Bücher zu Interkulturalität und Interreligiosität

Mit Respekt begegnen

25. Februar 2016
von Maren Bonacker
Die "Flüchtlingsfrage" polarisiert: Zu vielen offenen Fragen bieten die Verlage Bücher über Interkulturalität und den interreligösen Dialog. Doch finden Leser die Antworten, die sie suchen?

Die in den Medien geführte Diskussion um Willkommenskultur einerseits und Fremdenfeindlichkeit andererseits spiegelt auch die Unwissenheit vieler Menschen. Angst entsteht, wo Unkenntnis herrscht, das zeigte schon ­Armin Greder in seinem Bilderbuch "Die Insel" (Neuauflage Sauerländer, 40 S., 16,99 Euro), und so wundert es wenig, dass sich engagierte Autoren daranmachen, diese Unkenntnis zu tilgen. Das Ergebnis ist ein bunter Bücherwald an (zum Teil populär-)wissenschaftlichen Sachbüchern, Biografien und persönlichen Erzählungen zum Thema Flucht.
Christine Siering von der christlichen Alpha Buchhandlung in Hüttenberg sieht in dem breit gefächerten Angebot kein Problem: Die Interessen der Kunden in Bezug auf Flüchtlinge und den interreligiösen Dialog seien wie bei jedem anderen Thema sehr weit gestreut. "Wir können unsere Kunden mit ihren individuellen Erwartungen nur deshalb so zielgerichtet beraten, weil wir sie gut kennen. Genau darin liegt die Stärke des lokalen Buchhandels."

Der eine favorisiert Botschaften des Papstes wie "Gott ist barmherzig" (Herder, 144 S., 14,99 Euro), ein anderer braucht stringente Definitionen, wie sie im 2013 erschienenen "Lexikon des Dialogs. Grundbegriffe aus Christentum und Islam" zu finden sind. Das profunde Buch legt Herder im September neu auf (400 S., 24,99 Euro). Ein Dritter kann besser mit dem launig geschriebenen und dabei doch philosophischen Briefroman von Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad und dem deutschen Unterhaltungsautor Hans Rath in die Diskussion einsteigen: "Ein Araber und ein Deutscher müssen reden" (Rororo, 128 S., 10 Euro).

"Bei uns kommt das Thema Interreligöser Dialog gar nicht auf", sagt Susanne Martin, die Inhaberin der Schiller Buchhandlung in Stuttgart. "Für mich persönlich firmieren diese Themen eher unter Zeitgeschichte, und da haben wir auch die Bücher eingeordnet." Bei Martin fragen Kunden gezielt nach Autoren wie Navid Kermani und Ahmad Mansour ("Generation Allah", S. Fischer, 272 S., 19,99 Euro) – "ansonsten schauen sie sich eher selbst in unserem Angebot um. Es geht ihnen primär darum, zu verstehen was da gerade abläuft."

Keine Klischees 
Zu den derzeit meistverkauften Büchern zählt der im November 2015 erschienene und bereits in die vierte Auflage gehende Titel von Gerhard Schweizer: "Syrien verstehen. Geschichte, Gesellschaft und Religion" (Klett ­Cotta, 504 S., 9,95 Euro). Danach interessieren sich die Leser derzeit vor allem für die syrischen Zuwanderer. Schweizer räumt mit abendländischen Klischeevorstellungen auf und informiert fundiert über die syrische Geschichte und Religion. Er leistet damit einen wertvollen Beitrag zum interreligiösen Dialog, obwohl dieser im Buch nicht explizit im Vordergrund steht. Vorrangig setzt sich Schweitzer mit analytischem Sachverstand mit der derzeitigen Situation auseinander und trägt dadurch zu einem besseren Verständnis für die Notlage der Syrer bei.

Um Verständnis werben auch autobiografische Schriften wie die Textsammlung "Hauptsache weg. Flüchtlinge erzählen" (SCM, 192 S., 14,95 Euro) oder Hatune Dogans "Ich glaube an die Tat. Im Einsatz für Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak" (Brunnen, 192 S., 9,99 Euro). Die aus der Türkei stammende und heute im Irak lebende Christin berichtet sehr persönlich von erschütternden Begegnungen mit Opfern einer christenfeindlichen islamischen Welt und hinterfragt den Islam kritisch, ohne dabei islamfeindlich zu sein.

Schwache haben eher Angst 
In Mittelhessen setzt Sortimenterin Claudia Lang von der Buchhandlung Bindernagel auf den unmittelbaren interkulturellen Kontakt. Ihr Engagement bei Veranstaltungen der Flüchtlingshilfe überträgt sich auch auf die Kunden. "Die Nachfrage nach religiösen Büchern hat sich jedoch nicht erhöht", konstatiert ihre Kollegin Andrea Maier aus der Butzbacher Bindernagel-Filiale. "Was allerdings des Öfteren nachgefragt wird, ist Kirsten Boies Bilderbuch ­'Bestimmt wird alles gut' (Klett Kinderbuch, 48 S., 9,95 Euro) sowie arabisch-deutsche Wörterbücher." Zu solch unmittelbaren und praktischen Fragen passt das "Praxisbuch interreligiöser Dialog" (EOS, 496 S., 29,95 Euro), das in 37 Beiträgen Grundlagen, Methoden und gelungene Umsetzungen interreligiöser Begegnungen von Menschen jedes Alters vorstellt, die in Kindergärten und Schulen, in Gemeinden und alltäglichen Begegnungen mit Flüchtlingen umgesetzt werden können. Gezielt an Lehrer richtet sich die Arbeitshilfe "Begegnung von Christen und Muslimen in der Schule" (Vandenhoeck & Ruprecht, 112 S., 19,99 Euro), die dazu anregt, respektvoll miteinander umzugehen, zu beten und zu feiern.

Von Deutschland als Angstgesellschaft, die zwischen Abwehr und Einsatz zerrissen ist, handelt Paul Zulehners schmales Büchlein "Entängstigt euch! Die Flüchtlinge und das christliche Abendland" (Patmos, 128 S., 12,99 Euro). Der Wiener Theologe sieht als Problem "nicht die kraftvoll gläubigen Muslime und Muslimas, die zu uns kommen und unter uns leben. Das Problem sind die vielen schwachgläubigen Christinnen und Christen". Denn wer schwach sei, bekommt eher Angst. Statt einer Abwehr des Islam müsse das Christentum einen fundierten Dialog zwischen den Religionen an Universitäten und im Religionsunterricht führen.

Zulehner setzt dabei, wie auch die Verfasserinnen von ­"Warum wir das schaffen müssen. Flüchtlinge – und was wir als Christen damit zu tun haben" (Brendow, 144 S., 11,95 Euro), vor allem auf christliche Werte und fordert dazu auf, der Bibel gemäß zu handeln. Einen Schritt weiter geht Franz Alt in "Flüchtling. Jesus, Dalai Lama und andere Vertriebene" (Gütersloher Verlagshaus, 176 S., 12 Euro). Er wirbt darin für ein Deutschland, das durch die Zuwanderer toleranter, weltoffener und bunter wird. Heimatlose, so Alt, bereichern unsere Gesellschaft. Es sind solche Bücher mit ermutigenden Botschaften, denen man derzeit die größte Leserschaft wünscht.

Lesetipps von Buchhändlerinnen

Christine Siering, Alpha Buchhandlung in Hüttenberg:
"Ich finde Bert de Ruiters 'Leben teilen – Die Angst vor dem Islam überwinden' sehr empfehlenswert (VTR, 230 S., 14,90 Euro). Daran hat der Leser zwar ein bisschen zu kauen, das Buch macht aber Mut, die eigenen Ängste abzubauen."

Andrea Maier, Buchhandlung Bindernagel in Butzbach:
"Ich empfehle immer wieder Fabio Gedas 'Im Meer schwimmen Kroko­dile' (Btb, 224 S., 8,99 Euro), weil hier das Bewusstsein für die Not der Flüchtlinge auf emotionaler Ebene geschärft wird."

Susanne Martin, Schiller Buchhandlung, Stuttgart:
"Man wird in den Medien mit Informationen derart überflutet, dass man wenig Lust hat, auch noch in Sachbüchern darüber zu lesen. Ich rate deshalb zu Abasse Ndiones Novelle 'Die Piroge' (Transit, 96 S., 14,80 Euro), weil sich der Leser mitten auf dem Flüchtlingsboot wähnt – und versteht."