Deutscher Hörbuchpreis

Interview mit Moritz Holfelder: „Das geht runter wie Öl“

6. Juli 2015
von Börsenblatt
Architektur ist nur was für die Augen? Von wegen. Drei Hörbücher über Daniel Libeskind, Zaha Hadid und Peter Zumthor machen Baukunst zum Hörerlebnis. Und werden jetzt mit dem Deutschen Hörbuchpreis ausgezeichnet. Ein Gespräch mit Autor Moritz Holfelder, der für seine Idee lange keinen Verlag fand.

Sie haben gleich ein ganzes Hörbuch-Genre erfunden: Die Architekturbiografie. Wie wird man das – Hörbuch-Genre-Erfinder?

Holfelder: Der Auslöser dafür war meine Arbeit als Hörfunkredakteur. Ich bin eigentlich Filmkritiker, habe mich aber immer schon für Architektur interessiert und vor ein paar Jahren Radiosendungen über Peter Zumthor und Zaha Hadid gemacht. Daran hatten die Hörer und ich so viel Spaß, dass ich dachte: Schade, wenn sich das einfach so versendet. Das ist jetzt rund sieben Jahre her, damals war das Hörbuch ein boomendes Segment. Und ich dachte, dass das Format des Dokumentarfilms doch auch auf das Hörbuch zu übertragen sein müsste. Beim Thema Architektur war ich dann eben der einzige, der so dachte.

Haben Sie also fast sieben Jahre gebraucht, um einen Verlag zu finden?

Holfelder: Ja. Ich habe das Konzept immer wieder Verlagen angeboten, aber keiner wollte es haben. Architektur als Hörbuch – ist das ein Witz? Das bekam ich immer wieder zu hören.  Als ich ein Demo-Band auf Empfehlung eines Freundes schließlich 2010 an meinen jetzigen Verlag DOM Publishers geschickt habe, war das wirklich mein allerletzter Versuch. Doch die beiden Verleger zeigten sich auf Anhieb begeistert. Die drei Hörbücher zu Zaha Hadid, Daniel Libeskind und Peter Zumthor sind dann auf einen Schlag erschienen.

Für die Hörbuchreihe führen Sie Interviews mit den Architekten und verweben diese O-Töne sehr dicht mit atmosphärischen Eindrücken und Geräuschen aus den Bauwerken, die Sie vorstellen. Nimmt der Mensch Architektur viel intensiver über die Ohren wahr als man zunächst denken würde?

Holfelder: Absolut. Architektur ist nun mal dreidimensional. Und wenn man ein Gebäude fotografisch abbildet, geht diese dritte Dimension verloren. Das ist beim Hören ganz anders, zumindest bei Stereoaufnahmen: Der akustische Eindruck eines Raumes lässt sich im Hörbuch so wiedergeben, wie Sie ihn auch vor Ort erfahren. Jedes Gebäude hat einen eigenen Klang, gewissermaßen eine „innere Stimme“ – und die versuche ich einzufangen.

Wie reagieren die Architekten auf Ihre Hörprojekte?

Holfelder: Das ist ganz unterschiedlich. Viele sind zunächst sehr skeptisch, andere, die sich selbst auch schon intensiv mit der Verbindung von Architektur und Akustik beschäftigt haben, finden das toll. Peter Zumthor zum Beispiel war sehr offen dafür und hat mein Hörbuch über ihn schon für eine Ausstellung genutzt, als akustische Installation.  Auch die Architektengruppe GRAFT, die ich in meinem vierten und jüngsten Audiobook der Reihe vorstelle, fand die Idee wunderbar – einfach weil es mal ein anderer Zugang zum Thema ist.

DOM Publishers sitzt in Berlin und ist eigentlich ein Fachverlag. An wen richtet sich die Reihe – an das Fachpublikum oder an den interessierten Laien? 

Holfelder: Natürlich versuche ich, Architektur so zu vermitteln, dass jeder etwas damit anfangen kann, dem Hörer auch einen nachvollziehbaren Zugang zur Philosophie des jeweiligen Architekten zu vermitteln. Mitunter sehr sinnlich. Aber ich denke, dass die Interviews auch fürs Fachpublikum sehr interessant sind. Man bekommt einen Einblick in die Arbeitsweise des jeweiligen Architekten. Das Hörbuch über die Berliner Gruppe GRAFT zeigt zum Beispiel, wie überhaupt die Zusammenarbeit in so einem Architekturbüro funktioniert, die Übung des demokratischen Entwerfens und Bauens mit vier gleichberechtigten Partnern. Ich persönlich glaube, dass in solchen Gruppen die Zukunft der Architektur liegt.

Ihre ersten drei Hörbücher werden am 14. März mit dem Deutschen Hörbuchpreis ausgezeichnet, in der Kategorie Beste Verlegerische Leistung. Eine Genugtuung?

Holfelder: Genugtuung – das ist nicht das richtige Wort. Es ist die pure Freude über diese Anerkennung. Wenn die Jury in der Begründung schreibt, meine Hörbücher würden das Unmögliche möglich machen, dann geht das natürlich runter wie Öl. Was mich aber fast noch mehr gefreut hat, war das Feedback einer Hörerin, die mal stundenlang am Flughafen ausharren musste, weil ihr Flug ausgefallen war. Um sich die Wartezeit zu verkürzen, hat sie meine Audiobooks gehört – und plötzlich kam ein Mann auf sie zu und fragte: „Was hören Sie da eigentlich für Musik?  Sie sehen so glücklich aus“. Solche Geschichten erzählt zu bekommen – das ist ein riesiges Lob. 

Was sind Ihre nächsten Hör-Projekte?

Holfelder: Ich habe verschiedene Anfragen laufen, aber ganz konkret arbeite ich im Moment an einem Hörbuch über den brasilianischen Jahrhundertarchitekten Oscar Niemeyer, der kommenden Dezember 105 Jahre alt wird und damit gewissermaßen der Jopie Heesters der Architektur ist. Wenn alles gut geht, dann werde ich im April oder Mai nach Brasilien fliegen, um ihn dort zu besuchen und zu interviewen. Er ist immer noch täglich in seinem Büro.

Zur Person

Moritz Holfelder, Jahrgang 1958, ist Journalist und Autor. Er hat Publizistik und Kunstgeschichte an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität studiert und ist seitdem ständiger Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks und des Norddeutschen Rundfunks. Seine Fachgebiete: Film, Architektur, Bildende Kunst, DDR-Geschichte. 2011 sind von ihm beim Berliner Fachverlag DOM Publishers vier Architektur-Hörbücher erschienen – zu Zaha Hadid, Daniel Libeskind, Peter Zumthor und zur Architektengruppe Graft (jeweils 14 Euro).

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