Die Sonntagsfrage

Kann sich das bibliophile Buch im digitalen Zeitalter behaupten, Herr Henkel?

4. Dezember 2011
von Börsenblatt
Momentan dreht sich in der Buchbranche alles um E-Books und E-Reader. Wie ist es in diesem Umfeld um das schöne Buch, Pressendrucke und Künstlerbücher, bestellt? Eine Antwort von Jens Henkel, der in Rudolstadt die burgart-presse betreibt.

"Die Protagonisten des bibliophilen Buches behaupten auch im beginnenden Zeitalter des E-Books ihre winzige Nische im Buchmarkt. Trotz der scheinbar anachronistischen Herstellungsform (Bleisatz für den Text, Originalgrafiken, feinste Büttenpapiere und Handeinband) in Auflagen von 50 bis 100 Exemplaren hat es eine Überlebenschance, wenn sich Inhalt und Form aktueller Literatur und Kunst nicht verschließen.

Die Bandbreite ist groß. Sie reicht von der traditionellen Buchform bis hin zu Objektbüchern, die Laserschnitt und Digitaldruck verwenden. E-Book und bibliophiles Buch dürften sich jedoch gegenseitig ausschließen. Ersterem fehlt eine wichtige Komponente: haptisches und ästhetisches Vergnügen. Bibliophile Bücher finden Publikum und Käufer gerade wegen ihrer bestaunenswerten kunsthandwerkliche Fertigkeit in der Herstellung, wegen ihres Reichtums an Ideen, Text und Bild in eine adäquate Buchform zu bringen. Ein Aufwand, den sich 'normale' Buchverlage schon seit langem kaum noch leisten können.

Da sich diese Art von Büchern meist in Buchhandlungen nicht finden (der Präsentationsaufwand ist zu hoch, die Bücherpreise sind auch nicht für den Handel kalkuliert) setzt die burgart-presse seit über 20 Jahren auf Messepräsenz in Frankfurt und Leipzig (dort mit einer Sonderpräsentationsfläche 'buch+art'), auf Verlags-Ausstellungen und Lesungen mit den Autoren. Diese Veranstaltungen dienen in erster Linie der Gewinnung neuer Interessenten, die vielleicht eines Tages auch zu Käufern mutieren.

Neben jährlich erscheinenden Verlagsprospekten der burgart-presse ist das Internet die wichtigste Informationsquelle für potentielle Interessenten. Hier finden sie aktuelle Veranstaltungen und einen Überblick über das gesamte Verlagsprogramm. Meine Schwerpunkte sind literarische Erstveröffentlichungen, die mit Originalgrafik zeitgenössischer Künstler korrespondieren.

Problematisch bleibt die 'Überalterung' des Kundenstammes, der noch aus einer Generation stammt, für die der Erwerb eines bibliophilen Buches ein Glanzpunkt der hauseigenen Bibliothek darstellte. Der jüngeren Generation ist heute kaum zu vermitteln, warum Handsatz und Originalgrafik im Buch ein begehrenswertes Gut darstellen, für das zudem hunderte Euro auszugeben wären. Kritisch ist außerdem zu registrieren, dass große Bibliotheken und Museen, die einst auch auf zeitgenössische Buchkunst fixiert waren, immer mehr in ihrem Ankaufsetat beschnitten werden. Somit treten sie nur noch sporadisch als Käufer auf. Damit ist bei einigen Bibliotheken längst der Anschluss an die aktuelle Buchkunstszene verloren gegangen."

Jens Henkel (geb. 1953), Museologe und Historiker, gründete die burgart-presse 1990 in seinem Geburtsort Rudolstadt. Seither sind 140 Titel in seinem Verlag erschienen.