15 Jahre Preis der Literaturhäuser

Geburtstags-Feuerwerk

21. März 2016
von Börsenblatt
Im Leipziger Haus des Buches wurden 15 Jahre Preis der Literaturhäuser gefeiert. Ein toller Abend, der die leidige Frage nach E oder U gar nicht erst aufkommen ließ.

"Sagen was man denkt. Und vorher etwas gedacht haben." – Was sich Harry Rowohlt für Schriftsteller vor Mikrofonen wünschte, kann sehr gut als Geschäftsgrundlage für Abende in Literaturhäusern herhalten. Am Buchmesse-Freitag im Leipziger Haus des Buches wurde das Diktum aufs Schönste eingelöst: 15 Jahre Preis der Literaturhäuser galt es zu feiern – mit drei ehemaligen Preisträgern, dem frisch gekürten Ulf Stolterfoht sowie Rainer Moritz und Denis Scheck als blendend aufgelegtem Moderatoren-Duo, welches das in der Fußball-Berichterstattung bewährte Prinzip „Netzer & Delling“ mühelos in die Sphäre des Literaturbetriebs transferierte. Kurzum: Unterhaltung auf hohem Niveau, ein sprühendes Geburtstags-Feuerwerk, das die leidige Frage nach E oder U gar nicht erst aufkommen ließ.

Literaturhäuser können, wenn sie ihre Möglichkeiten intelligent ausspielen, dem individuellen Vorgang des Schreibens und Lesens einen dialogischen, Öffentlichkeit stiftenden Charakter geben. Dieses Prinzip bringt der Preis der Literaturhäuser, der seit 2002 von den inzwischen 14 im Netzwerk literaturhaus.net zusammengeschlossenen Häusern vergeben wird, gleichsam zur Aufführung: Der Preis geht an deutschsprachige Autorinnen und Autoren, die sich „für neuartige Konzepte der Vermittlung von Literatur“ stark machen – für neue Wege der Präsentation abseits der sattsam bekannten „Wasserglaslesung“ also. Konsequenter Weise besteht die Auszeichnung in einer Lese-Tournee durch alle Häuser. An jedem Abend gibt’s eine eigene Laudatio, weit entfernt vom Ablesen der allfälligen Wikipedia-Einträge. Hier wird noch ordentlich fürs Geld geackert.

Wie breit das Stimmen-Spektrum der in den letzten 15 Jahren Ausgezeichneten ist, konnte der Leipziger Abend nur anreißen: Es reicht vom lebenslang geführten poetisch-anarchischen Tagebuch Elke Erbs (Preisträgerin 2011), in dem sich Artifiziellstes und Alltäglichstes wundersam mischen, über die skurrilen Live-Performances des Comic-Künstlers Nicolas Mahler mit Laptop und Beamer (Preisträger 2015) bis zu den Lese-Sternstunden Feridun Zaimoglus (Preisträger 2012), die auch dann noch mitten ins Herz treffen, wenn der Autor, wie diesmal, an einer Erkältung laboriert.   

Ulf Stolterfoht, der aktuelle Preisträger, hat, wie es in der Jurybegründung heißt, „die Spielarten des gegenwärtigen Gedichts erheblich ausgeweitet“; der formbewusste Schwabe machte mit Bänden wie „Holzrauch über Heslach“ (Engeler) oder der kulturhistorischen Sekten-Farce „neu-jerusalem“ (Kookbooks) Lyrik auch für Zeitgenossen kommensurabel, die mit Versfüßen sonst nicht viel am Hut haben.  Sein neuester Coup, möglich geworden durch ein kleines „Stückle“, vulgo Vorerbe: Die Gründung des eigenen Lyrikverlags Brueterich Press, dessen Werbe-Slogan („Schwierige Lyrik zu einem sehr hohen Preis – dann ist es Brueterich Press!“) wie eine Provokation anmutet. Stolterfoht versendet selbst und setzt aufs Abo-Prinzip; 140 Leser haben die Brueterich Press, in der pro Jahr zwischen sechs und acht Bücher erscheinen sollen, bereits fest abonniert. Aber auch eine wachsende Zahl literarischer Buchhandlungen nimmt die von der Agentur Gold & Wirtschaftswunder gestalteten Preziosen ins Depot. „Arme Studenten“, so der Dichter-Verleger, „bekommen schon mal 50 Prozent Rabatt“.

Mit einer Lesung bislang unveröffentlichter Texte von Stolterfohts Verlegerin Daniela Seel – womöglich ein Blick in die Zukunfts-Glaskugel des Preises der Literaturhäuser? – endete ein großer Abend. Dass er die von Denis Scheck favorisierte Dauer einer literarischen Veranstaltung („fünf Viertelstunden“) deutlich überschritt, störte keinen. Ganz im Gegenteil, man war sich mit dem Moderator einig, der schon vorab wusste: „Um nichts im Leben wollt’ ich DAS verpassen!“

nk