AK Ratgeberverlage

Was die Leser wollen

5. Mai 2011
von Börsenblatt
Digitalisierung und Internet mögen die Ratgeberverlage ins Schwitzen bringen, atemlos werden sie deshalb aber nicht. Sie haben sich auf die veränderten Leser- und Kaufgewohnheiten eingestellt – hinterfragen ihre Geschäftsmodelle. Wie gedruckte Ratgeber künftig aussehen müssen? Was Verlage bei der Herstellung beachten sollten und welche Optionen bei der Vermarktung ihrer Inhalte haben? Beim gestrigen AkR-Jahrestreffen in Frankfurt gab es Antworten.

Vom Leser zum Design

Über die Zukunft der Ratgeber wird seit Jahren diskutiert – und damit auch über die Ratgeber der Zukunft. Die Debatten haben in den Verlagen zwar manches in Gang gebracht, manches blieb aber auch liegen. Wie Inhalte künftig verpackt werden müssen, damit sie gekauft, gelesen und genutzt werden?

Die Kommunikationsdesignerin Daniela Hensel von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin hat sich die Antwort darauf nicht leicht gemacht. Im Vorfeld der AkR-Tagung machte sie sich auf den Weg in eine Buchhandlung, stellte sich dort vor das Reiseführer-Regal und griff zu ...  Bilder, Schriften und Struktur, Farbe, Grafik und Papier: Hensel nahm alles genauestens unter die Lupe. „Es ist frappierend, wie wenig die Möglichkeiten von Schrift genutzt werden“, stellte sie da unter anderem fest. Und kam zu dem Schluss: „Bei keinem Reiseführer steht der Leser konsequent im Fokus.“

Das öffentliche Ärgernis, das diesem Bekenntnis hätte folgen können, blieb aus. Ohnehin ging es Hensel ja nicht darum, Verlage nur zu provozieren. Sie wollte motivieren – zu einer neuen Haltung in Sachen Ratgeberdesign.

Hensel selbst schwört auf die nutzerorientierte Gestaltung von Produkten (in Fachkreisen bekannt unter dem Begriff User Centered Design). Worauf die Disziplin abzielt: die Bedürfnisse von Lesern zu erkennen, bevor sie das selbst tun.  

Diese Aufgabe ernst zu nehmen, könne dabei helfen, gedruckten Ratgeber eine Zukunft zu geben, meinte sie. Internet hin oder her: „Als Verlage bereiten Sie Informationen auf, Sie sind Dienstleister.“ Je umfassender und intensiver Verlage dem gerecht würden, umso geringer seien auch die Gefahren, am Markt – am Leser – vorbei zu produzieren.  

Ratgeber auf allen Kanälen

Die Forderung, nicht am Markt vorbei zu produzieren, hat aber noch zweite Seite – und zwar eine eher technische: Multichannel Publishing. Das Konzept sieht vor, sämtliche Inhalte so vorzuhalten, dass sie sich, idealerweise per Knopfdruck, flexibel bearbeiten und transportieren lassen.

Ratgeber auf allen Kanälen, in allen nur denkbaren Formaten für unterschiedlichste Zielgruppen anbieten zu können, weckt natürlich Hoffnungen. Anderseits: Muss das wirklich sein? Und, wenn ja: Wie schafft man die Voraussetzungen dafür?  

In den vergangenen Monaten hat der AkR viel Arbeit und Zeit darauf verwandt, diese Fragen zu klären. Als Ergebnis entstand ein Leitfaden, der die Basics vermittelt und Anregungen gibt – eine Art Ratgeber für Ratgeberverlage.

Schwungvoll vorgestellt wurde er den rund 25 Tagungsteilnehmer in Frankfurt von einem ehemaligen Kollegen: Ralf Müller – bis 2010 Geschäftsführer von Droemer-Knaur und heute Gründungsgesellschafter und Partner der Beteiligungsgesellschaft IdeenGeneration in Pullach. Müller, einst Digital-Pionier der Buchbranche, hat den Leitfaden mit entwickelt. Ein paar Ideen daraus:   

  • Multichannel Publishing sollte Standard werden. Notwendig sei dies, weil sich durch die immer stärkere Verbreitung digitaler Medien die Kundenbedürfnisse verändern – und, überhaupt, die Zielgruppen kleiner würden. Die Situationen, in denen Menschen künftig Rat bräuchten, seien völlig anders als noch vor fünf oder zehn Jahren.
  • Es gibt keine Lösung, die für alle Verlage gleichermaßen tauge. Müller: „Prozesse müssen immer individuell betrachtet werden – für jeden Verlag.“
  • Müller warnte zugleich davor, „nur am Bestehenden herumzudoktern“. Also wennschon, dennschon. Außerdem: Die Umstellung auf eine Mehrkanal-Produktion müsse zur Chefsache erklärt werden. Das ließe sich nicht delegieren.
  • Ein Print-Verlag wird nicht von heute auf morgen zum Mehrkanal-Verlag. „Planen Sie ausreichend Zeit ein“, riet Müller. Wer ein Multichannel-Projekt aufsetzen möchte, sollte besser in Jahren denken – als in Monaten. Die Leitfrage dabei: Wie entwickelt sich die Zielgruppe?
  • Mut zum Outsourcing zeigen. Nicht alle IT-Aufgaben müssten intern gelöst werden, so Müller. „Intern brauchen Sie nur ein bis zwei Leute; suchen Sie sich ruhig ein paar externe Dienstleister, denen Sie vertrauen.“


Der Leitfaden für das Multichannel Publishing liegt beim AkR derzeit in einer Vorab-Version vor, soll aber in wenigen Wochen fertig sein.


Ideen für Marketing und Vertrieb

Die Kunden verändern sich, die Medienformate, die Anforderungen – und der Handel. Auf eine Formel gebracht: stationär verliert, online gewinnt. Und wie nun weiter, wenn der Weg zu den Käufern immer uneinsichtiger wird?

In dieser Frage baten die Ratgeberverlage diesmal Jochen Krisch um Antwort. Was eine gute Entscheidung war – er präsentierte sich ihnen als Quelle der Inspiration. Denn Krisch, gefragter Experte beim Thema E-Commerce (er ist Geschäftsführer der Beratung Exciting Future und Herausgeber des Marketing-Blogs „Exciting commerce“), hat ein besonderes Steckenpferd: Social Commerce. Er übersetzt das mit „gemeinsam verkaufen“, auch wenn das Konzept mit einer Einkaufsgemeinschaft an sich wenig zu tun hat.

Traditionelle Webshops setzen auf Kataloge, arbeiten sehr produktbezogen. Im Social Commerce geht es laut Krisch um etwas anderes: um das „Verkaufen von Mensch zu Mensch.“ Was er damit meint, erklärt sich schnell, wenn man sich die Shoppingclubs einmal genauer anschaut, die er nennt. Zum Beispiel Vente-Privée oder Woot! – die zeitlich begrenzte Verkaufsaktionen bieten.

Seine Webshop-Tipps für Ratgeberverlage und Händler im Schnelldurchlauf:  

  • Auf die weibliche Zielgruppe setzen. Krisch: „Frauen sind Treiber im E-Commerce – sie sind weniger preisfixiert und kaufen mehr.“
  • Kunden aktiv einbinden – sie zu Wort kommen lassen, Interaktionen ermöglichen (auch in das soziale Netz außerhalb der Webshops hinein, Richtung Facebook & Co.). Krisch: „Wenn man mit seinen Nutzern arbeitet, gibt es auch Verkäufe.“
  • Exklusive Angebote machen – etwa, indem es einzelne Produkte nur für eine beschränkte Zeit gibt.