Wenn der Landesverband im Mai turnusgemäß zusammenkommt, gehören Tagesordnungspunkte wie der Bericht zur Ergebnisrechnung oder die Vorlage des Kostenvoranschlages eher zu den lässlichen, bei knapper werdendem Sauerstoffgehalt im Raum rasch durchgewunkenen Regularien vorm Kulturteil. Auf der 27. Jahreshauptversammlung des Landesverbands Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen im Leipziger Literaturhaus war das anders; Schatzmeister Peter Gerlach (Hasenverlag, Halle/Saale) avancierte am 17. Mai für gut 45 Minuten zum wichtigsten Mann im Saal.
Wie schon bei der letzten Präsentation der Geschäftszahlen im Jahr zuvor kommt der Verband wieder auf eine "rote Null" – trotz eiserner Ausgabendisziplin. Geschuldet ist das Ergebnis, das keine großen Sprünge in der alltäglichen Arbeit zulässt, einem schleichenden Mitgliederschwund: Stehen im zurückliegenden Jahr 16 Neuaufnahmen 29 Beendigungen gegenüber, ist die Tendenz auf Sicht der letzten 20 Jahre dramatischer, vor allem im Buchhandel: Hier sanken die Mitgliedszahlen von 401 (1995) auf 218 (2017) und damit um besorgniserregende 46 Prozent. Die Folge: Allein in den letzten fünf Jahren schrumpften die Einnahmen um 119.000 Euro.
Raus aus der roten Null
Um der Zukunft gewachsen zu sein und geplante Projekte für Buchhändler und Verleger weiterhin durchführen zu können, schlug der Vorstand eine Beitragsanpassung für 2018 vor, die erste seit acht Jahren. Die Beitragserhöhung ist, bei geglätteter Beitragskurve, prozentual am Umsatz und am Bundesbeitrag gekoppelt und äußerst moderat kalkuliert: In den Beitragsgruppen 1 und 2, denen im Dreiländerverband 90 Prozent (!) der Mitgliedsfirmen angehören, würde sich ein Mehrbetrag von zwei Euro (Gruppe 1) ergeben, in Gruppe 2 kommt es zu gar keiner Veränderung.
Dennoch soll die Anpassung zu Mehreinnahmen von rund 8.000 Euro führen – vermutlich "peanuts" für Hilmar Kopper, für solides Wirtschaften in den kommenden Jahren unerlässlich. Angesichts einer Mehrbelastung, die sich für das Gros der Mitglieder im homöopathischen Bereich bewegt, waren Stimmen zu hören, dass man auch bereit sei, ohne Murren noch mehr zu berappen.
Gegenstimme aus dem Off
Eine Erklärung gegen die Anpassung ließ die Thüringer Verlagsgruppe Grünes Herz in Absenz durch eine Stimmvertretung verlesen. "Mehr Transparenz" und "Diskussion" wurde in der Erklärung gefordert, die im Auditorium jedoch auf wenig Verständnis stieß.
Verleger Mark Lehmstedt, für den kürzlich tragisch verstorbenen Frank Stübner als Leiter der Fachgruppe Herstellender Buchhandel nachgerückt, sprach dagegen vielen aus dem Herzen: "Die Anforderungen an den Börsenverein sind in den letzten Jahren für jedermann sichtbar gewachsen. Der Zwang, den Verband zu erhalten, ist in den zurückliegenden 30 Jahren wohl nie stärker gewesen." Und in der Tat: Angesichts eines Postens "Leseförderung", der im Zahlenwerk des mitteldeutschen Branchenverbands mit gerade 500 Euro bedacht ist, fragt man sich, wo man eigentlich noch sparen will. Schlussendlich wurde die geplante Beitragserhöhung mit großer Mehrheit abgesegnet - nicht ohne den Hinweis, dass die Gewinnung neuer, engagierter und, ja: zahlender Mitglieder für die Zukunftsfestigkeit des Verbands wohl noch wichtiger ist.
Ideenwerkstatt
Und sonst? Best practice am Vormittag, gute Ideen sind ja erst mal gratis: In der gemeinsamen Fachgruppenversammlung wurden erstmals drei "Ideenwerkstätten" angeboten, in denen Buchhändler und Verleger gemeinsam an einem Thema tüfteln und praktische Lösungen erarbeiten konnten. Konkret ging es um die Frage der Buchpreisgestaltung bei regionalen Verlagen (Peter Gerlach, Helmut Stadeler), um Kundenbindung und Social Media in Sortiment und Verlag (Klaus Kowalke) und um Marketing-Kooperationen in der Region (Mark Lehmstedt). Landesverbands-Vorsitzender Helmut Stadeler versäumte es auch diesmal nicht, einen Appell in Sachen Aus- und Weiterbildung an die Kollegen zu richten: "Sorgen Sie sich um Ihren Nachwuchs", so Stadeler mit Blick auf nach wie vor fehlende Ausbildungsbetriebe.
Hängepartie bei der "Sächsischen Bücherschau"
Die Thüringer Buchtage, 2011 im Volksbad Jena vom Stapel gegangen, werden am 3./4. November in Erfurt ihre siebente Auflage erleben. Gegenwind dagegen bei der Sächsischen Bücherschau: Deren Premiere fand im Herbst 2015 in Dresden statt – eine zweite Auflage sollte im Herbst letzten Jahres gemeinsam mit der Lesemesse schriftgut veranstaltet werden. Im Sommer 2016 trat die Messe Dresden überraschend vom Angebot der kostenlosen Überlassung des Veranstaltungsorts zurück. Der Landesverband, so Stadeler, sei vom "generellen Konzept der Veranstaltung überzeugt" und befindet sich gegenwärtig, zusammen mit dem Sächsischen Wirtschaftsministerium, auf der Suche nach neuen Partnern.
Nach erhitzten Diskussionen ums Gute, Schöne und Bare las die Autorin Alina Bronsky aus ihrem Bestseller "Baba Dunjas letzte Liebe" (KiWi). "Als Frau Meier sagte, dass wir heute zur Lesung gehen, haben alle gestöhnt" – der erste Satz von Bronskys neuem, im September bei dtv erscheinenden Jugendbuch traf auf den frühsommerlichen Kehraus in Leipzig nicht zu: Die in Berlin lebende Autorin wurde mit neugierigen Fragen regelrecht eingedeckt. Zum Finale: Gegrilltes und Bier.
Ich war im März zu dem vom Landesverband angebotenen "Basisschulung Buchhandel".
Sicherlich spricht nichts gegen augenöffnende Vorträge in Sachen Wirtschaftlichkeit und Zukunftsperspektiven in und mit einer/m Buchhandlung/ Verlag.
Wenn Herr Merzbach in acht Stunden jedoch nicht müde wird in Dauerschleife zu Wiederholen, dass er mehr Buchhandlungen abwickelt, als neu gründet und man eigentlich schon mathematischer Legastheniker und weltfremder Idealist sein muss um in der Region zu gründen, muss man sich nicht wundern, dass es vielleicht den einen oder die andere abschreckt.
Ich persönlich habe mich ganz bewusst für eine Neugründung in Sachsen-Anhalt entschieden, mir sind die Risiken bewusst und gerade in dieser Hinsicht ist das Gespräch mit Herrn Merzbach sehr hilfreich. Wenn aber mehr Zeit investiert wird, um mich davon zu überzeugen, dass ich in einem anderen Job viel mehr Sicherheiten hätte und viel mehr Geld verdienen würde, als Möglichkeiten zu evaluieren, wie meine Vorstellung am besten in der Region fruchtbar gemacht werden können, dann ist Beratung vielleicht nicht das richtige Wort, sondern eher Schocktherapie. Ein Landesverband, der mit einem Berater zusammenarbeitet, der die Region nicht besonders schätzt und sich auch nicht wirklich auskennt und, was am schlimmsten ist, auch nicht versteht warum man gerade in dieser Region etwas aufbauen will, muss sich über Mitgliederschwund nicht wundern.
Vielleicht würde es helfen, mal mit innovativen Idealisten zusammenzuarbeiten, die wissen, dass Buchhandel mit wirtschaften zu tun hat aber trotzdem in der Lage sind Menschen dazu zu motivieren sich in der Region zu engagieren.