Die Sonntagsfrage

Macht es Sie nicht traurig, Ihren Messestand in fremde Hände zu geben, Herr Haag?

29. September 2013
von Börsenblatt
Der Zürcher Kein & Aber Verlag will seinen beliebten Messestand loswerden: Das gesamte Mobiliar soll nach der Frankfurter Buchmesse in neue Hände gehen − Gebote werden angenommen. Warum der Verlag sich von seinem Schmuckstück trennen und sich entmaterialisieren will, verrät Verleger Peter Haag in unserer Sonntagsfrage.

Eine Alltagsweisheit sagt bekanntlich, man solle aufhören, wenn es am schönsten ist. Und der Messestand von Kein & Aber ist zweifellos einer der schönsten auf der Frankfurter Buchmesse, so schön, dass sich die Messebesucher mit Kameras regelrecht vor ihm drängten und viele scherzhaft fragten, ob sie in den Stand einziehen dürften, um sich dann auf eines der Sofas zu lümmeln und einem guten Buch hinzugeben.

Das zeigt, welchen emotionalen Wert das Lesen beim Publikum nach wie vor besitzt, vorausgesetzt, man gibt ihm den richtigen Rahmen. Erstaunt hat uns allerdings nie die ungebrochene Leselust; erstaunlich ist, dass ein Stand, der wie ein klassisch schönes Wohnzimmer aussieht, das von einer authentischen Bibliothek mit hohen Regalen beseelt wird, die Besucher so begeisterte: Darf man das nicht als Beweis nehmen, dass das Leben in seiner Vielfalt noch immer für sehr viele zwischen Buchdeckeln geborgen ist – und dass diese Sehnsucht nach lebensprallen Geschichten niemals totzukriegen ist?

Unser Standkonzept wollte das Buch in seine natürliche Umgebung zurückführen, sozusagen auswildern, auf jeden Fall weg von der aufgestapelten seriellen Käfighaltung, wieder zurück vom Massenmarketingprodukt zum Träger einzigartiger Ideen. Dabei modern sein, innovativ sogar, nicht nostalgisch.

Die Vermittlung von Inhalten ändert sich und mit ihr auch die Formate. Deshalb soll jetzt Schluss sein mit den Bibliothekswänden. Sie werden verkauft, um einem völlig neuen Standkonzept Platz zu machen. Der neue Stand wird digitaler werden, quasi entmaterialisiert. Die Inhalte sollen noch mehr in den Vordergrund treten; damit reklamieren sie andere Präsentationsformen. Formen, die abbilden, wie die Leute in Zukunft lesen wollen: Was nicht heisst, dass sie es sich nicht wie bisher mit einem gedruckten Buch im Sessel bequem machen. Doch nun kommt etwas dazu – und das soll unser Stand im nächsten Jahr widerspiegeln.

Wir würden uns wünschen, dass sich auch die Frankfurter Buchmesse insgesamt dieser Neuausrichtung anschließt, weg von der reinen Branchenklausur, hin zur Publikumsmesse, ganz im Dienste der Literatur in all ihren prächtigen Facetten. Und das während sämtlicher fünf Messe-Tage, anstatt nur an einem Wochenende.

Fünf Tage, in denen sich (mindestens) die halbe Republik, die Medien sowieso, endlich wieder für Bücher und ihre Autoren interessiert, nicht bloß für ein gutes Dutzend Bestseller. Denn darin genau liegt doch die Chance, die wir als Buchliebhaber von Berufs wegen, ohne zu zögern, für unsere Zwecke nutzen müssen: in den atemberaubend vielen vielfältigen wie vielschichtigen Geschichten, die sich auf der Buchmesse versammelt in traditionellen oder neuen Formen sehen lassen dürfen.

Davon abgesehen, entsprechen vier Jahre eines Konzeptes nicht zufällig einer Legislaturperiode? Und ist es nicht ratsam, statt stets aufs Bewährte, jetzt auf Wechsel zu setzen? Nur so kommt doch Leben in die Bude − und ein bisschen moderne Jahrmarktbude, behaupten wir, ist die Frankfurter Buchmesse. Zum Glück.