Die Sonntagsfrage

"Ein Jahr geschichten*reich. Wie geht es weiter, Frau Nitsche?"

5. August 2016
von Börsenblatt
Am 16. Juli 2015 eröffnete Nadine Nitsche im hessischen Seligenstadt ihre Buchhandlung geschichten*reich – und verzichtete dafür auf ihre Doktorarbeit. Nadine Nitsche über das vergangene Jahr, ihre mittelfristigen Ziele und das Leben als Buchhändlerin.

Wie es weitergehen soll? Na hoffentlich so wie bisher! Ich bin super glücklich, den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt zu haben und fühle mich sehr wohl in meinem kleinen Laden. Die Stadt Seligenstadt vereint den Einzelhandel unterstützende Kunden mit vielen Touristen und ist deshalb lebhaft und gut frequentiert. Von Beginn an hat es mir in die Karten gespielt, dass da wo ich meine Buchhandlung geschichten*reich eröffnet habe, schon 21 Jahre lang eine Buchhandlung ansässig war. Trotzdem musste ich die Kunden natürlich erst einmal überzeugen und für mich gewinnen.

Das ist mir - auch mit Blick auf die Zahlen - gelungen. Obwohl eine abschließende Aussage noch nicht getroffen werden kann. Seit Februar bin ich Anabelistin, um die Kosten weiter zu senken. Langfristig möchte ich allerdings eine Mitarbeiterin einstellen, was natürlich ein großer Kostenpunkt ist. In den Anfängen fließt natürlich auch viel Geld in die Werbung: Jetzt, da ich in Seligenstadt bekannt bin, erweitere ich den Kreis unter anderem in Richtung Unterfranken. Ein Fehler war allerdings dem Unternehmen Firmentv sehr viel Geld für ein Marketingvideo gegeben zu haben; der Vertag läuft ärgerlicherweise bis 2022! Dabei sollte das Geld Positionen im Online-Werbebereich stärken. Das war das Einzige, das ich rückblickend anders machen würde. Aber gut, lehrreich war es trotzdem: so etwas wird mir nicht wieder passieren.

Insgesamt haben sich meine Erwartungen erfüllt. Ich konnte einen Kundenstamm für mich gewinnen und bekomme viele Komplimente über meine enthusiastische Art, liebevolle Einrichtung, originellen Verpackungen und mein vielfältiges Veranstaltungsprogramm. Momentan gibt es acht Veranstaltungen pro Jahr für Erwachsene und sechs für Kinder. Dabei ist es mir von Anfang an wichtig gewesen, alle Altersklassen und Themen anzusprechen. Zweimal im Jahr gibt es Infoveranstaltungen zu Ratgeberthemen (Demenz dieses Frühjahr, am 20. August zum Thema Autismus). Es gibt eine Plattform für regionale Autoren, Kinderlesung für Kinder ab 2 Jahren, und Bastelnachmittage, um nur einige zu nennen.

Daneben habe ich im April auch einen Leseclub für 10-15-Jährige ins Leben gerufen (ein lang gehegter Traum von mir!), der super angenommen wird. Davon beflügelt, plane ich gerade ein Angebot für kleinere Kinder. Momentan ganz oben auf meiner Agenda steht außerdem die Ausarbeitung eines Blogs, auf dem ich Akzente setzen möchte. Für einzelne inhaltliche Abteilungen wird es dann Schreibpaten geben. Dort sollen auch die Rezensionen und Videos zu Buchempfehlungen aus dem Leseclub auftauchen.

Die Möglichkeit, das geschichten*reich zu eröffnen, hat sich damals per Zufall ergeben und ich bin sehr froh, dass es so gekommen ist. Ich hätte niemals gedacht, meine Arbeit so zu lieben. Die Menschen, denen man im gesamten Buchhandel begegnet sind wunderbar. Ich wollte keinen Tag mehr missen! Begegnet man den Kunden mit einem Lächeln und Empathie, bekommt man so viel zurück. Auch wenn es mal den ein oder anderen unliebsamen Kunden gibt, ist es doch ein wahres Vergnügen Buchhändlerin zu sein! Mein Wunsch für die Zukunft, an dem ich jetzt schon intensiv arbeite, ist es, ein Profil auszubilden, und als Ort der Kommunikation über und mit dem Buch verstanden zu werden.