"Zwischen Hammer und Amboss"

LesensArt-Betriebsrat bittet Weltbild-Eigner um Hilfe

26. Juni 2015
von Börsenblatt
Für die LesensArt-Filialen wird es eng: Der Gesamtbetriebsrat befürchtet weitere Schließungen und wendet sich jetzt in einem offenen Brief an die Droege-Gruppe und den Weltbild-Minderheitsgesellschafter Arndt Geiwitz. Die Betriebsräte sehen sich getäuscht über die wahren Gründe des Verkaufs der Filialen an Rüdiger Wenk. UPDATE 17:07 Uhr: Wie der Betriebsrat soeben mitteilt, wurden heute die LesensArt-Filialen in Ansbach und Viersen geschlossen.

In dem offenen Brief vom 26. Juni sprechen sie von einem psychologischen Kleinkrieg, wollen auf ihre ihre verzweifelte Lage aufmerksam machen und fordern die ehemaligen Lenker dazu auf, Verantwortung zu übernehmen. Leider bleibe nur "dieses ungewöhnliche Mittel der Kommunikation", da alle anderen Versuche unbeantwortet geblieben seien. Der offene Brief ist adressiert an Weltbild-Geschäftsführer Patrick Hofmann, den Chef der Droege-Gruppe Walter Droege und den Weltbild-Minderheitsgesellschafter (und ehemaligen Insolvenzverwalter) Arndt Geiwitz.

Im Wortlaut:

"Von Verzweiflung sprechen wir nicht leichtfertig. Wir könnten auch Fassungslosigkeit, tiefe Enttäuschung und völlige Hoffnungslosigkeit hinzufügen. Die Mitarbeiter − immerhin noch über 350 Kollegen und Kolleginnen (viele von ihnen mit Familie und Kindern) − der ehemaligen Weltbild Buchhandlungen sind zwischen Hammer und Amboss geraten und werden seit Wochen rücksichtslos zerrieben.

Auf der einen Seite stehen unsere neuen Eigentümer LesensArt, die sich zu keiner Zeit nach dem Verkauf an das uns und Ihnen durch den Unternehmensberater B.L. Winkelhaus von der GUO Berlin vorgestellte Konzept gehalten haben. Wie es sich uns heute darstellt, war das Geschäftsmodell von Beginn an nicht auf den Betrieb einer Buchhandlung, sondern lediglich auf deren Weiterverkauf ausgerichtet.

Nach minimalen Investitionen in die ehemaligen Weltbild Filialen, wurden die verkauften Filialen mehreren Filialleitern und Filialleiterinnen geradezu zum Weiterverkauf aufgedrängt: Hierzu sollten private Kredite in Höhe von rund 100.000,00 € aufgenommen werden. Die Filialleiter/innen sollten ihre Filialen kaufen bevor Mietverträge neu verhandelt bzw. der eigentliche Sanierungsprozess überhaupt begonnen hatte.

Als dies nicht funktionierte, weil die Verträge den Mitarbeitern unseriös und vor allem überteuert erschienen, begann ein psychologischer Kleinkrieg: Ohne Information des Wirtschaftsausschusses oder des Gesamtbetriebsrates, ohne jegliche Verhandlungen der vertraglich vereinbarten Strukturkommission, ohne jegliche Verhandlung zu Interessenausgleich und Sozialplan werden Filialen geschlossen oder weiterverkauft (z.B. an eine andere Firma, an der Herr Winkelhaus beteiligt ist).

Drei LesensArt Buchhandlungen und viele Mitarbeiter sind den Herren Wenk und Winkelhaus schon zum Opfer gefallen und täglich werden es mehr, da weitere Schließungen, Verkäufe und Untervermietungen an Dritte anstehen.

Auf der anderen Seite stehen Sie, Weltbild, unsere alten Eigentümer und Geschäftsführer, die scheinbar mit Unterzeichnung des Kaufvertrages jegliches Interesse an uns verloren haben und auch jede Verantwortung für uns von sich weisen.

Und doch bestimmt Weltbild weiter über unsere Zukunft: Mit Unterzeichnung des Kaufvertrages wurden wir alle in unseren Buchhandlungen − laienhaft ausgedrückt − illegale Untermieter. Die Vermieter wurden von Ihnen über den Verkauf der Buchhandlungen monatelang nicht informiert, und als dann doch endlich die Kommunikation mit ihnen gesucht wurde, haben Sie nachweislich in mehreren Fällen nicht etwa versucht, die Zustimmung der Vermieter zum Übergang des Mietverhältnisses auf die LesensArt GmbH zu erlangen, sondern haben vielmehr die Auflösung des Vertrages bzw. die Untervermietung an einen 1-Euro Shop angestrebt.

Damit besiegelt Weltbild unser aller Schicksal, das letztendlich nur bedeuten kann, dass alle verkauften Filialen abgewickelt werden – völlig im Gegensatz zu der Fürsorgepflicht, die doch ein Arbeitgeber gegenüber seinen Arbeitnehmern nach dem Gesetz hat, und die auch in Bezug auf einen Verkauf gilt. Das Grundgesetz spricht sogar davon, dass Eigentum verpflichtet – daher bitten wir Sie sehr eindringlich, sich Ihrer Verantwortung für uns nicht zu entziehen, sondern uns zu helfen.

Wir – die noch verbliebenen Mitarbeiter der ehemaligen Weltbild Buchhandlungen – stehen heute vor einer mehr als ungewissen Zukunft. Die Mitarbeiter der Firma LesensArt sind immer noch bereit das ursprüngliche Sanierungskonzept umzusetzen, denn wir glauben an die Zukunft des stationären Buchhandels. Die ersten kleinen Schritte hierzu sind getan, helfen Sie uns nun auch den Rest des Weges zu gehen!"

Update, 26. Juni, 17:07 Uhr

Der Gesamtbetriebsrat von LesensArt teilt soeben mit, dass die LesensArt-Filialen in Ansbach und Viersen "heute geschlossen und heute und morgen ausgeräumt werden. Die Mitarbeiter wurden freigestellt."

Weiter heißt es: "Die Filiale in Ansbach wurde erst wenige Stunden vorher telefonisch darüber informiert."

"Ob die Schließung auf Betreiben von Weltbild oder von LesensArt erfolgte, kann der GBR leider nicht abschließend klären, da der Arbeitgeber erneut seiner Informationspflicht an den Betriebsrat nicht nachgekommen ist", erklärt Olaf Keith, Sprecher des GBR LesensArt.