Die Arbeit zwischen Autor und Lektor 4/6

Zwischen Spoilern und Chicklit

17. Januar 2018
von Börsenblatt
Wenn die Chemie stimmt, kommt es zwischen Lektoren und Autoren zu Aha-Erlebnissen, Glücksgefühlen und Indiskretionen. Heute berichtet Eisele-Verlegerin Julia Eisele über die Arbeit mit Hanni Münzer und deren Roman "Solange es Schmetterlinge gibt".

Julia Eisele: "Mit Hanni Münzer arbeiten zu dürfen ist ein Glück. Denn erstens ist sie Perfektionistin und will dasselbe wie ich, nämlich ein Buch herausbringen, das so gut wie irgend möglich ist. Und zweitens verfasst sie die lustigsten E-Mails. Das hier schrieb sie mir zum Beispiel, als sie mit der Überarbeitung ihres Romans 'Solange es Schmetterlinge gibt' fertig war:

'Chérie, und hier kommen die Schmetterlinge. Ich komme mir jetzt eher wie eine Raupe vor und krieche erst mal aufs Sofa. [...] Danke nochmals für das großartige Cover! Bin noch immer hin und weg. Jetzt bist du dran. Am Anfang habe ich einen kurzen Absatz (Ende des Kapitels 3) in Klammern gesetzt. Wollen wir den Absatz ganz weglassen [...] ? Ich schwanke hier in der Überlegung, dass diese kurze Unterhaltung zwischen Oliver und Jason entweder spoilert oder auch schon ein wenig die Tendenz zu chicklit (Shitlick) hat. Wohl eher beides. Die Frage ist halt, ob wir den Leser gleich auf die richtige Fährte locken sollen. Apropos lecken. Sollen wir Theseus voll über den Fahrradsattel lecken lassen oder nur schnüffeln? Lecken ist natürlich peinlicher für Penelope. (Das sollten wir vielleicht konservieren unter: 'Korrespondenz zwischen Verleger und Autor' und hinten ins Buch anhängen, wie die Macher der DVDs das immer machen, als Take-Outs. Überschrift: 'Was Sie schon immer wissen wollten: Wie entsteht ein Buch – Exklusiver Einblick in die streng geheime und absolut seriöse Korrespondenz. Eiseleleaks.')

Ja, so spaßig kann Le(c)ktoratsarbeit sein. Immer im Dienst der Sache. Und seherische Fähigkeiten hat Hanni Münzer offenbar auch, sie hat gleich geahnt, dass ich Ihre Mails einmal der Öffentlichkeit preisgeben würde."