boersenblatt.net -Vorschau 2013 (6)

Kennst du einen, kennst du alle

28. Dezember 2012
von Börsenblatt
Annette Beetz hat dieses Jahr ihren Job gewechselt. In der Nachfolge von Lurtz Kettmann ist die ehemalige GU-Geschäftsführerin seit dem Herbst für Marketing und Vertrieb bei Rowohlt zuständig. Wie sie den Spagat erlebt und aus welcher Richtung sie für Verlage künftig mehr Gegenwind erwartet - darum geht es in Teil sechs unserer Vorschau-Serie.

Für Annette Beetz liegen zwischen ihrem Rückblick auf das vergangene und ihrem Ausblick auf das kommende Jahr 613 Kilometer. Luftlinie. Auf die deutlich näherliegende Frage, was denn München (wo sie bei Gräfe und Unzer für den Erfolg der Ratgeber verantwortlich war) und Hamburg (wo sie nun Literatur und Sachbuch bei den Rowohlt Verlagen zu verkaufen hat) voneinander unterscheide, antwortet die Neue in Reinbek zunächst heiter: "Es gibt mehr Berge (als im Münchner Flachland) – wirklich. Kalt ist’s ebenfalls, und wir haben Schnee." Eine bayerisch-hanseatische Kongruenz, die man so nicht erwartet hätte.

Andere Sprachwelt

Und doch gebe es Momente, "in denen du eine völlige Fremde erlebst". Deshalb lässt die Rowohlt-Marketingchefin eine ernste, nicht minder überraschende Antwort folgen: "Ich bin hier in einer komplett anderen Sprachwelt angekommen." Sie staune selbst noch darüber. Man lebe immerhin im deutschsprachigen Raum, in einem relativ kleinen Land, in einer noch viel kleineren Branche – "und dennoch drücken sich die Menschen in dem einen Unternehmen komplett anders aus als in dem anderen".

Im Verlag herrsche "große Ruhe und Konzentration. Die Kollegen nehmen sich Zeit für Gespräche. Tatsächlich Gespräche, nicht Meetings." Die studierte Amerikanistin mag diese Atmosphäre der Sammlung, des Gefühls, dass alle wissen, was sie tun. "Manchmal muss ich mein gewohntes Tempo reduzieren." Langsamkeit zugunsten von Intensität. "Ich lese sehr viel und höre gut zu." Erster Befund nach dem Wechsel: "Ich empfinde meine Arbeit hier als große Bereicherung."

Austauschbare Vielfalt

Eine Sorge mit Blick auf morgen hat Annette Beetz: dass die Vielfalt der deutschen Verlags- und Buchhandelslandschaft weiter leiden könnte. "Unser gravierendstes Problem ist der 'Kennst du einen, kennst du alle'-Effekt. Wir steuern mit Riesenschritten auf ein zunehmend einheitliches Sortiment zu«, gibt sie zu bedenken. Deshalb müssten sich Verlage wie Buchhandlungen der entscheidenden Aufgabe stellen, "die perfekte Mischung zu finden aus Masse und Frequenz auf der einen Seite und dem individuellen Buch, welches Entdeckerfreude befriedigt und das eigene Profil abrundet: das des Lesers, des Buchhändlers und des Verlags, auf der anderen. Dazu braucht es alle Beteiligten. Das ist die Kunst."


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Am Samstag geht's weiter mit Teil sieben unserer Serie – dem Thema Selfpublishing mit Autor Jonas Winner (DroemerKnaur).

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