60 Jahre – KiWi feiert in Berlin

Melancholische Blicke

1. Oktober 2011
von Börsenblatt
Das Büfett und die Getränke waren vorzüglich, und als Ohrenschmaus gab dazu der Entertainer Toni Mahoni mit Hütchen und rauchiger Tom-Waits-Stimme unpluggten Rock zum Besten. Zuvor war von KiWi-Verleger Helge Malchow zu erfahren, warum in Berlin gefeiert wurde: Weils praktisch war.

Des Weiteren verriet Malchow im Gespräch mit Moderator Jörg Thadeusz, welches sein Lieblingsbuch aus der eigenen Produktion ist: „Unendlicher Spaß". Welcher Autor dem Verleger das meiste abverlangt hatte: Heiner Müller. Warum er gegenüber Alice Schwarzer nicht in Erklärungsnot kommt: „hochkonzentrierter Frauenversteher".

„Alterspräsident" (Malchow) Ralph Giordano (88) erzählte „aus der Mitte" seines Lebens und berührte dabei hie und da auch die Geschichte des Verlags Kiepenheuer & Witsch. Später legte Kiwi-Autor Hans Nieswandt auf. Er begann sein Set mit einer interessant remixten Version des schläfrigen J.J. Cale-Klassikers „After Midnight" – und so sah es dann allerdings auch auf der Tanzfläche aus. Obwohl ein überaus jugendlich vortanzender Peter Wawerzinek sich alle Mühe gab und der Romancier Thorsten Becker („Sieger nach Punkten") ihm armrudernd assistierte, sprang der Funke auf die versammelten Autoren und Kulturjournalisten einfach nicht über.

Die drängten sich lieber mit Steherqualitäten draußen im Berliner Altweibersommerabend und vergnügten sich beim Betriebsklatsch – sind eben professionelle Wortmenschen auch nach Dienstschluss. Da konnte man dann Angelika Klüssendorf und Katja Lange-Müller mädchenhaft plaudern sehen. Oder beobachten, wie Benjamin von Stuckrad-Barre an der Seite Helge Malchows melancholische Blicke über die Menge streifen ließ. Schmerzlich vermisst wurde Joachim Lottmann, das popkulturelle Zugpferd des Verlags. Aber der hat Berlin-Mitte einfach nicht mehr ausgehalten, seinen Wartburg abgemeldet und den Wohnsitz, wie man hört, nach Wien verlegt.