Ausstellung: 10 Jahre Deutscher Buchpreis

Die Macht des Originals

3. März 2015
von Börsenblatt
Zehn Jahre Deutscher Buchpreis - der Geburtstag wurde am Freitag mit einer Ausstellung und einer Diskussion über Originale im Literaturmuseum der Moderne in Marbach gefeiert.  
Das Original sichert künstlerische Originalität und künstlerische Ursprünge, es erklärt, wie etwas Neues in die Welt kommt. „Was täten wir, wenn es morgen keine Originale mehr gäbe?“ Darüber unterhielten sich - aufmerksam moderiert von der Literaturkritikerin Maike Albath - die Buchpreisträgerinnen Terézia Mora und Kathrin Schmidt, der Juror Helmut Böttiger, die Museumsleiterin des Literaturarchivs Heike Gfrereis und der Verleger Joachim Unseld.
Der Kopie haftet etwas minderwertiges an, wir wollen das Original. Aber das ist im Zeitalter der Digitalisierung immer schwieriger auszumachen. Terézia Mora etwa könnte dem Literaturarchiv nicht viel geben. „Ich schreddere das meiste“, gab die Autorin und Preisträgerin des Jahres 2013, freimütig zu. Was sie nicht wegwerfe, komme in einen Karton. Und der werde aufgehoben oder eben nicht. Zur Ausstellung hat sie deshalb nur ein gefaktes Original beitragen können, eine frisch ausgedruckte Manuskriptseite, in die sie ihre handschriftlichen Korrekturen noch einmal übertragen hat. Damit liegt sie offenbar im Trend.
"Wir werden künftig Originale erfinden“, erklärte Heike Gfrereis. Im 18. Jahrhundert sei alles weggeworfen worden, das wiederhole sich gerade, sei aber kein Problem: „Das Original ist Geist, nicht Materie“, so Gfrereis. Möglich. Terézia Mora sollte man die Handschriften von Kafka, Schiller und Kleist trotzdem nicht anvertrauen.
Auch Kathrin Schmidt, Buchpreis-Gewinnerin von 2009, nutzt den Papierkorb zur Ablage. Und doch ist jede Postkarte und Manuskriptseite von ihr erhalten. Vor zwei Jahren habe sie entdeckt, dass ihr Mann ihre Schriftstücke archiviert habe. Und jetzt gebe es sogar eine vertraglich Vereinbarung, dass sie ihm jedes Papier zu überlassen habe. In der Ausstellung ist von Kathrin Schmidt die rote Strumpfhose zu sehen, die sie zur Buchpreisverleihung getragen hat. „Die Journalisten haben mir so viele blöde Fragen zu dieser Strumpfhose gestellt, dass ich sie gut und gerne hier abgeben konnte“, sagte sie.
Zwei Löcher rein, abheften, nie mehr anschauen – so archiviert Joachim Unseld, Verleger und Initiator des Deutschen Buchpreises, der das Gründungsmanifest zum Deutschen Buchpreis in die Ausstellung gegeben hat. „Bei uns zu Hause wurde nichts weggeworfen“, so Unseld. Davon kann man sich in Marbach überzeugen, wo das millionenteure, umfangreiche Suhrkamp-Archiv seit 2009 zu Hause ist. Er selbst habe zum Beispiel noch den Briefwechsel seiner Eltern und beim Gedanken an den Schredder laufe es ihm kalt den Rücken herunter. „Wir brauchen solche Zeitkapseln, um zu sehen, wie es früher war“, so Unseld.
"Es kommt auf die subjektive Aufladung an“, bestätigte der Literaturkritiker Helmut Böttiger, von dem es in der Ausstellung eine alte LP von Fred Bongusto aus seiner Sammlung zu sehen gibt. An diese Platte habe er sich durch das Buch „Die Ordnung der Sterne über Como“ der Longlist-Autorin Monika Ziemer erinnert – und beim Wiederhören in Gefühlen geschwelgt, die er längst vergessen hatte.
"Der Deutsche Buchpreis ist jung, aber dennoch fest etabliert in unseren Köpfen und Herzen“, hatte der Hausherr Ulrich Raulff, Direktor des Literaturarchivs auf der Schillerhöhe, die gut 100 Gäste im kleinen Veranstaltungssaal des Literaturmuseums begrüßt. 
Auch der Vorsteher des Börsenvereins, Heinrich Riethmüller, bekräftigte die Wirkmacht der Auszeichnung. Der Preis habe bereits Literaturgeschichte geschrieben und gehöre deshalb nach Marbach, dem Ort für Literaturgeschichte. Hier startete im Rahmen der großen Ausstellung „Der Wert des Originals“ die Wanderausstellung „Das Original - Zehn Jahre Deutscher Buchpreis“, konzipiert vom Börsenverein gemeinsam mit dem Deutschen Literaturarchiv Marbach.
Inmitten der Ausstellung im Café des Schiller-Museums befragten die Gäste bei Wein und Imbiss noch einmal den Wert des Originals. Kathrin Schmidts Strumpfhose, die Bleistifte von Lutz Seiler, das auf der Lesereise zerschlissene Buchpreis-Buch von Arno Geiger – unter dem Eindruck der witzig und geistvoll geführten Diskussion ist die Bedeutung der zwölf Objekte größer geworden. Nach dem Auftakt in Marburg wird die Ausstellung in 15 Städten in ganz Deutschland gezeigt. Die nächsten Stationen sind Frankfurt, Heidelberg, Bad Homburg und Berlin.

Einige Objekte der Ausstellung können Sie in unserer Bildergalerie betrachten, weitere Informationen finden Sie unter deutscher-buchpreis.de.