Bilderbuch-Novität

Mal anders sein

11. Februar 2016
von Stefan Hauck
Das massige Nashorn möchte auch mal so federleicht sein wie sein ständiger Begleiter, der kleine Vogel. Und der möchte gerne so schwer wie das Nashorn sein: Heinz Janisch und Helga Bansch haben eine zauberhafte Bilderbuchgeschichte geschaffen, in der sich Text und Bild gegenseitig nach vorn treiben.

Heinz Janisch braucht nicht viele Worte, um Situationen zu skizzieren und Stimmungen einzufangen; wahrscheinlich ist er deshalb der seit Jahren meistbeschäftigte Bilderbuchautor. Seine Meisterschaft stellt er auch im aktuellen "Kommt das Nashorn" wieder unter Beweis: Kurze Sätze, so wie Kinder sie beim Beobachten sagen, reichen völlig aus, um das Kopfkino anzukurbeln. Gedanke fügt sich an Gedanke, Beobachtung an Beobachtung. Thema ist der Wunsch, mal anders zu sein, das eigene Ich zu hinterfragen, in eine fremde Haut zu schlüpfen, um sich auszuprobieren: Das massige Nashorn möchte auch mal so federleicht sein wie der kleine weiße Vogel, der sein ständiger Begleiter ist - "Schneevogelgezwitscher" nennt ihn das Nashorn sehnsuchtsvoll zärtlich.

Als das schwere Tier seinen Wunsch äußert, so leicht  wie der Vogel sein zu dürfen, stellen seine Freunde unmissverständlich klar: "Wir brauchen dich", als Landestation, als Beschützer usw.  Und das erfährt staunend, dass auch der kleine Vogel den Freund beneidet: "Ich wäre gern so schwer wie du!" Und wird vom Sturm aus dem Bild geweht. Mit kräftigen Bleistiftstrichen demonstriert Helga Bansch, wie das Nashorn dem Sturm trotzt, ruhig, souverän, wie sich der Vogel, das Erdmännchen, der Frosch an seine Beine lehnen und so vom Fortwehen geschützt sind. Helga Bansch überrascht immer wieder, wie sie sich von Buch zu Buch fortentwickelt, immer neue Facetten ihres Könnens offenbart. Wie sie die Freunde in Szene setzt, wie Elefant, Zebra, Strauß, Geier, Giraffe usw. so gezeichnet sind, dass wir unterschiedliche Charaktere in ihnen zu erkennen meinen, wie staunen, wie sie lachen - ach, die Bansch kann's. Und dass der Betrachter jeden Strich nachvollziehen kann, macht die Seiten doppelt interessant.

Zwei Meister also, die sich nicht zum ersten Mal zu einem Buchprojekt zusammengefunden haben (oder vielleicht von Verlegerin Hildegard Gärtner mit sanfter Hand zusammen geführt wurden?), zwei, die sich gegenseitig in Balance halten, so dass weder der Text noch das Bild dominieren, sondern die Wechselwirkung Leser und Betrachter nach vorn treibt.

Hein Janisch, Helga Bansch: "Kommt das Nashorn", Jungbrunnen

Morgen stellen wir Ihnen "Mombert" von Britta Teckentrup vor.