Börsenverein: Jahrestagung des LV Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland

Neuer Vorstand - und ein großer Veränderungsdruck

4. Mai 2018
von Börsenblatt
Vom Finanzbericht bis zur Vorstandswahl: Bei der Jahreshauptversammlung des Landesverbands Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland am 4. Mai in Wiesbaden standen viele Regularien auf dem Programm. Doch genau daraus entwickelte sich eine sehr ernsthafte Diskussion über die Zukunft der Buchbranche.

Die Debatte über die Zukunft der Branche und die Sorgen der Mitglieder entzündete sich am Finanzbericht: Denn der Landesverband will zwar die Kultur- und Öffentlichkeitsarbeit für das Buch und das Lesen ausweiten – doch im Etatentwurf für 2019 und 2020 seien gar keine Mittel für zusätzliche Aktivitäten eingeplant, kritisierte Annette Sievers vom Peter Meyer Verlag.

Sie vermisste hier "Entwicklungspotenzial", ebenso wie Dirk H. Beenken von der WBG in Darmstadt. Er verwies auf die Börsenvereinsstudie "Buchkäufer, quo vadis", die einen deutlichen Buchkäuferschwund in den vergangenen Jahren belegt (mehr dazu hier): "Ich sehe keine Positionen im Etatentwurf, die auf diese Entwicklung in unserem Umfeld reagieren. Wir müssen etwas bewegen – sonst wird die Hälfte der Mitglieder, die heute hier im Saal sitzen, 2020 vom Markt verschwunden sein."

Der Veränderungsdruck auf die Branche ist groß

Unter dem Strich standen gleich mehrere Fragen, die im Wiesbadener Literaturhaus Villa Clementine intensiv diskutiert wurden: Was kann der Landesverband aus eigener Kraft leisten, um das Lesen und die Begeisterung für Bücher zu fördern? Sollte er noch stärker auf sein vorhandenes Vermögen zurückgreifen, um entsprechende Projekte zu finanzieren? Und was muss zuerst da sein: Eine konkrete Projektidee – oder das Geld, um neue Aktionen zu finanzieren?

Während Ulrike Henschel vom Kommunal- und Schul-Verlag in Wiesbaden den Landesverband mit bereits geplanten Projekten wie dem hessischen Verlagspreis auf dem Weg in die richtige Richtung sieht, vermissten andere den großen Weckruf, die große Strategie angesichts der aktuellen Datenlage. "Laut Iglu-Studie können 20 Prozent der Viertklässler nicht richtig lesen – diese Zahl macht mir noch mehr Sorgen als die Buchkäuferstudie", betonte Alfred Hofmann vom Bessunger Buchladen in Darmstadt.

Der Marburger Antiquar und frühere Buchhändler Rudolph Braun-Elwert bezeichnete die Diskussion in der Villa Clementine als "das strategische Branchenthema der nächsten Jahre schlechthin". Er warnte die Kollegen zugleich davor, bei der Entwicklung neuer Ideen zu sehr im eigenen Saft zu schmoren: Man müsse sich nicht mit den Buchkäufern, sondern mit den Nicht-Lesern, mit IT-Spezialisten und den "Feinden" des Buches auseinandersetzen, um Lösungen und Inspirationen zu finden.

Die Vorsitzende des Landesverbands, Barbara Jost (Kontrast Verlag, Pfalzfeld), konnte ihm da nur zustimmen: "Der eigene Saft – der kocht uns gar". Sie versprach, die Anregungen der Mitglieder mit in die Arbeit des neuen Vorstands zu nehmen. Und unter Umständen auch eine feste Größenordnung für neue Projekte im Etat einzuplanen. Bisher habe der Verband erst die Ideen entwickelt – und die Positionen nachträglich in den Haushalt eingestellt.

Vorstandswahlen: Kandidatenpuzzle mit drei Bundesländern

Barbara Jost hatte den Vorsitz des Landesverbands im vergangenen Jahr in der laufenden Wahlperiode von Andreas Auth übernommen – und wurde jetzt in Wiesbaden von den Mitgliedern ohne Gegenstimme für die nächsten drei Jahre im Amt bestätigt, ebenso wie ihr Stellvertreter Andreas Schorr (Röhrig Universitäts-Verlag, St. Ingbert).

Außerdem wiedergewählt:

  • Gerold Belzer, Buchhandlung Quodlibet, Neustadt an der Weinstraße
  • Martina Bollinger, Buchhandlung Bollinger, Oberursel
  • Tessa Debus, Wochenschau-Verlag, Frankfurt am Main
  • Jochen Mende, Prolit Verlagsauslieferung, Fernwald

Neu in den Vorstand gewählt wurden

  • Anke Birk, Bücher König, Neunkirchen
  • Susanne Lux, Nimmerland Kinderbuchhandlung, Mainz
  • Lothar Röse, Hofbuchhandlung Vietor, Kassel

Nicht mehr angetreten sind

  • Brigitte Gode, Gollenstein-Buchhandlung, Blieskastel
  • Alfred Hofmann, Bessunger Buchladen, Darmstadt
  • Cornelia Layaa-Laulhé, Buchhandlung Layaa-Laulhé, Cochem

Sind die Buchtage Berlin zu teuer für die Kleinen?

Zur Vorstandswahl waren 33 Mitglieder in die Villa Clementine gekommen. Barbara Jost appellierte an die Kollegen, am 12. und 13. Juni auch zu den Buchtagen nach Berlin zu fahren  - wo die Mitglieder unter anderem über eine geplante Beitragserhöhung im Bundesverband entscheiden (mehr dazu hier).

Mehrere Buchhändler und Verleger machten daraufhin deutlich, dass sich die Kosten der Buchtage für kleinere Unternehmen kaum stemmen ließen. Die Teilnahme an der Hauptversammlung des Börsenvereins ist zwar kostenlos – doch mit dem öffentlichen Nahverkehr am selben Tag an- und wieder abzureisen, sei bei dieser Terminierung nicht möglich, so unter anderem pmv-Verlegerin Annette Sievers. Wer dann noch das Kongressprogramm (249 Euro plus Mehrwertsteuer, Details hier) und zwei Hotelübernachtungen dazu buche, sei alles in allem schnell bei 700 Euro.

Rasch umgesetzt wurde in Wiesbaden daraufhin der Vorschlag, zumindest die Stimmvertretung unkompliziert zu regeln – und Kollegen, die nach Berlin reisen, direkt nach der Sitzung damit zu beauftragen.

Mitgestalten, weiterbilden, vernetzen: Diese Ziele der Verbandsarbeit beschrieb Stefanie Brich, seit einem Jahr Geschäftsführerin des Dreiländerverbands, in ihrer Bilanz. Ein kurzer Überblick in Stichpunkten:

Neue Projekte, die bereits auf dem Weg sind und die der Landesverband betreut oder unterstützt, sind

  • die Literaturtage "erLesen!" im Saarland, die im April zum ersten Mal stattfanden (mehr dazu hier)
  • die Regionalmesse Kassel Buch, die am ersten Mai-Wochenende Premiere hatte
  • der Hessische Verlagspreis, der am 22. Juni zum ersten Mal vergeben wird (29 Bewerbungen sind eingegangen, die Jury tagt in der kommenden Woche, Infos hier)
  • zwei neue AGs im Landesverband zu den Themen "Corporate Publishing" und "Schule und Buch"
  • ein hessischer Gemeinschaftsstand "Literatur in Hessen" auf der Frankfurter Buchmesse 2018

Ideen, die der Landesverband derzeit (mit-)entwickelt:

  • eine Frankfurter Verlagsschau im Sommer,
  • regionale Buchwochen in der Eifel und im Saarland

Um Werbung für das Seminar-Angebot des Landesverbands zu machen und den Mitgliedern bei der Jahreshauptversammlung Denkanstöße mit auf den Weg zu geben, schlossen sich an das offizielle Programm in der Villa Clementine noch vier Workshops an – etwa zu den Themen Unternehmensnachfolge, Agiles Arbeiten, Influencer-Marketing, mit Berater Dieter Durchdewald und Literaturtest-Geschäftsführer Roland Große Holtforth.

Am Ende konnten die Teilnehmer per Handzeichen darüber entscheiden, welchem Thema sich ein "Blind-Date-Seminar" am 20. Juni widmen soll. Influencer-Marketing machte dabei das Rennen, Themen wie Unternehmensnachfolge werden im Lauf des Jahres aber ebenfalls noch behandelt.

Für ein juristisches Update sorgte Dieter Wallenfels, Preisbindungstreuhänder der Verlage. Er analysierte den Koalitionsvertrag der Bundesregierung und erläuterte unter anderem die geplante Novelle des Preisbindungsgesetzes zu Affiliate-Programmen - eine erfreuliche Nachricht, vor allem für das Schulbuchgeschäft der unabhängigen Buchhändler.

cro