"Was Sie suchen, steht direkt vor Ihnen"

23. Juli 2015
von Börsenblatt
"Woher kommen die innovativen Köpfe für die Buchbranche?", war Hauptthema einer Fachtagung an der Akademie des Deutschen Buchhandels in München. Tea Herovic von den Jungen Verlagsmenschen meint, die richtigen Young Professionals sind schon längst da, werden aber übersehen.

Personalentwicklung im Verlag: Grundlegendes muss sich ändernFreitagmorgen, Sonnenschein, Literaturhaus München: 55 Führungskräfte aus dem Publishing Business treffen sich zur Konferenz „Most Wanted! Kluge Köpfe für den Wandel – Personalentwicklung im Verlag 3.0". Initiiert und organisiert wurde diese Veranstaltung von zwei wichtigen Brancheninstitutionen: der Akademie des deutschen Buchhandels und Bommersheim Consulting. Die Agenda ist straff und gespickt mit bekannten Namen, die sich ihre Gedanken über die Zukunft des Publishings im digitalen Zeitalter gemacht haben. Die Botschaft des Tages vorab: Es muss sich etwas grundlegend in der Personalorganisation und -führung ändern! Keywords wie Hierarchieabbau, Hygiene-Faktoren und digitales Environment prägen die Diskussionen.

Helena Bommersheim und Bernd Zanetti, Geschäftsführer der Akademie des Deutschen Buchhandels, führen in den Tag ein. Beide nennen die bestehenden Probleme direkt und ungeschönt: Rückgang der Einnahmen, mangelnde Innovationsbewegung und eine geringe Attraktivität der Buch- und Medienbranche auf Bewerber. Im Saal wird wissend genickt und auf die Unterlagen auf dem Tisch geschaut – oder es werden nebenbei Emails auf diversen Apple-Produkten bearbeitet. Eines wird schnell klar: Führungskräfte sind sehr beschäftigte Menschen. Umso lobenswerter ist es, dass sie sich einen ganzen oder halben Tag die Zeit genommen haben, um nach effizienten und nachhaltigen Lösungsansätzen zu suchen.

Young Professionals: Setzt die Buchbranche mit Techies aufs falsche Pferd?Inmitten dieser klugen Köpfe haben sich zwei Junge Verlagsmenschen gemischt, um zu lauschen, zu lernen und zu twittern. Nun folgt kein Abriss aller Reden und Gedanken. Die anwesenden Journalisten haben ihren Auftrag gründlich erfüllt. Mein Anliegen ist ein Klärung einer vielleicht wichtigeren, weil grundlegenden Frage: Die „most wanted-Köpfe". Wer ist damit genau gemeint? Ursprünglich bin ich davon ausgegangen, dass es um die jungen Verlagsmenschen, also die Young Professionals von heute und morgen geht, die man besser früher als später ins Boot holt, um den neuen Herausforderungen mit Frische, Elan und innovativen Ideen zu begegnen. Doch im Laufe der Konferenz beschlich mich immer mehr das Gefühl, dass es nicht um die vielen, fleißigen und innovativen Köpfe geht, die gerade in einer Assistenz festsitzen und auf ihre nächste Karrierechance warten. Es ging um die Marketing- und Betriebswissenschaftler und kreativen „Techies", für die scheinbar die Twitter, Google und BMW Companies interessanter sind, als die Buch-und Medienbrachen. Katrin Siems, Vice President Sales & Marketing bei Walter de Gruyter brachte es schlussendlich auf den Punkt: „Fachkompetenz wird immer wichtiger. Der traditionelle Germanist, der was von Büchern versteht und zufällig im Marketing gelandet ist, aber kein praktisches Marketing-Knowhow hat, ist nicht mehr gefragt."

Das ist mal eine klare Ansage und musste sofort auf Facebook und Twitter kundgetan werden. Die Reaktionen der jungen Verlagsmenschen waren klar und mündeten in der Frage: Und was mache ich jetzt mit meinem geisteswissenschaftlichem Studium? Zukunftsangst, Zweifel und Sorge machen sich bereit. Doch das muss nicht sein!

Es ist Zeit für mehr LeidenschaftHal Robinson, CEO bei Librios, begann seine Präsentation mit einem sehr beeindruckenden Zitat: „This ist the BEST time to be working in publishing!" Und er hat Recht! Es ist eine Zeit voller Veränderungen, Möglichkeiten und Plattformen für neue Ideen und Wege. Zugleich ist es aber auch eine gefährliche Zeit, in der man gut abwägen muss, welche Wege man gehen sollte und welche nicht. In einer solchen Zeit sind zwei Dinge besonders wichtig: Leidenschaft und Mut. Beide Eigenschaften sehe ich tagtäglich bei vielen Volontären, Assistenten und Praktikanten der Branche. Sie sind mutig, weil sie sich – ohne groß darüber nachzudenken – für eine Karriere in der Buch- und Medienbranche entschieden haben. Sie sind leidenschaftlich, weil sie trotz der Kritik und dem Pessimismus die ihnen entgegenschlagen, an der Idee festhalten, dass Bücher und Zeitungen (egal in welchem Format) wichtige Kulturgüter sind, die nicht verschwinden dürfen. Sie sind mutig und leidenschaftlich zugleich, weil sie sich dem Spott und der Verachtung all der Besserverdiener mit ihren Firmenfahrzeugen und „Around-the-world-Trips" stellen. Und wenn ich mich in meiner Generation – der Generation Y – so umsehe, dann sehe ich keine „faulen und schlauen" jungen Menschen wie es die aktuelle „ZEIT" titelt, sondern vielmehr fleißige und aufopfernde. Ich sehe junge Menschen, die einem Unternehmen nicht zu erst auf den bunten „Bauchladen" schauen, um dann profitgeleitete berufliche Entscheidungen zu treffen, sondern junge Menschen, die sich von Interesse und Leidenschaften bei ihrer Berufswahl leiten lassen. Das Magazin „brand eins" titelte in der Februarausgabe groß mit: „Wofür stehst Du?" Der Schwerpunkt ist klar: Marken und Glaubwürdigkeit.

Die Branche kann glaubwürdiger werden
Das große Problem unserer Branche sind nicht die digitalen Konkurrenzprodukte oder Amazon. Das Problem ist unsere Glaubwürdigkeit. Es geht nicht ums: Lesen oder Nicht-Lesen. Es geht um die Frage: Was soll ich lesen? Die einzige richtige Antwort darauf klingt simpel: das, was dir gefällt und wie es dir gefällt. Und wonach orientiert sich der heutige Konsument? Natürlich nach Marken. Marken stehen – im besten Falle – für Glaubwürdigkeit. Und wie kommen Sie, liebe Führungskräfte und Verleger, zur gewünschten Glaubwürdigkeit und damit zu erfolgreichem Verkaufen? Ich möchte meinen, indem sie Menschen einstellen, die an das Produkt, das sie produzieren glauben. Diese Menschen locken Sie aber nicht mit einem tollen „Candy-Shop" und Sie werden sie auch nicht bei Google abwerben müssen. Das, was Sie nämlich verzweifelt zu finden versuchen, steht bereits direkt vor Ihnen. Es hat womöglich noch keine HTML-Fähigkeiten und kann noch nicht programmieren und Marktforschungstools rauf- und runter spulen. Noch nicht! Aber das, was Sie vor sich sehen, bringt etwas mit, was kein Marketing- oder BWL-Student ersetzen kann: Liebe für und zur Literatur.

Liebe Führungskräfte, liebe Verleger und Vorstandsvorsitzenden, lassen Sie jetzt ihren iPod oder ihr Smartphone liegen, bewegen Sie sich mutig raus aus der Komfortzone und auf den Kopierer auf ihrem Stockwerk zu. Die Person, die sie dort antreffen, ist gerade dabei entweder den Pressspiegel, das Protokoll der letzten Sitzung oder – viel aktueller – die Messeunterlagen zu kopieren. Liebe Führungskräfte darf ich vorstellen: Das ist die Zukunft und die Hoffnung ihres Unternehmens.