Antiquariat

Zwischen "Notwehr" und Beschädigung des Marktes

23. November 2013
von Börsenblatt
Die Antworten einer Umfrage zu Rabattaktionen im Antiquariat fallen differenziert, im Kern jedoch recht eindeutig aus: eine Mehrheit der Umfrageteilnehmer steht Rabattaktionen skeptisch bis ablehnend gegenüber.

An der am 20. November gestarteten anonymen boersenblatt.net-Umfrage haben sich insgesamt 85 Teilnehmer beteiligt – das ist ein hoher Wert, der auf die Relevanz des Themas hinweist. Die Umfrage bestand aus einer Frage: "Zurzeit laufen auf verschiedenen Plattformen Rabattaktionen von Antiquariaten, bei denen teilweise Nachlässe von 20 Prozent oder mehr gewährt werden. Was halten Sie von solchen Aktionen?"

Lediglich 14,1 Prozent der Umfrageteilnehmer sagen "Das sind legitime Marketingaktionen, wie es sie überall gibt". Für 31,8 Prozent sind "Rabattaktionen sind eine normale Sache, sie sollten aber zurückhaltend eingesetzt werden". 22,4 Prozent meinen "Solche Aktionen können bei den Kunden den Eindruck erwecken, dass die Preise antiquarischer Bücher willkürlich sind". Für die klarste Ablehnung von Rabattaktionen im Antiquariat votieren 31,8 Prozent: "Solche Aktionen schaden dem Kundenvertrauen und dem Image des Antiquariatsbuchhandels".

Die mittel- und langfristigen Auswirkungen von im Übermaß eingesetzten Rabattaktionen sind den Antiquaren also bewusst – und es ist angesichts dieses Ergebnisses sicher kein Zufall, dass gleich zwei Umfrageteilnehmer unabhängig voneinander Goethes "Zauberlehrling" anführen…

Ergänzende Anmerkungen von Teilnehmern der Umfrage, die mit einem optionalen Kommentarfeld versehen war:

Ich halte nicht sehr viel von "Verramschungsaktionen" bis 50 Prozent. Qualität hat seinen Preis. Rabatt sollte zurückhalten eingesetzt werden.Diese Rabattaktionen sind nichts weiter als eine brachiale Form der "Bestandspflege", häufig inszeniert von Anbietern, die massenhaft Massenware loswerden wollen und sich gegenseitig preislich immer weiter in einen Zustand betriebswirtschaftlicher Unsinnigkeit treiben. Wie heißt es doch in Goethes "Zauberlehrling": "Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, werd' ich nun nicht los."Eine gute Möglichkeit um "Altbestände" zu veräußern und die Einnahmen für Neuankäufe zu verwenden.Die Preise für antiquarische Bücher SIND völlig willkürlich. Die Preisspannen für ein und denselben Titel in vergleichbarem Zustand reichen z. B. im ZVAB problemlos von 10 bis 60 Euro. Die Branche sitzt auf einem unfasslich großen Haufen von Büchern, die keiner mehr haben will. Die Rabattaktionen beschleunigen lediglich den Untergang der Branche und die Portale haben schon lange jegliche Verantwortung für Stabilität und Anstand im Gewerbe abgelegt. Aber die Antiquare haben sich ihr Grab selbst geschaufelt! Anstatt, dass sich ein tatsächlicher Berufsverband gründete, der am Markt und gegenüber den Portalen Richtlinien für ein vernünftiges Handeln durchsetzt, vergaben sie diese Chance und beschäftigten sich lieber mit der Befriedigung ihrer Eitelkeiten. […] […] Wo ist der Verband, der für einen Schutz der Begriffe Antiquar und Antiquariat sorgt? Wo ist der Verband, der sich um ein einigermaßen homogenes Preisabbild bemüht? Nun sind eben die Folgen dieser Politik, der Arroganz und Ignoranz, deutlich an allen Ecken und Enden sichtbar. Rette sich wer kann! Jedes irgendwie noch abverkaufte Buch ist ein verkauftes Buch! Und damit muß es nicht auch noch eines wohl nicht allzu fernen Tages mühsam entsorgt werden. Was sollen sie denn machen, die Kolleginnen und Kollegen? Sie sitzen zum Teil auf 100.000 Büchern, mehr oder weniger gut katalogisiert. Sie hängen am Tropf einer unsäglichen Software, zahlen den Portalen monatliche Einstellgebühren, die ihre Verhältnismäßigkeit zu den erzielten Umsätzen bereits vor einigen Jahren verloren haben, zahlen Lagermieten, die durch den freien Fall der Preise durch die eingelagerten Bücher nicht mehr gedeckt werden, und können, wenn es sie ganz hart erwischt, nicht mal mehr die bei einer Schließung des Antiquariats anfallenden Entsorgungskosten tragen.Wir haben sehr gute Erfahrungen mit der Rabattaktion von Abebooks. Im Aktionsmonat ziehen die Umsätze spürbar an. Einmal im Jahr kann man das machen, aber wichtiger ist es aus meiner Sicht, bei Direktbestellungen – bei denen nicht auch noch Verkaufsprovision an ein Portal abgeführt werden muss – kulant individuelle Preise auf Anfrage vorzuschlagen oder Stammkunden generell einen kleinen Nachlass auf alle Bestellungen zu geben. Oder portofrei zu beliefern. Oder auf Vorkasse zu verzichten. Oder selbst per Newsletter auf interessante Angebote hinzuweisen. Und hervorragenden Kundenservice zu bieten, der nicht gegen Geldwert aufgewogen werden kann.Kontraproduktiv hoch zehn!Finger weg, Kunden erwarten generell weitere Aktionen!Früher oder später gibt es dann zum antiquarischen Buch noch eine Kaffeemaschine, einen Toaster oder einen Gutschein für irgendetwas sonstiges (Unsinniges).Ich halte derartige Aktionen für ein legitimes Marketinginstrument. Wichtig dabei ist die Höhe des Rabattes – alles über 15 Prozent halte ich für ein fatales Signal an unsere Kundschaft. - Grundsätzlich muss man in der Diskussion natürlich berücksichtigen, daß viele Internetanbieter hauptsächlich mit gebrauchten Büchern und nicht mit antiquarischen Schätzen handeln. Bei derartiger Ware (mit ISBN) hat die Taxierung bei Aufnahme in den Katalog dank Rebuy, Momox und Co. leider eine sehr geringe Halbwertszeit, schon nach Tagen oder manchmal Stunden ist der Preis nicht mehr am Markt orientiert – die Preise sind teils im freien Fall. Für Anbieter mit derartigem Sortiment macht eine Rabattaktion sicherlich mehr Sinn, sie ist sicherlich weniger aufwendig als die regelmäßige Anpassung der Preise an den Markt… Bei Kollegen wie Roman Heuberger oder Dr. Hennighaus wird man solch eine Aktion sicher nicht erleben. Sonst wäre das Ende des Gewerbes sicher sehr nahe…Rabatte auf den Gesamtbestand sorgen nur dafür, dass die Spitzentitel verkauft werden. Endet die Rabattaktion, folgt die große Flaute. Wir bestellen nach einigen versuchen nichts mehr bei 'Kollegen' die Rabattaktionen durchführen, da die Titel oft schlampig und geschönt beschrieben sind. Es hat eben alles seinen Preis!regelmäßige Anpassung der Preise an die veränderten Marktgegebenheiten gehören zur Sorgfaltspflicht eines seriösen Händler egal welcher Branche, aber im Antiquariatsbereich gibt es zu viele Minderleister/Faulpelze die nur durch das Internet anfangs wirtschaftlich überlebensfähig warenEin Spiegelbild der "Nachfrage" und Zeichen für den Wandel bzw. Aus/Abverkauf von Teilgebieten, die teilweise auch mit Rabatt nicht mehr verkauft werden können.Rabatte sollten grundsätzlich nur in Einzelfällen gegeben werden, sei es bei sehr guten Kunden, sei es bei Bestellungen mehrerer Titel auf einen Schlag, meinetwegen auch bei ewigen "Ladenhütern". Große Rabattaktionen führen doch inzwischen leider dazu, dass Kunden, bevor Sie am Telefon ihren Namen genannt und ihr Interesse an einem spezifischen Titel geäußert haben, mit der Frage "ist das ein fester Preis" durch den Hörer ins Büro oder den Laden fallen…Rabattaktionen dieser Art sind der erste Schritt in die Insolvenz. Wer das nicht begreift, wird nie ein guter Geschäftsmann sein.Diese Rabattaktionen zeigen einfach, daß etlichen Antiquariaten das Wasser bis zum Hals steht. Anstatt sich zu überlegen welche Möglichkeiten es gibt, die Wertigkeit des eigenen Antiquariats zu erhöhen, werden die Bücher mit Rabatt auf den Markt geworfen. Es ist der Beginn des großen Ausverkaufs, der noch etliche Zeit in Anspruch nehmen wird. Viele Antiquariate werden auf der Strecke bleiben. Überleben werden diejenigen, die in der Vergangenheit auf Kundenbindung und gute Warenqualität Wert gelegt haben.Ich habe selber auch schon an einer solchen Aktion mitgewirkt und 20 Prozent Rabatt gewährt auf einer Plattform, auf der meine Angebote bis dato einen Preisaufschlag von 20 Prozent hatten. Ich war mit dem Ergebnis sehr zufrieden: circa 15 Prozent mehr Umsatz…Und bringen, nach meiner Erfahrung, geschäftlich nichts. So wurden Gutscheine, die wir guten Kunden ab & zu beilegten NIEMALS eingelöst.Rabattaktionen sind unsinnig. Sie nützen nichts. Der Kunde kauft ein Buch, das er lesen möchte, oder er kauft es eben deshalb nicht, weil es ihn gar nicht (erst) interessiert. Dieser Kauf ist fast immer eine Einzelentscheidung und eben kein Kauf auf Vorrat (wie z. B. Lebensmittel, Drogerieartikel) bei günstiger Angebotslage. Wenn Händler Preise um 20 Prozent oder gar noch mehr reduzieren, belegt dies die Vermutung, dass sie eine falsche Lagerpolitik betreiben. Sie haben ganz einfach zu viel eingekauft, das zu lange liegen bleibt und dadurch im schlimmsten Fall gar unverkäuflich wird. Bei einem Überangebot von Massenware erscheint es deshalb klüger, die Ankaufsstrategien zu ändern, anstatt die Preise herabzusetzen. Im Übrigen findet eine permanente Preissenkung im Internet durch sogenannte "Preistools" und "Kollegenunterbieten" seit Jahren statt. Dass Datenbanken darüber hinaus zusätzliche Rabattaktionen unterstützen ist verständlich, denn sie wollen den Umsatz hochtreiben. Richtig wird es deshalb noch lange nicht.Das ZVAB betreibt Rabattaktionen inflationär, jeden Monat beteiligen sich mehrere Antiquariate daran. Und dass das auf Dauer nicht gut gehen kann, hat uns ja das Beispiel des 20-Prozent-auf-alles-außer-Tiernahrungs-Baumarktes gezeigt…und es handelt sich dabei vor allem um Dutzendware und Unwesentliches. Anders werden die sich Antiquare nennenden Verkäufer ihren Mulch auch nicht los. Seltene und wertvolle Bücher fallen sowieso nicht darunter.Rabattaktionen machen, sofern nicht als vermittelbare Ausnahmen vermittelbar, die Preise kaputt. Wem allerdings "das Wasser bis zum Hals steht", dem werde ich solche Rettungsversuche nie übel nehmen. Das ist Notwehr und als solche legitim.Das gleiche gilt für den unsäglichen "Preisvorschlag-Button" bei Ebay.Bei Geschäftsaufgabe mag ein höherer Rabatt legitim sein, ansonsten sollte man derlei inflationäres Gebaren tunlichst vermeiden, sonst heißt es irgendwann: "Die ich rief, die Geister, werd' ich nun nicht los".Mit Rabattaktionen wird weiter an der Preisschraube abwärts gedreht. Das schadet letztlich nicht nur dem Image, sondern führt zur ökonomischen Selbstzerstörung der Branche!Damit schaufeln sich die Kollegen ihr eigenes Grab.Der Markt für antiquarische Bücher wird weiter systematisch zerstört.Preisnachlässe über 10 Prozent für wertvolle Sammlerstücke sollten (so sie denn erforderlich sind) nur diskret im Kundengespräch erörtert, keineswegs jedoch öffentlich an die große Glocke gehängt werden. Bei sonst unverkäuflichem Ramsch freilich spielt es keine Rolle.Abverkaufs- und Lagerräumungsaktionen sind punktuell oder im lokalen Rahmen sicher legitim, aber durch die Häufung und die globale Wahrnehmung im Internet verstärkt sich der Kriseneindruck der Branche. Langfristig schadet das dem seriösen Handel und macht sich vermutlich nur für die Gelegenheitsantiquare bezahlt, die nach Abverkauf ihrer Bücher dann vermutlich lukrativere Ware verkaufen.Im Gegensatz zu Frischbüchern unterliegen antiquarische keiner Preisbindung. Handeln war seitens der Kunden bereits im Katalogzeitalter üblich. Die Plattformen sind seit ihrem Bestehen für den Eindruck verantwortlich, unsere Preise seien nicht verhandlungsfähig. Aber eigentlich war man nur zu faul – im Unterschied zu Ebay – einen kleinen Button hinzuzufügen: "Preisvorschlag". (Wer nach all diesen Neu-Nebenjob-Gebrauchtbuchhändlern im Internet noch vom Image des Antiquariatsbuchhandels träumt, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen.)

Herzlichen Dank an alle 85 Umfrageteilnehmer!