Dem Deutschen Polen Institut droht das Aus

Kultur auf der Streichliste

20. Juli 2015
von Börsenblatt
Im rheinland-pfälzischen Regierungsentwurfs für den Doppelhaushalt 2014/15 wird der Rotstift bei der Kultur angesetzt: Die Landesregierung plant, die Förderung des DPI ab 2015 komplett einzustellen. Ein Wortbruch.

Die Mitarbeiter des Deutschen Polen Instituts (DPI) wurden am 28. August wenige Stunden vor Veröffentlichung des Haushaltsentwurfs von der Ankündigung vollkommen überrumpelt: „Die Infragestellung der seit 1980 gewährten institutionellen Förderung durch ein Gründungsmitglied des DPI" sei „überraschend und unverständlich" und bedrohe das Institut in seiner Existenz, teilte man in Darmstadt mit.

Genau das will nun eine Petition verhindern, die in einer Woche abläuft und sich gegen die „Konsolidierungsmaßnahmen" von Ministerpräsidentin Malu Dreyer richtet. Bislang haben 3.000 Personen unterzeichnet.

Das Institut, dass der vielfach geehrte Übersetzer Karl Dedecius aufgebaut hatte, gilt durch eine Vielzahl von Aktivitäten und kaum zu überschätzende Netzwerkarbeit (zu nennen wären auch die umfangreiche Bibliothek, Buchreihen, Seminare, Kulturveranstaltungen, Lesungen sowie eine effektive Öffentlichkeitsarbeit) als einer der ersten Adressen, wenn nicht die erste Adresse in der Bundesrepublik zum Thema Polen.

Auch im Nachbarland genießt das Deutsche Polen Institut höchstes Renommee, die „Gazeta Wyborcza" meldete jüngst die vergeblichen Bemühungen polnischer Spitzendiplomaten, „den gewaltigen Fehler" der rot-grünen Landesregierung zu revidieren. Der polnische Präsident Komorowski hatte zuletzt bei seinem Besuch 2010 zum Jubiläum des Instituts die herausragende Bedeutung des DPI für die deutsch-polnische Verständigung zum Ausdruck gebracht. Mehrere Hundert polnische Wissenschaftler und Persönlichkeiten unterzeichneten einen weiteren Protestbrief.

Der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl und Wissenschaftsministerin Doris Ahnen hatten noch 2010 und 2011 öffentlich „das fortwährende Engagement ihres Landes" für das DPI versprochen und sich Applaus abgeholt. Dieses Versprechen scheint nun nichts mehr wert, gerade jetzt, wo der notwendig gewordene Umzug des DPI von der Mathildenhöhe in das Darmstädter Schloss erfolgen sollte.

Mit Unverständnis reagierten nicht nur die hessische Landesregierung, auch Medien wie die „FAZ" und „deutschlandradio" berichteten sachlich, aber in ungewöhnlicher Länge über die angekündigten Sparpläne, die rund ein Viertel des Etats des Institut-Budgets ausmachen. Überfinaziert war das Insittut nie: In der Regel konnten nie alle ausgeschriebenen Stellen besetzt werden, viele Tätigkeiten wären bisher schon ohne weitere Förderer wie die Robert-Bosch-Stiftung undenkbar gewesen.

So finanziert sich das Deutsche Polen Institut

Das Land Hessen trägt 247.150 Eurodie Kultusministerkonferenz trägt 240.100 Euro bei,das Auswärtige Amt 182.100 Euro,Der Anteil des Landes Rheinland-Pfalz liegt bei 218.920 Euro im Jahr, ein Bruchteil der Summe, die das Bundesland für hoch umstrittene Prestigeprojekte wie den insolventen Nürburgring investiert hat.

 Das sagen die Branche und die Hessische Landesregierung zum möglichen Aus:

Olaf Kühl:
„Das DPI ist die zentrale und eine unverzichtbare Stimme im deutsch-polnischen Gespräch. Von Karl Dedecius mit literarischem Schwerpunkt aufgebaut, hat es sich in Richtung Politikberatung und Koordinierung der Polenforschung erweitert. Der Schaden, den die Mittelkürzung bei einer solch hochleistungsfähigen, empfindlichen Institution anrichtet, ist viel größer als der fiskalische Nutzen je wird sein können. Deshalb habe ich die Petition unterzeichnet.“

Carolin Callies:
„Die heutige Wahrnehmung der polnischen Literatur in Deutschland ist ein Verdienst des Deutschen Polen Instituts wie dessen Mitbegründer Karl Dedecius. Welche Spuren das bis heute nach sich zieht, lässt sich allein auch an der Liste der Veröffentlichungen polnischer Literatur ablesen, die bei Schöffling & Co. in den letzten Jahren erschienen ist: seien es die literarischen Stimmen von Autoren wie Olga Tokarczuk, Magdalena Tulli oder Andrzej Bart; oder seien es die anfassenden Zeugnisse des Grauens während des NS-Regimes – erzählt von dem Auschwitzüberlebenden Tadeusz Borowski oder von Marek Edelman, dem Anführer des Aufstands im Warschauer Ghetto. Durch Veranstaltungen mit diesen Autoren, durch Förderung von Übersetzern, durch Workshops mit Kulturvermittlern ist dieses Haus aus Deutschland nicht mehr weg zu denken. Es ist von seinen Verdiensten her viel mehr Institution denn Institut. Daraus folgt die zweite, die kulturpolitische Begründung, warum das Institut unverzichtbar ist und der bisherigen Förderung bedarf:

Wer das Deutsche Polen Institut in Darmstadt noch nicht kennt – und das scheint bei der Regierung von Rheinland-Pfalz der Fall zu sein –, der sollte sich rasch die Aufgaben zu Gemüte führen, die das Polen Institut wahrnimmt und auch auf seiner Homepage aufführt. Das beläuft sich auf fünf Seiten – und ist als Gesamtspektrum so wenig wegzudenken, dass sich jeder Rotstiftgedanke von selbst verbietet. Da ist, kurz zusammengefasst, die Rede von der „großen Wende und Öffnung in Europa“ oder der „Erweiterung des Wissens über den Nachbarn Polen als ein Kernland europäischer Kultur in Geschichte und Gegenwart“. 

Manfred Sapper:
„Das Deutsche Polen Institut ist ein Leuchtturm in der Beziehung zwischen Deutschland und Polen. Vor allem für den literarischen Horizont hierzulande hat das DPI Enormes geleistet. Heute ist die Ausrichtung durch die EU-Erweiterung internationaler geworden - politische Aufklärung und Kulturaktivitäten stehen im Zentrum. Ich hoffe auf das Verantwortsbewusstsein der Landesregierung - die Bedeutung, die das DPI für die Beziehungen zwischen Deutschland und Osteuropa hat, kann man in den 25 Prozent Anteil von  Rheinland-Pfalz bei der Finanzierung gar nicht wiedergeben.“

Joachim Rogall:
„Seit über 30 Jahren leistet das Deutsche Polen-Institut wertvolle Arbeit für den kulturellen Austausch zwischen Deutschland und Osteuropa. Wir hoffen, dass die beteiligten Partner eine Lösung finden, um dieses wichtige Engagement fortzusetzen.“

Ministerpräsident des Landes Hessen, Volker Bouffier:
„Meine Kollegin, Frau Dreyer, hat durch die Streichung des rheinland-pfälzischen Beitrags eine sehr schwierige Situation herbeigeführt. Rheinland-Pfalz gefährdet den Bestand einer hoch angesehenen Institution, die für das Verhältnis zwischen Deutschland und Polen einzigartig ist. Dafür fehlt mir jedes Verständnis. Hessen steht zu seinem Beitrag zum Polen-Institut.“

Katharina Raabe:
„In Rheinland-Pfalz gibt es mit dem Mainzer Polonicum, der Übersetzerschule in Germersheim und der Erinnerung an das Hambacher Fest vielfältige Bezüge nach Polen. Das Deutsche Polen Institut ist für die gesamte kulturelle Verständigung und den geistigen Zugang zum Nachbarland von enormer Bedeutung. Diese Polen-Expertise wurde sehr bewusst und nicht ohne Mühen aufgebaut. Leistungen wie die Polnische Bibliothek und später die Reihe Denken und Wissen kann man sich schlicht gar nicht wegdenken.“
Kolja Mensing:
„Traurig, aber wahr: In Polen interessieren sich alle für Deutschland, aber in Deutschland interessiert sich kaum jemand für Polen. Das muss sich ändern -  und darum muss das DPI natürlich weiterarbeiten können.“
Rainer Weiss:
„Der deutsch-polnische Kulturaustausch lebt vom Hin und Her. Die Schließung des Deutschen Polen Instituts würde diesen Fluss erheblich gefährden. Jene, die hier ihre Sparlust ausagieren wollen, werden sich ihres Rechts berauben, sich Politiker zu nennen. Denn ihnen ist jede Weitsicht – Basis politischen Handelns– abhanden gekommen. Auch die Buchbranche würde dieser Schnitt treffen, wenngleich eher am Rande. Die gewaltige Polnische Bibliothek, die zu Unselds Zeiten bei Suhrkamp entstanden ist, und die Bibliothek 'Denken und Wissen', an deren Zustandekommen ich mit beteiligt war, waren  wundersam reiche Schatzkammern, in denen neugierige Leser immer wieder neuen Abenteuern begegneten. Ja, wir leben in kalten Zeiten.“