Börsenverein: Landesverband Baden-Württemberg

"Eine unkomplizierte Form der Mitwirkung"

16. Juli 2015
von Börsenblatt
Einen besseren Tagungsort für die Buchbranche gibt es kaum: Im Deutschen Literaturarchiv in Marbach fand am Samstag die Hauptversammlung des Landesverbands Baden-Württemberg statt. Auf der Agenda stand ein Satzungsbeschluss: Die Fachausschüsse werden aufgelöst - und durch flexible Arbeitskreise ersetzt.

Der Wettergott war den versammelten Buchhändlern und Verlegern gnädig: Die Sonne schien am Samstag auf den mittelalterlichen Ort Marbach am Neckar - und auf das Deutsche Literaturarchiv.

Auch die Stimmung im Saal war heiter. Die satzungsrechtlichen Differenzen um die Wahl des Vorsitzenden Thomas Lindemann (Lindemanns Bibliothek, Info Verlag), die den Verband im Vorjahr beschäftigten, sind ausgeräumt. Jetzt konnte die Hauptversammlung den Blick wieder nach vorne richten.

Seit der Nachwahl gehören dem Vorstand neben Lindemann an: Katrin Beltrán Gómez (Kirchzartener Bücherstube), Cornelius Kieser (Buchhandlung Kieser), Titus Häussermann (Silberburg-Verlag) und Rudolf Sommer (KNV). Neu hinzugekommen ist Christian Stadler (Stadler Verlagsgesellschaft und Kalenderverlag). Im Amt bestätigt wurden am Samstag zudem die beiden Rechnungsprüfer und der vierköpfige Wahlausschuss wurde in neuer Zusammensetzung gewählt.

"Unser Ziel ist es, allen Mitgliedern und auch deren Mitarbeitern eine aktive Mitwirkung möglichst unkompliziert anzubieten": Diese Richtschnur gab Lindemann am Samstag vor. Auf der diesjährigen Hauptversammlung kam es zu einer wichtigen Satzungsänderung, die den Worten Taten folgen lässt. Die Fachausschüsse auf Landesverbands-Ebene werden abgeschafft. Stattdessen sollen künftig flexible Arbeitskreise zu einzelnen Themenfeldern zusammenkommen.

Für die neue Struktur gibt es gute Gründe: Zum einen finden sich immer weniger Kandidaten bereit, sich für eine vierjährige Amtszeit in den Fachausschüssen zu verpflichten. Zum Zweiten – und das ist der noch wichtigere Grund – werden die Anforderungen an die Branche immer vielfältiger und sind einem immer schnelleren Wandel unterworfen.

Auf diese Entwicklung sollen nun Arbeitskreise reagieren, die mehr oder weniger ad hoc vom Vorstand eingerichtet und nach Aufgabenerledigung wieder aufgelöst werden können. Wichtig ist auch, dass in diesen Arbeitskreisen nicht nur Mitglieder des Verbands mitwirken können, sondern auch externe Spezialisten. Lindemanns Fazit: "Wir versprechen uns von dieser flexiblen und projektbezogenen Gestaltung der Mitgliederarbeit mehr Interesse und ein vielfältiges Meinungsbild."

Bei den Finanzen steht der Landesverband Baden-Württemberg gut da, aber ein leichter Mitgliederschwund macht sich auch hier bemerkbar – vor allem im Buchhandel. Dennoch konnte der Landesverband einen leichten Überschuss erwirtschaften, dank gestiegener Einnahmen durch das Seminarprogramm.

Die nächste Hauptversammlung wird in Baden-Württemberg erst 2016 stattfinden. Dieser Beschluss wurde einstimmig gefällt, viele Mitglieder äußerten allerdings den Wunsch, man solle sich doch auch 2015 einmal treffen, zu Fachgesprächen, zum lockeren Meinungsaustausch. Diese Idee will der Vorstand aufgreifen.

Interview mit dem Landesverbands-Vorsitzenden Thomas Lindemann zur Umstrukturierung

Warum ist Ihnen die Umwandlung der Fachausschüsse in Arbeitskreise ein so großes Anliegen?

Lindemann: Fachausschüsse sind sehr formell geregelt: Man muss die Mitglieder wählen und die Aussschüsse müssen auch dann zu einem Treffen zusammenkommen, wenn es inhaltlich vielleicht gar nicht notwendig wäre. Wir vom Vorstand meinen daher, dass themenbezogene Treffen sinnvoller sind als solche, die von der Satzung abhängen. Es geht hier um die Dringlichkeit von zeitnahen Problemstellungen. Wir möchten uns mit den Arbeitskreisen breiter aufstellen und dabei Mitwirkung aus Mitgliederreihen erzielen, die wir mit unseren Angeboten bislang nicht erreichen konnten.

Wir wissen ja durch die Verbandarbeit sehr genau, welche Mitglieder an wichtigen Themen der Branche optimal mitwirken könnten. Die können wir nun von Fall zu Fall ansprechen. Und ähnlich wie bei den Regionaltreffen, die wir jetzt auch ins Leben gerufen haben, sollen nun nach Bedarf, auf Vorschlag des Vorstandes, solche Arbeitskreise stattfinden, unter Mitwirkung von Spezialisten. Wir sehen da einen großen Bedarf und möchten möglichst viele Branchenvertreter einbinden.

Das heißt auch, dass in solchen Arbeitskreisen nicht nur Mitglieder teilnehmen können...

Lindemann: Genau. Natürlich geht es uns in erster Linie um unsere Mitglieder, aber jeder von uns möchte doch zu bestimmten Fachfragen auch die dazugehörigen Fachleute hören. Und die müssen ja nicht in jedem Fall unbedingt in einem Verlag oder einer Buchhandlung tätig sein.

In Ihrem Landesverband ist auch ein gewisser Mitgliederrückgang spürbar. Wie lässt sich da gegensteuern?

Lindemann: Auch dazu sollen die Arbeitskreise ihren Beitrag leisten. Wir wollen den Verband öffnen, mögliche Hemmschwellen für eine Mitwirkung, für eine Mitgliedschaft aus dem Weg räumen und damit den potentiellen Mitgliederkreis erweitern.

Ist damit auch die Erweiterung der Mitglieder über das Verlags- und Buchhandelswesen hinaus gemeint?

Lindemann: Man wird sicherlich über diesen Radius hinaus- und über Mitgliedschaften von themennahen Berufszweigen nachdenken müssen. Was gibt es im Verlags-, Print- und Buchhandelsbereich für Schnittmengen mit anderen Berufsgruppen? Und wo könnten etwa Teilmitgliedschaften sinnvoll sein? Diese Fragen dürfen und sollten gestellt werden.

Was sehen Sie als Vorsitzender des Landesverbands Baden-Württemberg als Ihre dringlichsten Aufgaben an?

Lindemann: Es gibt natürlich eine ganze Reihe von Baustellen. Doch ganz besonders wichtig erscheint mir, dass wir so einig wie möglich auftreten und uns fragen, wie wir junge Menschen für die Branchen- und Verbandsarbeit gewinnen können. Und es muss uns gelingen, das Lesen so interessant zu machen, dass wir uns um unsere eigene Zukunft keine große Sorgen machen müssen. Wahrscheinlich müssen wir in Sachen Lesewerbung etwas hipper werden – und stärker über das Gewohnte hinausdenken, als wir es bisher getan haben.