Die Sonntagsfrage

"Warum haben Sie Ihr Schaufenster gegen TTIP verhängt, Herr Wagner?"

12. Oktober 2014
von Börsenblatt
Am Messefreitag hatten 23 Frankfurter Buchhandlungen im Rahmen einer Attac-Aktion ihre Schaufenster mit einem Plakat verhängt, um gegen das Freihandelsabkommen TTIP zu protestieren – darunter auch der Ypsilon Buchladen im Stadtteil Nordend. Geschäftsführer Ralph Wagner erzählt, warum er sich an Aktion beteiligt hat.

Attac hat uns angesprochen und die Aktion vorgestellt − natürlich waren wir gleich dabei. Denn wir halten einen Protest gegen das Freihandelsabkommen für sehr wichtig. Am Freitag haben wir dann unsere Schaufenster verhängt, und die Reaktion der Kunden war durchaus positiv. "Ah, dass wusste ich gar nicht, was das Abkommen für Konsequenzen hat", hörten wir etwa, und wir mussten erklären, was TTIP konkret für den Buchhandel bedeuten würde.

Meiner Ansicht nach hätte das Abkommen Auswirkungen in verschiedenen Stufen: Zuerst wären die Verlage betroffen, weil es ein erklärtes Ziel von TTIP ist – das vermute ich – die Buchpreisbindung aufzuheben. Das würde den kleineren und mittleren Verlagen eine solide Kalkulation sehr erschweren. Die Folge: Unsichere Titel würden gar nicht mehr gedruckt. Letztlich würde das zu einer Verarmung der kulturellen Vielfalt führen. In der zweiten Stufe sind dann die Buchhandlungen und Kunden direkt betroffen. Wenn es die Buchpreisbindung nicht mehr geben sollte, entstünde ein unglaublicher Preisdruck bei den Bestsellern, die immer billiger würden. Und für die anderen Titel, das haben die Nachbarländer ohne Buchpreisbindung gezeigt, ist eine eklatante Verteuerung zu erwarten. Ich schätze, bis zu fünf Prozent der Bücher würden weniger kosten, aber 95 Prozent teurer werden. Nicht nur das: Ich befürchte damit eine Verknappung des Kulturguts Buch. Also: Bücher brauchen einen besonderen Schutz, damit es erst gar nicht so weit kommt! Insofern steht unser Buchladen hinter der Attac-Aktion. Am Samstag gab es außerdem einen europaweiten Aktionstag, auch mit einer Veranstaltung auf dem Frankfurter Römer. Mit diesen und weiteren Aktionen sollen eine Million Unterschriften gegen das Freihandelsabkommen gesammelt und in Brüssel vorgelegt werden.

Für mich ist nicht die primäre Frage, welche wirtschaftlichen Folgen das Freihandelsabkommen für unsere Buchhandlung hätte, sondern welche gesellschaftspolitischen Konsequenzen dahinter stehen. Darüber kann ich allerdings nur spekulieren. Zu befürchten ist eine grandiose Verarmung der Kulturlandschaft. In aller Munde ist das ominöse Klagerecht, mit dem etwa ausländische Wettbewerber gegen die Kulturförderung hierzulande vorgehen könnten. Da ist ganz viel möglich, aber ich will den Teufel nicht an die Wand malen.

Insofern hoffe ich sehr, dass es weitere Aktionen gegen das Freihandelsabkommen gibt. Wir halten, wie gesagt, das für sehr wichtig und haben unser Schaufenster gern dafür verhängt. Je mehr Kunden informiert werden, desto besser.

 

Informationen zu den Aktionen, die Attac in mehreren Städten organisiert hat, finden sich auf der Website "Ich bin ein Handelshemmnis". Dabei sollen auch Unterschriften für eine sogenannte Selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative gesammelt werden. An der Unterschriftenaktion beteiligen sich laut Attac mehr als 240 Organisationen aus 21 EU-Ländern. Die Forderung an die EU-Kommission lautet, dass Verhandlungsmandat für TTIP aufzuheben und das kanadische Pendant CETA nicht abzuschließen.