Alexander Skipis über den Koalitionsvertrag

Wir sind ein Leitmarkt

20. Juli 2015
von Börsenblatt
Der Koalitionsvertrag, den SPD und Unionsparteien verhandelt haben, enthält für Verleger und Buchhändler manch Positives − aber auch einige Zumutungen. Alexander Skipis, der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, sieht auf die Branche viel Überzeugungsarbeit zukommen: "Den Worten nun auch Taten folgen zu lassen − dabei müssen wir der Politik helfen."

Viel Licht, aber auch Schatten. Und Spielräume en masse: Das ist wohl das Charakteris­tikum eines nun vorliegenden Vertragsentwurfs, den die Parteien einer großen Koalition in den vergangenen Wochen verhandelt haben. Es sind Willensbekundungen von CDU, CSU und SPD, und sie stehen auf geduldigem Papier. Aber immerhin, sie stehen dort. Und einiges davon ist für die Buchbranche sehr erfreulich.

Wir bilden einen Leitmarkt. So steht es im Koalitionspapier über die Medien- und Kreativwirtschaft. Das ist positiv. Die Politiker beider Seiten bekennen sich zum stationären Buchhandel, zur reduzierten Mehrwertsteuer für Hörbücher und E-Books und zum Wert des geistigen Eigentums. In dieser Klarheit ist das außergewöhnlich und für einen Koalitionsvertrag wahrlich nicht selbstverständlich.

Wichtig sind für die Koalitionäre die Förderung von Medienkompetenz und das Thema Netzneutralität. Besonders wichtig und in dieser Deutlichkeit neu ist die Verbesserung der Durchsetzbarkeit von Rechten gegenüber Internet-Geschäftsmodellen, die ihr Geld mit Urheberrechtsverletzungen verdienen. Diensteanbieter sollen generell stärker in die Verantwortung genommen werden, das Haftungsprivileg für Hostprovider, deren Geschäftsmodell in erster Linie auf der Verletzung von Urheberrechten aufbaut, soll aufgehoben werden.

Fast schon ein Paradigmenwechsel. Alles Themen, die unsere politische Agenda prägen. Seit Jahren. Und genauso lange wurden sie bislang nicht angefasst. Das wäre also, würde der Vertrag tatsächlich in Regierungshandeln umgesetzt, ein echter Durchbruch.

Doch dann gibt uns diese Koalition einen wirklich harten Brocken mit: die geplante Einführung einer Bildungs- und Wissenschaftsschranke. Über sie wird nicht nachgedacht, sie ist geplant − und die Alternative "Ja oder Nein?" damit obsolet. Die Frage ist nur noch "Wie?". Hier werden wir uns intensiv einmischen, denn eine Bildungs- und Wissenschaftsschranke ist gefährlich, weil sie die Rechte der Urheber und Rechteinhaber umfassend beschneiden kann. Dass das letztlich auch den Bildungsinstitutionen schaden kann, dafür werden wir sensibilisieren müssen. Wir wollen den besten Weg für Bildung und Wissenschaft, und darüber mit den Befürwortern konstruktiv diskutieren.

So stehen wir auch einer im Koalitionsvertrag angesprochenen Open-Access-Strategie offen gegenüber, die aber nicht vom Sparbedürfnis der öffentlichen Hand getrieben werden darf. Weiterdenken ist das Gebot der Stunde − und nicht nur Denken bis zum nächsten Budgetansatz. Eine glaubwürdige Open-Access-Strategie darf die Kosten für eine hohe Publikationsqualität nicht leugnen. Sie muss fächerspezifisch gedacht werden.
Wir wollen diesen Prozess klug forcieren, mit einer neuen Offenheit und im Dialog. Position zu beziehen, ist in Verhandlungen wichtig, doch Maximalforderungen sind wenig konstruktiv. Wie bei einem Koalitionsvertrag: Die wahre Kunst ist es, alles auszuloten und am Ende des Tages das Mögliche zu erreichen.

Also − viel Licht, aber auch Schatten. Und Spielräume en masse. Für Verlage und Buchhandlungen, für die gesamte Buchbranche und für den Börsenverein heißt das: Es kommen viel Überzeugungsarbeit und große Informationsaufgaben auf uns zu. Und wir müssen der Politik helfen, Worten nun auch Taten folgen zu lassen. Wir sind gespannt auf die inhaltliche Arbeit in der kommenden Legislaturperiode und werden den politischen Dialog mit der Bundesregierung engagiert fortführen.