Die Sonntagsfrage

"Welche Rolle spielen Vertreter für kleine und unabhängige Verlage?"

26. Januar 2018
von Börsenblatt
Jochen Große Entrup kennt beide Seiten: viele Jahre war er als Vertreter in Hessen und in NRW unterwegs, seit  September 2016 ist er Vertriebs- und Marketingleiter im Gmeiner-Verlag. Bei der Jahrestagung der IG unabhängige Verlag vom 1. bis 3. Februar in Tübingen ist Große Entrup bei einer Diskussionsrunde über Tradition und Zukunft der Buchhandelsvertreter dabei. 

Ich werte es mal als gutes Zeichen, dass Sie hier nicht die Murmeltierfrage nach dem Ende der Verlagsvertreter auspacken. Eine Frage, die über Jahrzehnte immer wieder gestellt und letztlich von den Buchhändlern beantwortet wurde: sie fordern Verlagsverteter ein. Nicht als Verkaufsmaschinen, die auf Anweisung des Verlags losmarschieren, sondern als Lotsen durch überfüllte Programme, als Menschen, die mit Empathie für Bücher begeistern, die Veranstaltungen empfehlen und Marketing vor Ort initiieren.

"Buchhändler kaufen immer individueller"

Die Zeiten der Gießkanne im Verkauf sind sicher vorbei. Buchhändler kaufen individueller, auf ihr Umfeld bezogen ein, gehen immer stärker auf ihr wirkliches Publikum zu, sie agieren. Dafür müssen Programm und Marketing auf den jeweiligen Ort, das Konkurrenzumfeld zugeschnitten werden. Eine Aufgabe, die Verlagsvertreter neben dem Verkauf erfüllen, zu der sie vom Verlag aber auch die Mittel erhalten müssen.

In Verlagen hat sich dagegen die Differenzierung zwischen stationärem Buchhandel und Filialisten eingebürgert, was impliziert, dass die Filialisten irgendwie ferngesteuert sind. Bei einigen regiert noch die Gießkanne, die Verteilung von Titel nach Quadratmeter oder Kaufkraft oder anderen undurchsichtigen Kriterien. Für Verlagsvertreter sind sie schwer oder nicht erreichbar.

"Vertreter können Unrundes nicht retten"

Gmeiner muss da anders ticken, ein Verlag, der in den vergangenen Jahren aus den Regionen stark gewachsen ist, sich irgendwo zwischen Klein- und Großverlag befindet mit 80 Originalausgaben pro Halbjahr und allein im letzten Jahr über 800 Lesungen. Das geht nur mit engagierten Vertretern, die ihre Region kennen, offene Ohren haben, Tipps in den Verlag weitergeben und sich permanent einbringen. Wir profitieren mittlerweile nicht nur von ihrem Verkauf, sondern auch von ihrem Input, ihren Titelvorschlägen, Covereinschätzungen und Marketingideen.

Dennoch denken wir oft – nein eigentlich immer – da muss doch mehr gehen! Pack die Ellenbogen aus und mach Druck, ich muss doch der erste in der Tasche sein! Manchmal hilft das, manchmal relativiert es sich auch, wenn man mal mitreist und erlebt, wie Spitzentitel im Angesicht des Buchhändlers zerbröseln, dafür andere in wunderbare Höhen gehoben werden, oder Potentiale von beiden Seiten nicht erkannt werden. Zurück im Verlag kommt die Erkenntnis, dass auch Vertreter nicht die Wunderwaffe sind, die Unrundes retten können. Damit umzugehen, dass die Empathie, die wir an Vertretern so schätzen, sich auch zum Nachteil mancher Titel gereichen kann, will gelernt sein. Denn das oberste Credo des Vertreters muss seine Glaubwürdigkeit gegenüber dem Buchhandel sein.

"Der Kuchen wird zunehmend kleiner"

Das Berufsbild des Verlagsvertreters hat sich in den letzten Jahren verändert, wie auch das des Buchhändlers, des Verlegers. Das Geschäft ist unübersichtlicher geworden. Die Konditionen wurden schlechter, dementsprechend die Taschen voller. Mit der Konzentration der Verlage stieg die Zahl der festangestellten Vertreter. Der Kuchen für die Selbständigen, die ja auch wirtschaftlich agieren müssen, wird zunehmend kleiner. Man freut sich über die vielen alten Hasen, steht aber vor der schwierigen Aufgabe, den Berufsstand für den Nachwuchs attraktiv zu halten.