"Ein Miteinander entwickeln"

Interview mit Lübbe-Vorstandschef Thomas Schierack

3. Juli 2015
von Börsenblatt
Stillstand? Dieses Wort kennt man bei der Bastei Lübbe AG nicht. Börsengang, Zukäufe, Beteiligungen, Preisanhebungen bei Taschenbüchern - das sind nur einige Schlagworte, die die unternehmerischen Entscheidungen der Kölner charakterisieren. Ein Interview mit Vorstandschef Thomas Schierack.

Bastei Lübbe ist ein sehr dynamisches Unternehmen. Welches waren die größten Herausforderungen im Geschäftsjahr 2014/2015?Die größte Herausforderung war zweifelsohne die Integration unserer Zukäufe, des Selfpublishers BookRix und des Spieleentwicklers Daedalic in die Bastei Lübbe AG. Da prallen verschiedene Welten und Kulturen aufeinander. Es galt, ein Miteinander zu entwickeln, gemeinsame Strukturen und Prozesse zu finden. Unsere Philosophie, was wir denken, wie wir arbeiten, wie wir mit den Mitarbeitern umgehen, zu vermitteln. Das wird auch in diesem Jahr eine der größten Herausforderungen bleiben.

Nun treffen in der neuen Vorschau erstmals die Selfpublishing-Autoren von BookRix, die den Sprung ins Programm geschafft haben, auf die „traditionellen" Autoren. Ein schwieriges Unterfangen?Ein sehr herausforderndes auf jeden Fall. Wir müssen hier im Haus für ein beiderseitiges Verständnis der jeweiligen Arbeit werben, miteinander kommunizieren. Und wir sind schon sehr gespannt, wie die Selfpublishing-Autoren ankommen werden.

Im Buchgeschäft haben Sie Ihren Vorjahresumsatz von 85,8 Millionen Euro um rund sechs Millionen Euro verfehlt, weil Dan Brown im vergangenen Jahr die Messlatte hochgelegt hatte. Sind Sie trotzdem zufrieden?Ja, wenn man bedenkt, dass der Buchmarkt insgesamt einen Rückgang verzeichnet hat, stehen wir grundsätzlich gut da. Die ganz großen Bestseller haben im vergangenen Jahr in Deutschland zwar gefehlt. Wir meinen aber, dass sich der Printbereich eher stabilisiert hat. Vor zwei, drei Jahren hatten wir noch ganz andere Befürchtungen. Jetzt sehen wir aber, dass Print konstant läuft.

Mit der Preisanhebung auf mehr als zehn Euro für ausgewählte Taschenbücher haben Sie in der Branche viel Beifall geerntet, denn davon haben alle etwas. Warum kommt der Schritt gerade jetzt?Mein Kollege Klaus Kluge ist schon seit Jahren hinter den Preisen her, hat verglichen, gerechnet und mit vielen Händlern gesprochen. Bücher sind in den letzten Jahren kaum teurer geworden, unsere Branche ist eine der wenigen, die die Euroumstellung nicht zu einer Preiserhöhung genutzt hat. Vor zwei bis drei Jahren haben wir es schon einmal versucht, aber da hatten wir in den Nebenmärkten kaum Unterstützung. Das sieht jetzt anders aus. Es hat sich außerdem gezeigt, dass auch höherpreisige Spitzentitel jenseits von 20 oder gar 30 Euro gut laufen. Wir werden das genau beobachten und hoffen, dass wir eine Vorreiterrolle einnehmen und andere Verlage uns folgen werden.

Axel-Springer-Manager Christoph Keese hat kürzlich angeregt, die Preisbindung nach oben zu öffnen, Buchhändler könnten Bücher dann auch teurer verkaufen. Wie finden Sie diese Idee?Unsere Branche lebt gut mit der Preisbindung so wie sie ist. Ich bin kein Freund davon, Wettbewerb auf diesem Gebiet anzufangen. Denn dann beginnen die Kunden, Preise zu vergleichen und sich genau zu überlegen, wo sie einkaufen. Das treibt sie dann eher wieder ins Netz. Jetzt wissen sie: Im Buchhandel gelten überall dieselben Preise.

Seit fast zwei Jahren betreiben Sie in Köln den Siebten Himmel, ihren Concept-Store, in dem Sie etwa zur Hälfte Bücher und Non-Books anbieten. Mit welcher Zwischenbilanz?Der Laden macht sich wirklich gut. Wir sammeln dort viele Informationen, welche Bücher und Geschenke laufen und welche nicht. Das Geschäft befindet sich nicht in 1a-Lage, gerade am Wochenende ist es aber rappelvoll. Es hat sich schon herum gesprochen, dass wir dort schöne Dinge anbieten. Also das rechnet sich.

Nicht so gut läuft es mit dem Aktienkurs Ihres Unternehmens, der dümpelt vor sich her. Woran liegt's?Von der Entwicklung der Aktie haben wir uns mehr versprochen. Die Aktie ist nicht so erfolgreich, wie wir das gedacht haben. Das liegt vor allen Dingen daran, dass wir noch nicht als internationales Medienhaus wahrgenommen werden. Wenn Sie heute jemanden fragen, wer Bastei Lübbe ist, kommt immer noch häufig die Antwort: „Das sind doch die mit den Groschenromanen." Wir arbeiten daran, anders wahrgenommen zu werden. Ich bin sicher, wenn erstmalig unsere digitalen Erfolge sichtbar werden, dann verändert sich auch unser Image. Bis dahin bin ich viel unterwegs auf Finanzkonferenzen und präsentiere unser Haus und das, was wir tun.

Der größte Wachstumsbereich von Bastei Lübbe ist das Digitalgeschäft. 2018/2019 soll der Digitalanteil bei mehr als 50 Prozent liegen. Geben Sie damit nicht die DNA von Bastei Lübbe auf?Nein, das Gegenteil ist der Fall. Wir sind ganz nah dran an unserer Ursprungs-DNA, die da heißt: Romanhefte und eigene Inhalte. Das, was wir jetzt vorhaben, zielt genau in diese Richtung: wieder eigene „Hefte", jedoch digital als Serials und natürlich eigene Inhalte, denen ein großer Teil unserer Investitionen gilt.

Bastei Lübbe muss seit letzten Oktober ohne seinen verstorbenen Verleger Stefan Lübbe auskommen. Was heißt das für ein Unternehmen, das so sehr von der Persönlichkeit Stefan Lübbes geprägt war?
Er fehlt. Gar keine Frage. Stefan Lübbe kann und will niemand ersetzen. Wir versuchen, soweit es geht, die Lücken, die er hinterlassen hat, zu schließen. Aber es bleiben Lücken. Dennoch hat noch kein Autor gesagt, dass er von uns weggehen möchte. Ein großes Verdienst von Stefan Lübbe ist, dass er schon sehr früh sehr digital gedacht hat. Es ist tragisch, dass er schon so früh gestorben ist.

Interview: Christina Schulte