Buchladen für Selfpublisher

Kreative Nachbarschaftshilfe

29. April 2015
von Börsenblatt
In Florida haben zwei Autoren ein ambitioniertes Projekt gestartet: In ihrem Buchladen dürfen ausschließlich Selfpublisher aus der Region verkaufen. Der Platz ist begrenzt, die Urheber erhalten – bei relativ geringen Gebühren – den vollen Erlös. Könnte ein solches Konzept auch in Deutschland Schule machen?

Der kleine, aber feine Laden, der vor wenigen Wochen in der Fowler Street in Fort Myers eröffnet wurde, hat sich schnell in der Szene herumgesprochen. Zum einen dürfte dies daran liegen, dass Patti Brassard Jefferson und Timothy Jacobs in ihrer Heimat, der Golfküste Floridas, bekannte und in der Writers Association engagierte Autoren sind. Zum anderen, weil ihre Idee nicht alltäglich ist: Ein Ladengeschäft, das ausschließlich lokalen Selfpublishern vorbehalten ist.

Seit April ist das Konzept, das aus den eigenen schwierigen Erfahrungen mit dem Thema Buchvermarktung geboren wurde, Realität: Jeweils drei Monate lang können Autoren ihre Werke im eigenen Regal des „Gulf Coast Bookstore" präsentieren. Bislang sind es 36, unter ihnen Jefferson und Jacobs, im Mai kommen 17 weitere hinzu.

Der Platz ist begrenzt, sodass jeder nur zehn Kopien – beziehungsweise zehn Titel mit jeweils einer Kopie – bei GCB anbieten darf. Ein kleines Schild informiert über den Autor, außerdem können Visitenkarten ausgelegt und Signierstunden veranstaltet werden. Das klare und schnörkellose Konzept wurde von Anfang an gut aufgenommen, mittlerweile gebe es eine Warteliste, sagt Jefferson.

Einzige Voraussetzung für die Autoren ist, aus der Region zwischen Fort Myers und Marco Island im Süden des Bundesstaates zu kommen. Auch sollten möglichst alle Genres gleichmäßig abgedeckt sein, von Kinderbüchern über Bildung, Romane, Fantasy, Horror bis hin zu lokaler Geschichte und Memoiren. Jefferson schreibt und illustriert für die Kleinen, Jacobs hat historische Bücher über Fort Myers veröffentlicht.

Zumindest für die Gründer scheint das Konzept bereits aufzugehen: Kinderbücher und Geschichte, aber auch Zombies hätten sich in den ersten vier Wochen seit Eröffnung am besten verkauft, berichtet Jefferson. Genau Zahlen nennt sie nicht, aber fast alle Autoren hätten bereits Umsätze gemacht. Das Besondere: 100 Prozent der Verkaufserlöse gehen an die Urheber. Sie zahlen lediglich eine monatliche Gebühr von 60 US-Dollar (75 US-Dollar im ersten Monat). Der Preis der angebotenen Bücher liegt zwischen sieben und 29 US-Dollar.

Die Fixkosten für GCB seien nicht besonders hoch, so die Betreiber. Obwohl 42 Stunden in der Woche geöffnet ist, wird der kleine Laden organisatorisch und buchhalterisch von anderen Geschäften im Gebäudekomplex mitgetragen. Jefferson und Jacobs gehen somit zu einem Großteil weiterhin ihrer ursprünglichen Arbeit nach. Patti Brassard Jefferson träumt davon, weltweit mehr und mehr solcher „pop up bookstores zu sehen", wie sie sagt, denn häufig seien derartige Projekte nicht aus der Not heraus geboren, sondern entsprächen dem Willen vieler Autoren, ihre Arbeit schnell und unkompliziert auf den Markt zu bringen, bei voller Selbstkontrolle. In der Selfpublisher- und Indie-Community säßen alle in einem Boot und entwickelten immer neue Möglichkeiten, sich gegenseitig zu helfen, sei es über Blogs oder andere Ressourcen. „Gleichzeitig entstehen immer mehr Verbindungen und Angebote, die sich an Autoren richten, die aus dem traditionellen Geschäft ausscheren. Manchmal ist es einfach sinnvoller, sich ganz bewusst dafür zu entscheiden, ein größerer Fisch in einem kleineren Teich zu sein als umgekehrt."

In der Tat wird bereits in Deutschland mit ähnlichen stationären Verkaufsmodellen experimentiert, wenn auch nicht ausschließlich auf Selfpublisher zugeschnitten. So unterhalten BoD und eBuch seit diesem Frühjahr eine Kooperation, mittels derer Autoren bis zu fünf Verbandsbuchhandlungen in ihrer Region mit Ansichtsexemplaren beliefern lassen können, um eine mögliche Präsenz in den Regalen auszuloten. „Der Königsweg für Selfpublisher führt am ehesten über die kleineren Buchhändler vor Ort", sagt Matthias Matting, Vorsitzender des Selfpublisher-Verbandes. Die hätten bei solchen Vermarktungszweigen einen Vorteil gegenüber den großen Filialisten und könnten damit auch ihr eigenes Geschäft stärken. „In jedem Fall sollte man unbedingt die Lokalpresse ins Boot holen."

Schier unvorstellbare 75.000 Selfpublisher gibt es in Deutschland, davon etwa 2.000 mit professionellem Anspruch, wie Matting erklärt. Im vergangenen Jahr waren zirka 30 Prozent aller Print-Neuerscheinungen verlagsunabhängige Eigenwerke. Der stationäre Buchhandel wird es sich gar nicht leisten können, darauf zu verzichten.

Das Online-Feld wird indes schon bestellt. Auch unter der Sonne Floridas wird über eine E-Commerce-Erweiterung nachgedacht.