2. Personalentwicklungskonferenz der Akademie des Deutschen Buchhandels

Gegen den Wandel oder mit ihm?

23. Februar 2014
von Börsenblatt
Die Generation Y und die Digitalisierung sind nach wie vor die beherrschenden Themen für Personaler. Wie weit Verlage auf dem Weg des Wandels gekommen sind, ist sehr unterschiedlich. Die zweite Personalentwicklungskonferenz an der Münchner Akademie des Deutschen Buchhandels in Kooperation mit Bommersheim Consulting zeigt: Es muss mehr geschehen.

„Der Wandel ist da – und er wird nicht mehr gehen". Aussagen wie diese waren in der Bibliothek des Münchner Literaturhauses in verschiedenen Varianten zu hören. Ausgerechnet zwischen den Büchern des Literaturhauses fand die von der Digitalisierung getriebene, zweite Personalentwicklungskonferenz unter dem recht sperrigen Titel „Most wandted! Digital- und Innovationskompetenz – HR-Stratgien und Personalentwicklung im Verlag 3.0" statt. Das passte. Das größte Problem vieler angereister Personaler ist nämlich gar nicht der Kampf um die besten Köpfe der Generation Y (und das ist bereits ein großes Problem), sondern die Frage, wie sich die im Unternehmen vorhandenen Mitarbeiter aus der alten Buchwelt weiterbilden und deren Arbeitsprozesse umstrukturieren lassen, um mit den Herausforderungen der E-Book -und App-Produktion und neuen Vermarktungsmechanismen Schritt zu halten. Getrieben wird der Markt ohnehin von den Global Playern, die gleichzeitig Freund und Feind sind.

E-Books und die Formel 1

Die Internationalisierung, der rapide technische Wandel und die Marktverschiebungen durch die Digitalisierung (inklusiver neuer Konkurrenten, die auf schnelles Wachstum im Netz getrimmt sind) stellen die Verlage vor die Herausforderung, Geschwindigkeit neu zu lernen und zusätzlich andere Produkte herzustellen. Susanne Haselhorst, seit April Personalleiterin bei Georg Thieme, brachte dies mit dem Bild auf den Punkt: „Früher haben Sie Autos für die Straße gebaut, stellen Sie sich vor, Sie wollten jetzt auch in der Formel 1 mitmischen." Mit Kosmetik ist es nicht mehr getan. Das Stichwort heißt Umstrukturierung, neudeutsch „Change" – und das bedeutet auch immer: Wagnis. Die Programme müssen in der Geschäftsführungsebene aufgehängt sein und von dort gelebt werden.

Nicht nur im Familienunternehmen Georg Thieme hat man dafür viel Geld in die Hand genommen:Die Haufe Gruppe hat den Willen zum Wandel auch durch zum Teil schneidende Reformen eingeleitet: Stellen werden gestrichen, es wird umstrukturiert - aber auch neue Arbeitsplätze entstehen: Gerade hat das Unternehmen 70 Stellen ausgeschrieben, konnte Birte Hackenjoos (COO bei Haufe) vermelden.

 

Die Angst der Geschäftsführung bremst

Hierarchien lassen sich nicht leicht aufbrechen: Die Vorstellung unter Zuhilfenahme eines Change Managers den Wandel „erledigen“ zu können, war auch zu schön, um wahr zu sein. Wie viele Personaler hinter vorgehaltener Hand berichteten, erschwert auch die Angst auf Geschäftsführerebene vor Transparenz (etwa durch 360 Grad-Befragungen, bei denen Mitarbeiter etwa in anonymisierten Verfahren Vorgesetze bewerten) das Vertrauen der Belegschaft in den nächsten angekündigten Wandel und infolgedessen die Bereitschaft, denselben aktiv mitzugestalten. Zwar legt eigentlich jedes größere Haus kostspielige Qualifizierungsmaßnahmen für die Geschäftsführer an, aber die Hierarchien flacher zu gestalten und wirklich Macht abzugeben, wird oft als Risiko angesehen. Gerade in mit einem Risiko verbundenen Umbauprozess braucht es jemanden, der das Steuer und die Mannschaft zusammenhält, glauben auch viele Personalentwickler.

Neue Köpfe vs. Fortbildungsmaßnahmen

Es braucht natürlich auch neue Köpfe für die Digitalisierung: Es ist nicht möglich, alle Mitarbeiter vom alten Schrot für die Digitalstrategien zu begeistern, auch nicht mit Maßnahmen, bei denen nicht die Fortbildungen bezahlt, sondern die Abwesenheit derselben. Die Verweigerungshaltung hat Gründe: Die Stellenprofile von Produktmanagern und Lektor und Redakteuren sind vollkommen unterschiedlich. Kommen neue Aufgaben wie Vermarktung, Marketing und App-Produktion inklusiver vieler nervenaufreibender Meetings zu den bisherigen Aufgaben einfach hinzu, drückt diese Mehrbelastung ebenso wie die Angst, im Haus verzichtbar(er) geworden zu sein.

Verzichtbar sind die vorhandenen Mitarbeiter aber gar nicht: „Es gibt da draußen gar nicht so viele Projektmanager, wie Stellen ausgeschrieben werden. Das ist ein Wunschkonzert“, machte Rita Bollig (Leiterin Bastei Entertainment) klar. Bei Bastei Entertainment hat man seit dem Start Mitte 2010 mit einem gemischten Team in der eigenen Digitalabteilung sehr gute Erfahrungen gemacht.

Die Verlage reagieren mit verschiedenen Qualifikationsmaßnahmen, etwa:

  • Trainings und neue Programme wie Media Manager und Global Media Manager bei Holtzbrinck (für Geschäftsführer gibt es Coaching for success)
  • Impulse Programm und Learning Lunches bei Gräfe und Unzer
  • Creative Labs bei Bastei Entertainement)
  • bei Springer wächst der Stellenwert der Personalentwicklung: Neu ist das Springer Publishing Academy Programm, dass globale Standards(STM, Rechtsfrange, Content Aquisition) garantieren soll
  • die SWMH („Süddeutsche Zeitung u.a.) überraschte zum Abschluss der Konferenz mit einem ganzen Bündel an geplanten Maßnahmen – die Zeitungen der Gruppe wurden, das widerspricht sich nicht, am Wochenende bestreikt und erschienen in geringerem Umfang
  • Die Bonnier Gruppe bietet neben Fortbildungenim "Grow"-Programm jedem Mitarbeiter auf Wunsch die Möglichkeit für einen 3-monatigen Auslandsaufenthalt bei einem anderen Tochterverlag. Die Verlage tauschen untereinander Mitarbeiter aus.

Mit Leitlinien und neuen Strukturen auf Erfolgskurs

Erfolgreich Seminare und Fortbildungsprogramme (Inhouse oder mit externen Coaches) anzubieten scheitert eher an der Bereitschaft der Teilnehmer als am Geld. Im Idealfall sehen Unternehmen es so wie Rita Bollig für Bastei Entertainment „In das Wissen der Mitarbeiter zu investieren, produziert keine Kosten, sondern erhöht den Vermögenswert.“

Egal ob im Unternehmen horizontal und vertikal umstrukturiert oder mit „business untis“ Mitarbeiter entlastet und doppelte Arbeit vermieden wird – große Unternehmen wie Holtzbrinck haben sich ein aktives Talent Management auf die Fahnen geschrieben – für Holtzbrinck auch durch die dezentrale Struktur eine immense Herausforderung.

Auch das Vorleben von Unternehmensleitlinien soll helfen, den Wandel zu meistern. Nicht immer müssen diese so weit gehen wie die bunte Bürowelt Googles, in der Betriebsräte angeblich nicht mehr notwendig sind. Das behauptet Amazon auch von sich.


 

Von den Teufelskerlen aus dem Silicon Valley lernen - mit Vorsicht

Trotzdem: Was die Unternehmenskultur und das Recruiting angeht, kann man über auch auf der Konferenz vertretene Unternehmen wie Google und Microsoft oft nur staunen. Home Office ist hier geduldet (zwar nicht erwünscht), gute Kinderbetreuung und eine Ausstattung der Mitarbeiter mit Smartphones und Digital Devices selbstverständlich. Mitunter kann man auch bloß den Kopf schütteln, wenn etwa die Rede auf die Microsoft-„Evangelisten“ kommt. Ganz ohne Druck und absolut freiwillig „sollen“ die Mitarbeiter auf Jobbörsen und Social Media ihre Profile im Windows 8 Kachel-Look aufmöbelnund für ihr Unternehmen die Trommel rühren. Dafür gibt es eigene Anleitungen und Fortbildungen. Und dann sollen sie auch neue Mitarbeiter werben – gegen eine üppige Prämie. Erfolgreich produziert Microsoft aber auch Jobprofile ausgeschriebener Stellen (auch für Praktikanten) Inhouse als Videos, die auf Youtube gebracht werden- und findet damit viel Beachtung.

Man kann zwar vieles lernen von den Internetunternehmen, aber „viele wollen gar nicht bei Google, sondern in einem Verlag arbeiten“, wie Marketingleiter Patrick Scheidt, Marketingleiter bei Elsevier in seiner Roundtable-Session hervorhob. Zu glauben, dass der Druck auf den cool wirkenden Internet-Start-ups weniger lastet, wäre ohnehin blauäugig. Dem Wandel, so dass Credo der Konferenz, müssen sich alle Marktteilnehmer stellen.