Amazon-Urabstimmung in Bad Hersfeld

Entweder Tarif, oder Streik

29. April 2013
von Börsenblatt
Mitarbeiter und Gewerkschaft erhöhen ihren Druck auf Amazon. In Leipzig haben sich die Mitarbeiter bereits per Urabstimmung mehrheitlich für Streiks ausgesprochen, sollte das Unternehmen nicht auf die Tarifforderungen reagieren – jetzt ziehen die Angestellten in Bad Hersfeld nach.

An der Urabstimmung in den Amazon-Logistikzentren in Bad Hersfeld (genannt FRA 1 und FRA 3) haben sich nach Angaben von verdi  78 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder beteiligt. Mit dem Ergebnis: 97,6 Prozent sind für Streik  - als ultima ratio.

"Mit diesem eindeutigen Votum aus der Urabstimmung werden Streiks bei Amazon in Bad Hersfeld immer wahrscheinlicher", sagt ver.di-Verhandlungsführer und Landesfachbereichsleiter Bernhard Schiederig. Und warnt die Geschäftsführung: Wenn sie "auch diese Zeichen nicht verstehen will, sind Streiks in absehbarer Zeit nicht mehr zu vermeiden".

Verdi will die Amazon-Geschäftsführung an den Verhandlungstisch holen – um endlich über den Abschluss eines Anerkennungstarifvertrages für die Branche des Einzel- und Versandhandels zu reden. "Mit einem Anerkennungstarifvertrag wollen wir die Einkommen der bei Amazon Beschäftigten spürbar verbessern und tariflich abgesicherte Arbeitsbedingungen durchsetzen." Amazon selbst lehnt diese Forderung laut Verdi bislang jedoch grundsätzlich ab.

"Es muss endlich losgehen"

Gewerkschaftssekretärin Mechthild Middeke, die den Abstimmungsprozess in der vergangenen Woche begleitet hat, berichtet von einer außerordentlich guten Stimmung unter den Angestellten. Es gebe „eine große Erwartungshaltung in der Belegschaft, dass es jetzt endlich losgehen muss bei Amazon“.

Worum es der Gewerkschaft geht:

  • In Bad Hersfeld, notiert Verdi, verdiene ein Kommissionierer zu Beginn seiner Tätigkeit 9,83 Euro pro Stunde, nach 24 Monaten dann 11,48 Euro  pro Stunde. Nach Tarifvertrag müssten bereits zu Beginn 12,18 Euro pro Stunde gezahlt werden.  
  • Darüber hinaus kritisiert Verdi, dass Amazon weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld kenne.
  • Der Urlaubsanspruch von Amazon-Mitarbeitern liege bei 28 Arbeitstagen pro Jahr – laut Tarif hätten sie Anspruch auf insgesamt 36 Werktage (bei einer 6-Tage-Woche).
  • Zudem seien die Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie für Überstunden bei Amazon deutlich niedriger als nach den Regelungen im Tarifvertrag der Branche Einzel- und Versandhandel.
  • Im Ergebnis, argumentiert Verdi, bedeutet das alles: Ohne Tarifvertrag verdienten Amazon-Arbeitnehmer - je nach Schichtarbeitszeiten – bis zu 9.000 Euro (brutto) weniger im Jahr.

Verdi zufolge hat Amazon in Bad Hersfeld insgesamt rund 3.300 Mitarbeiter.