Buchpräsentation in Berlin

Gerhard Schröder und seine Biografie, vorgestellt von Angela Merkel

22. September 2015
von Börsenblatt
Eine erstaunliche Begegnung: In Berlin trafen sich heute die Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Vorgänger Gerhard Schröder. Grund dafür war die Präsentation der über 1000 Seiten dicken Biografie Schröders  von Gregor Schöllgen, die heute im Verlag der DVA in einer Auflage von 30.000 Exemplaren erschienen ist.

Freunde sind die Konkurrenten um das Amt des Bundeskanzlers verständlicherweise nie. Das ist bei Schröder und Merkel nicht anders. Umso mehr überrascht es, dass es der DVA gelungen ist, die Bundeskanzlerin zur Vorstellung der Buchs, das schlicht „Gerhard Schröder. Die Biographie" heißt, zu gewinnen – zumal in unruhigen, fordernden Zeiten wie diesen. Besondere Überredungskunst habe indes keine Rolle gespielt, versichert der Verlag. Man habe schlicht bei Merkels Büro angefragt. Vielleicht war es von Vorteil, dass Angela Merkel selbst DVA-Autorin ist, „Der Preis des Überlebens" heißt das Buch von ihr, eine Auseinandersetzung mit Umweltpolitik, erschienen 1997.

Es wurde eine unterhaltsame Stunde im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin. Journalisten füllten den Saal zur Gänze und leerten rasch den Büchertisch, Kameraleute suchten entschlossen nach den besten Plätzen. Die Verlegerin Friede Springer war da ebenso wie der frühere Regierungssprecher Bela Anda. Die DVA schien beinah komplett angereist, Der Münchner Random House-Chef Frank Sambeth saß in der ersten Reihe. Thomas Rathnow, DVA-Verlagsleiter, moderierte und beschrieb gleich zu Beginn die DVA als „Kanzlerverlag“. Nicht zu unrecht, tatsächlich finden sich – beginnend mit Adenauer über Kohl und Schmidt – wichtige Politiker-Lebensbeschreibungen im Programm.

Recht schnell wurde dann deutlich, warum Merkel sich die Zeit genommen hat: Sie schätzt schlicht ihren Vorgänger. Unbedingtes Machtbewusstsein, Pragmatismus und Kämpfertum hob sie als treffliche Charakteristika Schröders in der Biografie hervor. Schröders Pragmatismus sei ihr zwar manchmal zu weit gegangen (ein bemerkenswertes Bekenntnis), zuweilen aber auch sehr hilfreich gewesen. In jedem Fall habe sich ihr Vorgänger mit der Agenda 2010 um Deutschland verdient gemacht. Dass das Land heute in einer solch guten Verfassung sei, habe  mit Schröders Politik zu tun, schwärmte eine aufgeräumte Angela Merkel.

Selten wird man die beiden so entspannt und einträchtig beieinander gesehen habe. Der bestens aufgelegte Bundeskanzler a. D. quittierte  Merkels Auslassungen häufig mit einem Lächeln. Auch dann noch, als sie amüsante Details aus der Biografie zitierte und dabei selbst schelmisch schmunzelnd zu Schröder hinüber sah: Dieser war bei der Musterung als nicht voll tauglich eingestuft worden. Der Grund: Krampfadern.

So ging es unterhaltsam weiter. Der Biograf und Geschichtsprofessor Schöllgen dankte  dafür, dass er unbegrenzten Zugang zu allen Dokumenten hatte: „Ich weiß möglicherweise mehr über Sie als Sie selbst“, sagt er zu Schröder gewandt. Zu Tage gefördert hat er aus der Stasi-Akte etwa den Vermerk: „Trinkt gern viel Bier (immer aus großen Gläsern)“ und manches Detail der Familiengeschichte, das für Schröder, der aus einfachen Verhältnissen kommt, tatsächlich neu und überraschend war, wie er selbst verriet.

Gerhard Schröder, der jegliches Statement zur aktuellen Politik verweigerte, nutzte die Gelegenheit, um für eine „offene Gesellschaft“ zu werben – und mithin eine Bildungspolitik, die Karrieren wie seine oder die Merkels möglich mache: „An meiner Wiege wurde nicht gesungen, dass ich Bundeskanzler werde und an der von Frau Merkel ebenso wenig.“

Wenn man die beiden so auf dem Podium sitzen und lächeln sah, hätte man tatsächlich beinah auf die Idee kommen können, dass sie sich gern häufiger treffen. Die Frage eines Journalisten von der „Bunten“, ob sie denn regelmäßig zusammen essen gehen in Berlin, beantwortete Merkel aber gewohnt nüchtern: „So ausschweifend wollen wir nicht werden.“ Da ihr das selbst vielleicht ein wenig barsch erschien, wo doch jede Menge Freundlichkeiten ausgetauscht worden waren, schob sie nach, dass es mit Schröder nie verspannt sei, sondern ein Grundvertrauen bestehe.

Dazumag auch beigetragen haben, dass Merkel nach der Amtsübergabe im von ihr bezogenen Kanzlerbüro einen Kuchen auf dem Tisch vorfand – ein Willkommenspräsent ihres Vorgängers. Womöglich hat sie sich darin erinnert, als sie sich entschied, die Einladung der DVA anzunehmen. Gerhard Schröder wiederum hatte auch noch eine Anekdote parat: Der verdutzten Angela Merkel habe er auf die Frage, wo denn die Geheimakten seien, nur versichern können, es gäbe keine. Im Tresor lagen lediglich Uhren von Silvio Berlusconi.