Die Deutsche Buchhandlung in Athen

Überleben im griechischen Geschäftsalltag

27. August 2015
von Börsenblatt
Seit 37 Jahren haben die Buchhändlerinnen mit der Deutschen Buchhandlung in Athen einen Laden aufgebaut, der Treffpunkt für den kulturellen Austausch zwischen Griechenland und den deutschsprachigen Ländern geworden ist. Im Interview erläutert Inhaberin Alexandra Konstantopoulou, wie Steuervorauszahlungen und Kapitalverkehrskontrollen die Buchhandlung an den Rand ihrer Handlungsfähigkeit bringen.

Wie hat sich der Ausbruch der Krise in Griechenland auf Ihre Arbeit ausgewirkt?
Zu den schlimmsten Erinnerungen gehören die Krawalle 2008 und 2012, bei denen viele Gebäude im Zentrum Athens durch Brand oder Vandalismus zerstört wurden und wir täglich fürchten mussten, dass unser Laden beschädigt würde. Nur mit persönlichem Einsatz konnte das Schlimms­te verhindert werden; der Schock über die Zerstörung aber ist geblieben. Die Ruinen erinnern uns an die Personen, die in dieser Zeit ums Leben kamen. Die aktuelle Situation gehört zu den schwierigsten Momenten, in denen wir ums Überleben kämpfen.

Wie ist die wirtschaftliche Lage? In Deutschland gibt es das Vorurteil, die Griechen hätten jetzt mehr Zeit und weniger Geld ... 
Nein, viele arbeiten härter und verdienen dabei weniger. Die seit sieben Jahren andauernde Krise hat bei uns im Laden einen substanziellen Einbruch beim Umsatz mit sich gebracht. Wir haben alles unternommen, um uns den neuen Umständen anzupassen, aber die Kapitalverkehrskontrollen dieses Sommers bedeuten die einschneidendste negative Veränderung aller Zeiten.

Welche Kunden kommen zu Ihnen?
Vor allem Griechen, die in Deutschland gelebt, studiert oder gearbeitet haben. Viele möchten den Kontakt zu Sprache und Kultur aufrechterhalten und finden bei uns ein reiches Angebot an entsprechender Literatur und hochwertigem Lehrmaterial. In den letzten Jahren sind viele Griechen dazugekommen, die Deutsch lernen wollen. Dann haben wir eine kleinere Gruppe deutschsprachiger bibliophiler Kunden, die uns die Treue halten und die familiäre Atmosphäre des Ladens genießen. Sehr schön sind auch Besuche von Schulklassen im Laden, die sich anhand des Lesekoffers von Ravensburger und Oetinger vorbereitet haben: Sie präsentieren ihre gelesenen Bücher sowie Bastelarbeiten – mit Motiven aus den Büchern –, die dann bei uns ausgestellt werden.

Bei welchen Warengruppen hat sich die Nachfrage verändert?
An Kochbüchern und Reiseführern besteht heute weniger Bedarf, auch wegen des großen Angebots an Informationen im Internet. Titel aus der Abteilung Philosophie liefen immer recht gut, in letzter Zeit allerdings stellen wir einen Rückgang fest, anders sieht es dagegen bei den Wirtschaftsbüchern aus. Größeren Erfolg haben Kinderbücher aller Altersstufen, wozu nicht zuletzt die Lesekoffer  beigetragen haben, und – bedingt durch die große Auswanderungswelle Richtung Deutschland, Österreich und Schweiz – auch Titel im Bereich Deutsch als Fremdsprache. Gut verkauft sich natürlich alles, was mit Griechenland zu tun hat, vor allem die Krimis von Petros Markaris und Bücher von Nikos Dimou, der sich kritisch-satirisch zur griechischen Gesellschaft äußert.

Arbeiten Sie mit dem Goethe-Institut zusammen?
Bei kulturellen Veranstaltungen haben wir oft die Gelegenheit, einen Büchertisch zu präsentieren. Das hat sich über die vielen Jahre hinweg bewährt und gibt uns die Möglichkeit, den Kontakt mit Deutschlehrerinnen und -lehrern aufrecht zu erhalten.

Spüren Sie Kritik Ihrer Kundschaft an Deutschland?
Glücklicherweise erleben wir praktisch keine Kritik an Deutschland, bestimmten Autoren oder Büchern. Unsere Kunden äußern sich eher über den griechischen Staat und das politische System kritisch, manchmal auch über Europa insgesamt.

Wie wirken sich die neuen Steuergesetze auf Ihre Buchhandlung aus?
Das größte Problem in diesem Zusammenhang ist die Instabilität. Da die Gesetze ständig ändern und wir von einem auf den andern Tag vor neue Tatsachen gestellt werden, ist es extrem schwierig, irgendeine Art von Geschäftsplan zu machen. Der Staat macht mit den Firmen eigentlich, was er will. Dabei richten auch Steuern, die rückwirkend erhoben werden, großen Schaden an. Gerade kürzlich verlangten die Behörden die Bezahlung einer Extra-Steuer, die im Jahr 2013 (!) „vergessen“ wurde. Wer legal sein will, wird dermaßen zur Kasse gebeten, dass es schon fast als Bestrafung empfunden wird. Da sehr viele Geschäfte mit Schwarzgeld gemacht werden, hacken die Behörden auf denjenigen herum, die mit dem Gesetz nicht in Konflikt geraten wollen. Ein hoher und ungerechter Preis. Die neue Regelung einer fast 100-prozentigen Vorauszahlung der Steuern dürfte vielen Betrieben den endgültigen Gnadenstoß geben. Wir finden dies inakzeptabel, können aber wenig dagegen unternehmen. Die hohen Sozialversicherungsabgaben wären gerechtfertigt, wenn dafür auch eine entsprechende Gegenleistung erfolgen würde. Leider ist dies meistens nicht der Fall, was wiederum zu einem Gefühl des Betrogenwerdens führt.

Wie verhalten sich die deutschen Verlage?
Zwei große Verlage und unsere Spedition in Deutschland haben sich beispielsweise bei unserer diesjährigen Schulbuchbestellung für die Deutsche Schule Athen - ein weiterer wichtiger Zweig unserer Kundschaft - sehr entgegenkommend und großzügig verhalten: Klett und Cornelsen sowie Eurobuchlogistik. Dafür sind wir äußerst dankbar. Auch andere Lieferanten zeigen Verständnis und Geduld, aber leider sind manche Zahlungsziele dieser Verlage genau in die Anfangsphase der Kapitalverkehrskontrollen gefallen, so dass uns keine Zeit mehr geblieben ist, unsere Zahlungen zu erledigen. Das hatte eine totale Blockade zur Folge und brachte uns in die sehr schwierige Lage, dass wir bei wichtigen Lieferanten gar nichts mehr bestellen konnten und immer noch nicht können. Den Kunden müssen wir dann das Ganze erst einmal erklären, stoßen aber leider nicht immer auf Verständnis. Schön wäre es für uns, wenn wir von den Verlagen zu besseren Konditionen bestellen könnten, das heißt erhöhter Rabatt und längerfristiges Zahlungsziel. Wir sind uns bewusst, dass gerade letzteres ein Risiko für die Verlage bedeutet. In all den Jahren aber sind wir unseren Zahlungspflichten immer nachgekommen, und wir tun alles, dass sich das auch in dieser schwierigen Phase nicht ändert, nur: Wir brauchen einfach etwas mehr Zeit.

Wodurch kommt die von Ihnen beschriebene Blockade genau zustande?
Wenn wir Banküberweisungen ins Ausland tätigen möchten, müssen wir für jede einzelne Zahlung einen Antrag bei der Bank stellen, was viel Zeit kostet. Trotzdem haben wir es mehrere Male versucht – leider vergeblich. Nach Wochen haben wir aber weder die Erlaubnis noch eine Information in den Händen, wann diese erteilt werden könnte, nicht einmal ungefähr. Bei den Banken gehen täglich mehrere Tausend Anträge ein, und den Firmen, die mit Medikamenten und Nahrungsmitteln handeln, wird der Vorzug gegeben. Verständlich irgendwie, aber trotzdem hart, weil es auch bei uns eilt: Die Schüler der Deutschen Schule Athen brauchen ihre Bücher bis Anfang September, und so suchen wir täglich neue Wege. Aber es ist schwer. Zum ersten Mal in unserer Firmengeschichte befinden wir uns in einer extrem misslichen Lage und fürchten ernsthaft um unser Fortbestehen. Trotz allem – wir geben die Hoffnung nicht auf!