Brasilianische Verleger zu Besuch in Deutschland

"Es ist schwer, deutschsprachige Bücher zu verkaufen"

29. Februar 2016
von Börsenblatt
Eine Gruppe brasilianischer Verleger und Lektoren entdeckt den deutschen Buchmarkt während zur gleichen Zeit das VLB nach Brasilien exportiert werden soll. Zu der Verlegerreise hatte die Frankfurter Buchmesse eingeladen.

Die Lektoren und Verleger aus Brasilien haben in Frankfurt unter anderem des Haus des Buches besucht, den Fischer Verlag und die Frankfurter Verlagsanstalt. Sie waren in Berlin bei Aufbau, Ullstein und Suhrkamp. Aber am einprägsamsten war dieser Berliner Hinterhof – eine andere Bücherwelt inmitten alter linker Alternativkultur. Mit einem Verlag wie Assoziation A in den Mehringhöfen in Kreuzberg hatten sie nicht gerechnet. Hier war alles ein bisschen privater, intimer. Und dann dieses Programm: Bücher zu Migration, Antifaschismus, Exil – und immer wieder Lateinamerika, mit Titel wie "Territorien des Widerstands", "NarcoZones" und "Kontinent der Befreiung". Schließlich Literatur von Luiz Ruffato, einem der bekanntesten brasilianischen Autoren, Eröffnungsredner beim Gastlandauftritt Brasiliens auf der Frankfurter Buchmesse 2013.

Aber gekommen waren sie ja aus Sao Paulo und Rio, um deutsche Autoren zu entdecken und für eigene Titel zu werben. Der Verlag Estação Liberdade aus Sao Paulo hat bereits eine ganz Reihe deutschsprachiger Schriftsteller im Programm: Handke, Grass, Sloterdijk zum Beispiel. Das hat mit den Vorlieben des Chefs zu tun: Angel Bojadsen, der Verleger, hat deutsche Vorfahren und von Brasilien aus den Blick auf die Welt gerichtet, vornehmlich auf Japan, Frankreich und den deutschsprachigen Raum. Es sei kein einfaches Geschäft mit der Literatur aus Übersee sagte der Lektor von Estação Liberdade, Daniel Pellizzari: "Es ist schwer, deutschsprachige Bücher zu verkaufen, man muss mehr dafür arbeiten."

Literatur aus dem englischsprachigen Raum käme mit einem großen Vorsprung nach Brasilien. Denn die Autoren seien häufig bekannter, eine Bestsellerplatzierung in den USA wirke auch noch weiter südlich verkaufsfördernd. Pellizzari bringt trotzdem einen Koffer deutscher Literatur mit nach Brasilien, wo sich Verlage freuen, wenn sie einen literarischen Titel 2.000 mal an die Leser bringen und wo 10.000 verkaufte Exemplare schon den Top-Bestsellerrang garantieren.

Brasilien mit seinen 200 Millionen Einwohnern ist kein Leseland. Das beklagt auch Beatriz Nunes de Sousa. Bei Tordesilhas, wo sie als Lektorin arbeitet, sind Bücher von Elfriede Jelinek, F. C. Delius und Wolfgang Herrndorf erschienen. Allesamt schlecht verkauft. "Deutsche Literatur ist häufig zu anspruchsvoll für brasilianische Leser. Wir sind nicht reif dafür", sagt sie.

Doch trotz Wirtschaftskrise und einer eher distanzierten Beziehung vieler Menschen zu Büchern ist der brasilianische Buchmarkt der größte und bedeutsamste in Lateinamerika. Es ist ein Markt, der gerade dabei ist, neue Standards zu etablieren; helfen sollen dabei die Deutschen. "In der brasilianischen Buchbranche gibt es ein großes Interesse an deutscher Brancheninfrastruktur. Wir prüfen derzeit die Machbarkeit einer brasilianischen Books-in-Print-Datenbank, also eines brasilianischen VLB", sagt Ronald Schild, Geschäftsführer bei der MVB in Frankfurt. Während die Verleger und Lektoren aus Sao Paulo und Rio sich in der deutschen Verlagswelt umsahen, war Schild auf Einladung des brasilianischen Verbandes Cámara Brasileira do Livro zu Gesprächen mit Verlegern und Buchhändlern in den beiden größten brasilianischen Metropolen.

Bislang ist die Distribution von Büchern in Brasilien äußerst schwierig: Verlage müssen die Metadaten ihrer Bücher an jede Buchhandlung einzeln und in jeweils individuellen Formaten übermitteln. Häufig ist es sogar notwendig, die Bücher selbst an den Handel zu schicken, damit dort deren Daten manuell erfasst werden können. Von der Einführung eines Books-in-Print-Brasil versprechen sich die Brasilianer nicht allein enorme Arbeitsersparnis, sondern auch bessere Geschäfte. Bislang dauere es bis zu einem Monat, bis druckfrische Titel vom Sortiment verkauft werden, klagen die Verleger. Andere Bücher verstaubten in den Regalen, weil sie schlichtweg falsch einsortiert seien. Beinah unmöglich sei es überdies, den Handel rasch und effektiv über Preisänderungen oder Werbeaktionen zu informieren.

Ein brasilianisches VLB soll also her und Abhilfe schaffen. Derzeit ist ein Expertenteam aus Frankfurt in Brasilien. Bis Mail soll eine Machbarkeitsstudie abgeschlossen sein, Anfang 2017 könnte Books-in-Print-Brasil starten.

Womöglich ist das nur der Beginn einer "Internationalisierung" des VLB: "Die Buchbranche wird zunehmend globaler und damit wird es immer wichtiger, über Ländergrenzen hinweg einheitliche und zuverlässige Geschäftsprozesse zu etablieren", sagt Ronald Schild. Die MVB könne dazu gerade mit dem VLB einen signifikanten Beitrag leisten.