Börsenverein: SoA-Sitzung

Das Sortiment auf der Suche nach Strategien

27. Februar 2015
von Börsenblatt
Im Sortimenter-Ausschuss wurde am Mittwoch acht Stunden lang die digitale Zukunft der Branche verhandelt. Im Fokus der Frankfurter Sitzung: Die geplante Metadatenbank - und die Einbindung des unabhängigen Buchhandels in die Tolino-Initiative von Thalia und DBH.

Anfang März haben Thalia und die DBH ihre Tolino-Partnerschaft bekannt gegeben - nun sprachen Maximilian Hugendubel (DBH) und Michael Busch (Thalia) vor dem Ausschuss über Möglichkeiten, Tolino zu einer Branchenlösung auszubauen. Zu den Tolino-Partnern gehören neben Thalia und der DBH weitere Unternehmen: In den Händen der Telekom liegt die (Weiter-)Entwicklung der Lesegeräte. Was der Tolino können soll, definieren nach Angaben von Maximilian Hugendubel allerdings die Partner aus dem Buchhandel. Außerdem betreut die Telekom das Software-System hinter dem Tolino (Bezahlung, Download-Verwaltung etc.). Die digitalen Inhalte für den Tolino liefert der elektronische Kiosk Pubbles, ein Jointventure von Bertelsmann und DBH.

Bei der Kooperation gehe es darum, „maximale Größenvorteile zu erzielen“ und mithilfe der technisch versierten Partner auch dem Innovationsdruck in der digitalen Welt standzuhalten, so Maximilian Hugendubel.  Ganz klar trennen würden sich die Wege der Beteiligten jedoch beim Kundenkontakt  –  sprich: bei den einzelnen Shops für Thalia, DBH und dem Club Bertelsmann. "Jeder behält seine Kunden".

Hugendubel räumte ein, dass man für eine solche Kooperation auch "emotionale Vorbehalte" über Bord werfen müsse. Doch die Zeit der Berührungsängste sei vorbei: "Innerhalb der Buchbranche gibt es für uns nur noch Partner. Die Konkurrenten sind woanders". Die Tolino-Initiatoren haben von Anfang an deutlich gemacht, dass sie weitere Buchhändler ins Boot holen wollen. In Frankfurt konkretisierte sich nun das "Wie". Ein Aggregator wird gesucht, der diese Buchhandlungen gebündelt betreut, zentrale Services für sie übernimmt und wiederum als Vertragspartner gegenüber Telekom und Pubbles auftritt.

SoA-Empfehlung zum Tolino

Ein potenzieller Kandidat für diese Aufgabe: Die MVB, die bereits erste Gespräche dazu geführt hat. Daneben verhandeln die Tolino-Partner offenbar mit weiteren Interessenten. Am Ende der SoA-Diskussion stand eine Empfehlung, die heute im Branchenparlament vorgetragen wurde:

"Der SoA unterstützt die MVB in ihren Verhandlungen bei der Weiterentwicklung einer Branchenlösung für den Verkauf von E-Books. Unter dieser Prämisse soll die MVB Verhandlungen mit den Tolino-Partnern für eine mögliche Einbindung des unabhängigen Sortiments in die Tolino-Initiative führen. Die MVB wird bei diesen Verhandlungen von einer kleinen Arbeitsgruppe innerhalb des SoA beratend unterstützt".

Angehören sollen dieser Arbeitsgruppe Detlef Büttner (Lehmanns Media), Hartmut Falter (Mayersche) und René Kohl (Kohlibri). Vor allem Hartmut Falter hatte im SoA für eine solche Empfehlung geworben – als Signal, um die Position der MVB in den Gesprächen gegenüber anderen Interessenten zu stärken. Für den Chef der Mayerschen ist das Tolino-Modell "hochinteressant", weil es eine veritable Chance gegen Amazon zu haben scheine. Mehrere Buchhändler in der Runde berichteten, dass Kunden in ihren Läden nach dem Lesegerät Tolino fragen würden – der Werbeaufwand der Initiatoren zahlt sich offenbar aus. „Der Tolino hat sich innerhalb von knapp zwei Monaten etabliert. Jetzt haben wir die Chance, auf diesen Zug aufzuspringen“, so Anton Neugirg (Pustet). Manfred Keiper (Die andere Buchhandlung, Rostock) formulierte es so: „Entweder wir kriegen eine Branchenlösung hin oder wir sind draußen“.

Ob der Tolino dabei allerdings die beste und einzige Wahl ist, war umstritten – ebenso wie die Frage, ob es gut und sinnvoll ist, sich mit den beiden großen Filialisten auf dem Buchmarkt zu verbünden: "Ich tue mich schwer damit, mich in Abhängigkeit von Thalia und DBH zu begeben", bekannte nicht nur Jörg Robbert (Buchhandlung am Bebelplatz, Kassel). Klar ist auch: Wenn Tolino zur Branchenlösung wird, hat das Folgen für libreka!. Denn Haupt-E-Book-Lieferant ist Pubbles - in direkten Verhandlungen mit den Verlagen.

Projektskizze für die Metadatenbank

libreka! allerdings soll sich einer Empfehlung des Börsenvereinsvorstands zufolge ohnehin vorranging auf eine andere Aufgabe konzentrieren und den E-Book-Vertrieb unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betreiben: Im Fokus steht jetzt der Aufbau einer Metadatenbank, der das zweite große Thema des Tages war. Sandra Schüssel, die bei der MVB das Produktmanagement leitet, stellte eine Projektskizze zur Metadatenbank vor (Arbeitstitel: VLB plus), mit allen potenziellen Informationen, die dort gebündelt abgerufen werden könnten, von der Lieferbarkeitsabfrage bei den Barsortimenten und Verlagsauslieferungen bis hin zu Veranstaltungen, Autoreninfos, Rezensionen. Unter dem Stichwort "buchhandel.de reloaded" präsentierte die MVB außerdem einen Relauch für das Endkundenportal, das nicht zuletzt als Alternative zu Amazon gebraucht wird, etwa wenn Bibliotheken auf eine Bestellplattform im Netz verlinken wollen.

Dass mit der Metadatenbank noch viele Informationsschätze der Branche gehoben werden können, daran gab es im SoA keine Zweifel, zumal das Projekt dort angestoßen wurde.

Manfred Keiper wird MVB-Beauftragter

Nicht nur fertige Konzepte durchwinken, sondern anstoßen und mitgestalten: Ein zentraler Wunsch im SoA, der am Mittwoch deshalb auch nach neuen Formen der Kommunikation und Mitwirkung suchte. So soll der Rostocker Buchhändler Manfred Keiper künftig als MVB-Beauftragter zur Schaltstelle zwischen Wirtschaftstochter und SoA werden. Und einzelne Ausschussmitglieder werden künftig bestimmte Themenfelder betreuen und vorab klären – damit in der Sitzung selbst konstruktiv diskutiert werden kann. „Wir müssen eine stärkere Rolle bei den Entscheidungen spielen“, so Detlef Büttner von Lehmanns. Auch der Berliner Buchhändler René Kohl, der im SoA aus Zeitgründen nur kurz seine "Fünf Punkte für einen Neuen Buchhandel" präsentieren konnte, wünschte sich insbesondere zu digitalen Themen eine stärkere strategische Arbeit des Ausschusses.

Debatte um die Gebührenstruktur fürs VLB

Zu den strittigen Themen des Tages gehörte die neue Gebührenstruktur für Buchhändler, die das VLB in ihren Webshop einbinden wollen. Die Preise, nach Beitragsgruppen gestaffelt, seien gerade für die mittleren Stufen zu hoch ausgefallen, so die Kritik. Die Einbindung wird zwar von vielen gewünscht, um bei der Titelfülle mit Amazon mithalten zu können und nicht allein auf die Barsortimentstitel angewiesen zu sein – doch Umsatzpotenzial sehen die Buchhändler nur bedingt. Wenn die Barsortimente nun eine entsprechende Einbindung des VLB in ihre Kataloge programmieren würden, die dann am Ende aus Kostengründen niemand nutze, sei auch die Vision von der Metadatenbank gefährdet, meinte der Hanauer Buchhändler Dieter Dausien (Buchladen am Freiheitsplatz).

MVB-Geschäftsführer Ronald Schild nahm die Botschaft mit und sicherte zu, die Preispolitik noch einmal zu überdenken. Nicht rütteln könne er jedoch an der Lizenzgebühr, die Amazon für das VLB zahle – denn auch die wurde im SoA heftig kritisiert, weil der Preisabstand zum größten Mitgliedsbuchhändler nicht deutlich genug sei. Schild stellte klar, dass Amazon schon heute deutlich mehr zahle als jedes Börsenvereins-Mitglied. Es gehe hier darüber hinaus um eine Interessensabwägung zwischen den Sparten. Für viele Verleger stelle die Datenweitergabe einen der Hauptvorteile des VLB dar, den man durch zu aggressive Preisforderungen nicht gefährden dürfe.

Nur andiskutiert: Das Finanzpaket des Börsenvereins

Das geplante Finanzpaket des Börsenvereins kam im SoA gleich zu Beginn im Bericht des Vorsitzenden Thomas Wrensch (Buchhandlung Graff, Braunschweig) zur Sprache, danach skizzierte Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis den Handlungsbedarf bei den Finanzen, der sich aus dem strukturellen Problem bei der Mitgliederentwicklung ergebe. Das Thema sei berechtigt, weil der Börsenverein seine Beiträge seit 2003 nicht mehr erhöht habe, "aber es ist auch ein explosives Thema", machte nicht nur Hartmut Falter (Mayersche) deutlich. In Frankfurt wurde der Punkt nur andiskutiert. Denn entschieden wird über das Finanzpaket ohnehin erst im Juni bei der Hauptversammlung, im Rahmen des Budgets 2014.