ineffiziente Repositorienlandschaft für nicht zitierfähige Versionen bereits veröffentlichter Zeitschriftenbeiträge", sagt der Vorsitzende des Urheber- und Verlagsrechtsausschusses des Börsenvereins, der Göttinger Wissenschaftsverleger Jürgen Hogrefe. „Die Einführung eines Zweitveröffentlichungsrechts benachteiligt deutsche Wissenschaftler gegenüber ausländischen und gefährdet ihre Publikationsmöglichkeiten in Deutschland." Zudem würde die Regelung statt zu den beabsichtigten Einsparungen vielmehr zu höheren Kosten für Bibliotheken und einer erhöhten Abhängigkeit der deutschen Wissenschaft von im Ausland verlegten Zeitschriften führen.

Im Einzelnen wird in der Stellungnahme kritisiert, dass die Schaffung des geplanten Zweitveröffentlichungsrechts

nicht geeignet sei, das vom Referentenentwurf definierte gesetzgeberische Ziel zu erreichen die Gefahr mit sich bringe, dass geistes- und sozialwissenschaftliche Datenbanken und Zeitschriften in deutscher Sprache allmählich verschwinden bzw. nur noch in ineffizienten staatlichen Publikationsstrukturen hervorgebracht werden könnendeutsche Verlage im Wettbewerb mit ausländischen Verlagshäusern benachteiligt werdenauf eine entschädigungslose Enteignung der Leistungen deutscher Verlage hinauslaufe und europa- und verfassungsrechtlichen Bedenken begegne

Auf die vorgeschlagene Regelung solle deshalb ersatzlos verzichtet werden, kritisiert der Branchenverband.

Lob für die Digitalisierungslösung zu verwaisten Werken
Ausdrücklich gelobt wird in der Stellungnahme des Börsenvereins hingegen die vom Bundesjustizministerium vorgeschlagene Lösung für die Digitalisierung vergriffener und sogenannter verwaister deutscher Bücher und deren Zugänglichmachung im Internet im Rahmen der Deutschen Digitalen Bibliothek. Es sei seit Jahren das gemeinsame Ziel aller wesentlichen Teile der deutschen Buchbranche, eine Lösung für die online-Erschließung vergriffener Bücher aus Bibliotheksbeständen zu finden. Die im Referentenentwurf vorgeschlagenen Regelungen zur Lizenzierung der Digitalisierung vergriffener Bücher und sonstiger Textwerke seien der entscheidende Durchbruch. „Nicht zuletzt zeigt die Regelung, dass solche Probleme statt durch millionenfachen Urheberrechtsbruch auch im Rahmen des geltenden Urheberrechtssystems vernünftig gelöst werden können", kommentierte Jürgen Hogrefe unter Anspielung auf das gerichtlich gestoppte Buchscan-Projekt der Firma Google.

Hier geht es zur ausführlichen Stellungnahme des Börsenvereins zum Gesetzentwurf (Dritter Korb)

Zum Referentenentwurf selbst 

... sowie die Stellungnahme des Börsenvereins zum Google Books Projekt