Die Arbeit zwischen Autor und Lektor 5/6

"Zusammenarbeit wie unter Brüdern"

22. Januar 2018
von Börsenblatt
Wenn die Chemie stimmt, kommt es zwischen Lektoren und Autoren zu Aha-Erlebnissen, Glücksgefühlen und Indiskretionen. Heute berichtet Heyne-Lektor Oskar Rauch über die Arbeit mit Timo Blunck und dessen Roman "Hatten wir nicht mal Sex in den 80ern?" - und Heyne-Hardcore-Verlagsleiter Markus Naegele verrät noch, wie der Autor so tickt.

Markus Naegele: "Bücher mit Musikern haben oft ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten. Dieses kam über den langjährigen Kontakt zu Timo Bluncks Plattenfirma Tapete Records zustande. Ob ich mir nicht mal dieses Teilmanuskript anschauen möge, das könnte mir gefallen. Der Musiker von so legendären Bands wie Palais Schaumburg und Die Zimmermänner hätte da sein Leben als Roman aufgeschrieben. Parallel gäbe es begleitend auch noch ein fertig aufgenommenes Album.
Nun weiß nicht jeder Bassist auch mit Worten umzugehen, doch spätestens bei der sensationellen Beschreibung eines Dance-Battles mit John Lurie war klar: Das müssen wir machen, der kann was. Und so wurde rasch ein Treffen mit Timo und seinem Label ausgemacht, um zu sehen, wie Timo so tickt. Und der tickt gut. Hat eine Meinung, hört zu, ist ein Mann der Tat, kein Schaumschläger."
 

Timo Blunck: "Die Zusammenarbeit mit meinem Verleger Markus Naegele verlief vom 'First Contact' bis zum fertigen Buch wie unter Brüdern. Er kommt aus dem gleichen Stamm, ist Musiker wie ich und das Verständnis zwischen uns war zu jeder Zeit instinktiv, ich fühlte mich immer respektiert und verstanden. Das ist besonders wichtig für einen Debüt-Autor, der bislang noch nichts mit dem Literaturbetrieb zu tun hatte und teilweise mit sanftem Druck durch den Prozess geleitet werden musste. Diskussionen hatten wir Anfangs über die Timeline meines Romans, den ich nicht chronologisch erzählen wollte. Das Problem wurde durch den Vorschlag gelöst, als Erzähl-Klammer die Konversation mit der Psychologin Dr. Schulz einzuführen. Ein toller Kniff, der den Text erst richtig ins Rollen brachte. Es war Markus, der als weiteren Textredakteur einen alten Bekannten von mir, Jürgen Teipel vorschlug, er hatte mich seinerzeit für sein Buch 'Verschwende deine Jugend' interviewt. Ein weiterer Glücksgriff. Der für mich zuständige Lektor Oskar Rauch schließlich überzeugte mich, die zunächst meist in Originalsprache geführten Konversationen zu übersetzen, und ich bin ihm 'very grateful', es macht 'Hatten wir nicht mal Sex in den 80ern?' (die Titel-Entscheidung übrigens auch ein echter Naegele) sehr viel zugänglicher. Zum Abschluss überraschte mich Team Hardcore mit einem grandiosen Cover, Prägedruck und Spot-Lackierung, ein Traum in lila, ein echter Hingucker."
 
Oskar Rauch: "Bei der Textarbeit hatten wir alle Hände voll zu tun, um den Überblick zu behalten. Es geht ja nicht nur um die Achtziger, sondern die Romanhandlung reicht bis ins Jahr 2018. Sein ganzes Leben erzählt der Protagonist, aber nicht chronologisch. Er springt frei assoziierend durch Raum und Zeit und spickt diese Erzählung mit unzähligen Anspielungen und Popzitaten. Timo ist wahnsinnig kreativ, es sprudelt nur so aus ihm heraus. Zum Glück arbeitet er auch sehr sauber. Als professioneller Werber ist er zudem besserwisserische Kommentare gewöhnt – ein Umstand, der dem Lektor vieles leichter macht. Ich finde, das Buch ist großartig geworden, wild und besonders. Und wer will, kann es mithilfe eines alternativen Inhaltsverzeichnisses jetzt sogar chronologisch lesen."