Argumente und Gegenargumente im Konditionenstreit / EU-Kommission untersucht Vorwürfe

Was kosten E-Books wirklich?

25. Juni 2014
von Börsenblatt
Amazon dreht mit seiner Erwiderung auf die Kartellamtsbeschwerde des Börsenvereins den Spieß um. Das Unternehmen behauptet, Bonnier verlange "wesentlich mehr für die digitale Version eines Titels als für die gedruckte Version des gleichen Titels." Kann das sein? boersenblatt.net hat sich bei Verlagen erkundigt - und nachgerechnet. 

19,99 Euro kostet das Hardcover, 15,99 Euro das E-Book: Wer bekommt davon wieviel? 

Angenommen, ein Hardcover kostet im Laden 19,99 Euro: Dann beträgt der Netto-Einkaufspreis für den Händler rund 9,30 Euro – nach Abzug der ermäßigten Mehrwertsteuer (MWSt.) von sieben Prozent und nach Gewährung eines Rabatts von 50 Prozent. Der Preis ohne MWSt. beträgt also rund 18,60 Euro.

Bietet der Verlag nun die E-Book-Version zum Endkundenpreis von 15,99 Euro an – also 20 Prozent unter dem Preis der gedruckten Ausgabe –, sieht die Rechnung folgendermaßen aus: Nach Abzug des regulären Umsatzsteuersatzes von 19 Prozent bleibt ein Nettoendpreis von 13,50, aus dem sich nach Gewährung von 30 Prozent Rabatt ein Nettoeinkaufspreis für den Händler in Höhe von 9,45 Euro ergibt. (Das Rechenbeispiel lässt sich auch anhand von Bonnier-Titeln nachvollziehen.)

Welche Kosten stehen für Verlage dahinter?  

Mit diesen 9,45 Euro, die nur geringfügig – und nicht "wesentlich" – über dem Nettoeinkaufspreis für die Hardcover-Version liegen (9,30 Euro, siehe oben), muss der Verlag allerdings alle Kosten decken, die für das E-Book anfallen. Das sind mit Ausnahme von Druckleistung, Papier und Teilen der Logistik zunächst alle Kosten, die auch für das Printformat anfallen: Herstellung, Vertrieb, Marketing, Werbung, Auslieferung (auch die digitale Auslieferung kostet), Abrechnung etc.

Die Ersparnis durch Wegfall der physischen Herstellung und Distribution wird aber durch andere Kostenfaktoren wieder aufgezehrt, so die Verlagsrechnung: vor allem durch höhere Autorenhonorare (bis zu 25 Prozent vom Nettoerlös), aber auch durch zusätzliche Kosten, die beim Online-Marketing entstehen, um die "Sichtbarkeit" der E-Books zu erhöhen. Hinzu kommen zusätzliche Personalkosten, die vielfach noch nicht durch E-Book-Umsätze eingespielt werden.

Ein Verlag muss alle Kosten, die bei Buchherstellung und -vertrieb entstehen, auf Print- wie E-Book-Format verteilen. Deshalb muss in der Kalkulation in etwa der gleiche Stückerlös erzielt werden. Liegt aber der Ladenpreis des E-Books deutlich unter dem des Hardcovers, und schlägt zusätzlich die höhere MWSt. für E-Books zu Buche, setzt dies einen niedrigeren Rabatt voraus.

Ein E-Book-Rabatt, wie ihn Amazon in Höhe von 40 oder gar 50 Prozent fordert, würde nach Ansicht von Verlagen eine kostendeckende Kalkulation nicht ermöglichen

Dies sollte bei allen Diskussionen, in denen eine Senkung der E-Book-Preise gefordert wird, bedacht werden. Der Preisdruck, den digitale Billigangebote auf die Verlage ausüben, ist enorm; der Spielraum, den die Verlage nutzen können, ist jedoch sehr gering, wie die Beispielsrechnung zeigt.

Rüffel aus Brüssel? Die EU schaltet sich ein

Inzwischen zieht der Konditionenstreit weitere Kreise: Nach unbestätigten Informationen hat nun auch die EU-Kommission mit der Untersuchung der Vorgänge begonnen. Denn hinter Amazon.de steht Amazon S.a.r.l. in Luxemburg, das europaweit agiert. Auch in Großbritannien übt Amazon derzeit massiven Konditionendruck auf die Verlage aus.