Buchwissenschaftler fragen Branchenköpfe

Fünf Fragen an Martin Spieles

9. Februar 2011
von Börsenblatt
Martin Spieles, Pressechef der S. Fischer Verlage, hielt im Rahmen der Vortragsreihe "Das Buch in den Medien" an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz gestern einen Vortrag mit dem Titel “Die unsichtbare Dritte: Pressearbeit für Bücher, für Autoren”. Die Buchwissenschaftsstudenten fragten nach.

Herr Spieles, warum bezeichnen Sie die Pressearbeit als die einer unsichtbaren Dritten?
Martin Spieles: In den S. Fischer Verlagen erscheinen jährlich 300 neue Bücher, 600 wenn man die Eigenlizenzen mit einschließt. 10.000 bis 15.000 Rezensionen und Berichte über Bücher und Autoren schreiben Journalisten jährlich dazu. Daher muss man sich fragen: Wie kommt es dazu? Zwischen dem sichtbaren Autor und dem sichtbaren Journalisten steht der unsichtbare Dritte, der Pressesprecher, der auf unterschiedlichste Weise über die Bücher und Autoren die Presse informiert.

 

Ihr Titel deutet zudem an, dass die Pressearbeit sowohl für Bücher wie auch für Autoren zuständig ist. Ist das auch der Fall, wenn Sie sich für Rezensionen einsetzen?
Martin Spieles: Es gibt nur wenige Rezensionen, die sich tatsächlich nur mit dem Buch beschäftigen. Häufig fließen Geschichten hinein, die mehr mit dem Autor zu tun haben. Es wird geschrieben, dass ein Buch besser als das vorherige oder eben auch schlechter sei. Doch was sagt das über das Buch aus? Diese Art der Berichte sagen vor allem etwas über die Entwicklung des Autors aus, sind daher Autorenberichterstattung. Natürlich geben wir Pressesprecher die Informationen zum Autor auch mit heraus, wenn Sie interessant sind.

 

Sie müssen die Presse nicht nur über neue Bücher informieren, sondern es auch schaffen, dass die Journalisten neugierig werden auf die Bücher der S. Fischer Verlage. Wie gelingt das?
Martin Spieles: Entscheidend ist, dass bei den Journalisten der Funke überspringt. Ich überlege mir daher sehr genau, was ich welchem Journalisten sage, was für ihn und sein Medium interessant ist. Doch letztlich sind sie auch nur Leser eines Buches. Die Journalisten müssen die Begeisterung selber spüren, selber beim Lesen bekommen.

 

Bei über 300 neuen Titeln sind sicherlich auch mal Bücher dabei, die sie selbst nicht begeistern. Was dann?
Martin Spieles: Ja, auch bei einem Verlag wie S. Fischer kann es passieren, dass ein Buch nicht meinen Geschmack trifft. Doch es gibt bei professioneller Pressearbeit einen Effekt: Umso mehr man sich mit einem Produkt beschäftigt, desto mehr identifiziert man sich damit. Je öfters man ein Buch anpreist, umso mehr gefällt es einem selbst.

 

Welches Projekt beschäftigt Sie derzeit?
Martin Spieles: Von unserem 101-jährige Autor Hans Keilson bringen wir im Frühjahr kurz entschlossen ein neues Buch heraus. Hans Keilson ist ein Weltstar-Autor. Als „Genie“ bezeichnete ihn die New York Times. Nur in Deutschland ist er noch relativ unbekannt – obwohl er bereits 1932 bei S. Fischer seine Bücher veröffentlichte. Er erzählte mir, dass er Alfred Döblin und Gerhart Hauptmann persönlich kennenlernte. Für die Buchveröffentlichungen bieten wir Journalisten Gespräche mit Hans Keilson an. Die gilt es nun vorzubereiten.

 

Interview: Elisabeth Böker