Die BücherFrauen diskutieren über Fluch und Segen der Digitalisierung

"Niemand muss im Food-Truck enden"

13. November 2017
von Sabine Muhl
Die BücherFrauen haben einen neuen Vorstand gewählt - und zum Abschluss ihrer Jahrestagung im Rahmen einer Podiumsdiskussion noch einmal über die Digitalisierung diskutiert. Zu der öffentlichen Veranstaltung gestern in Hamburg kamen rund 130 Mitglieder des Netzwerks und Gäste. 

Moderatorin Katharina Gerhardt wollte von ihren Gästen zunächst eine Einschätzung aus ihrem Berufsalltag hören: Wie beurteilen Expertinnen aus Forschung, Verlag, Einzelhandel und Mitgliederorganisation den unumkehrbaren Strukturwandel? Wenn sogar Margaret Atwood, diesjährige Trägerin des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, bei Wattpad veröffentliche, dann habe die Buchbranche den digitalen Wandel doch eigentlich gut hinbekommen, so Gerhardt. Oder doch nicht?

Für Ute Krauß-Leichert, Professorin für Dienstleistungen im Informationssektor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, ist die Lage klar: Die Digitalisierung sei "natürlich ein Segen", denn sonst wären Preziosen der Buchkunst wie zum Beispiel die Gutenberg-Bibel noch heute "hinter Panzerglas ausgestellt und dürften nur von ausgewählten Fachleuten mit Samthandschuhen" berührt werden. Dank digitaler Aufbereitung könne heute jeder Mensch weltweit über Bibliotheken jede einzelne Seite abrufen. Das sei vor allem für gefährdete Bestände überlebenswichtig: Die Retro-Digitalisierung sichere auch für zukünftige Generationen den Erhalt der Bücher, die sonst unrettbar verloren wären.

Stephanie Krawehl (Lesesaal, Hamburg): "Sichtbarkeit sei überlebenswichtig"

Kommunikation und Vernetzung ist alles. Vor Stephanie Krawehls Buchladen steht eine Schiefertafel: "Ich bestelle jedes lieferbare Buch". Das war ihre Reaktion auf eine Kundenanfrage, "ob sie auch Fachbücher bestellen kann“. Ja, kann sie. Sichtbarkeit sei überlebenswichtig. Man agiere durch die Digitalisierung anders als noch vor ein paar Jahren.

Nachwuchssorgen plagten alle Gäste. "Eine grundsolide Sofortexistenz" bei einer gut eingeführten Buchhandelsübernahme hätte sie garantieren können - aber trotz langjähriger Suche habe sich niemand gefunden, so Carola Markwa, Geschäftsführerin des Börsenvereins Landesverband Nord. Dabei möchte sie "junge Menschen davor bewahren im Food-Truck zu enden".

Der Börsenverein habe zusammen mit anderen ein Projekt erarbeitet, das Ergebnis ist seit der Frankfurter Buchmesse live: www.buchhandlung-gruenden.de. (siehe ArchivKäufer und Verkäufer von Buchhandlungen zusammenbringen). 

"Wir dürfen uns nicht ausruhen"

Das einhellige Fazit aller Diskussionsteilnehmerinnen: "Wir dürfen uns nicht ausruhen." Es gebe auch kein zu früh, was Förderungen betreffe, egal ob es Leseförderung für Kleinstkinder durch frühe haptische Erfahrungen ginge oder die Nachwuchsförderung aus den eigenen Reihen. Das war der einzige Wermutstropfen am Rande der Tagung: Branchennachwuchs war kaum in der HAW, wo die Jahrestagung der BücherFrauen diesmal stattgefunden hat (10. bis 12. November). 

Die BücherFrauen bekommen ein neues Führungsteam 

Die BücherFrauen haben in Hamburg zudem (turnusgemäß) ein neues Führungsteam gewählt – Jana Stahl (Foto), zuletzt 2. Vorsitzende des Branchennetzwerks (Schriftführerin), rückt an die Spitze, ihre bisherigen Aufgaben übernimmt Brigitte Jetschina; die Buchwissenschaftlerin Jana Stahl arbeitet seit 2009 als freie Lektorin und Journalistin, Brigitte Jetschina ist Bibliothekarin und angestellt beim Börsenverein Landesverband Baden-Württemberg. Beide Kandidatinnen wurden mit größer Mehrheit in ihr Amt gewählt – Brigitte Jetschina sogar aus der Ferne; sie musste krankheitsbedingt ihre Reise nach Hamburg kurzfristig absagen. 

Stephanie Hanel, bisher 1. Vorsitzende, verabschiedete sich mit einem kleinen Video, das während der Vollversammlung gezeigt wurde. Sie hatte sich nicht zur Wiederwahl gestellt, da sie ihren Wohnsitz  2017 nach New York verlegt hat. Dank Skype und Smartphone nahm sie aber an der Vollversammlung virtuell teil. 

Für das Amt der zweiten Pressesprecherin wählte die Versammlung die Grafikdesignerin Annalena Weber (Foto, oben) aus Hamburg. Auch sie nahm die Wahl an und unterstützt künftig Heidi Wendelstein (bereits im Amt). 

Die Position der Finanzfrau, die aktuell Ines Heinrich innehat, steht erst 2018 wieder zur Wahl.