Die Sonntagsfrage

Wie geht’s jetzt weiter mit der Initiative Fairer Buchmarkt, Nina George?

15. Juli 2015
von Börsenblatt
Im August 2014 starteten acht Autorenverbände die "Initiative Fairer Buchmarkt", um gegen Amazons Bücher-Politik im Konditionenstreit mit Hachette und Bonnier zu protestieren. Den Offenen Brief an Amazon unterzeichneten über 2.000 Autoren. Jetzt hat die Initiative nachgelegt – mit der "Aktion Lieblingsbuch". Die "Fairer Buchmarkt"-Koordinatorin Nina George blickt zurück und voraus, verrät was 2015 ansteht.

Deutschsprachigen Autoren und Autorinnen war bis August 2014 ein klar definierter Job zugeteilt: Bücher schreiben (bitte schnell, billig, erfolgreich) und ansonsten die Klappe halten! 

Es gab keine Tradition der politischen, mitmischenden Autorenschaft, wir sind Einzelkämpfer, ohne einen starken Verband wie etwa die Authors Guild (USA), die die Rechte der Autorenschaft vertritt. Wir beäugen uns misstrauisch von den Ufern U und E, Zeigefinger-Literaten meiden die Crimequeens, Indies die Verlagsautorinnen. Über Geld, Verträge oder Angst vor eBookpiraten redet man nicht, gejammert wird am Küchentisch, aber selten in der Öffentlichkeit – aus Angst, getrollt zu werden. Jeder steht alleine da.

Dann kam Amazon. Und verbannte im Rabatt-Streit gegen Hachette und Bonnier mal eben rund 1.500 Autorinnen aus ihrem Angebot − stellte sie etwa auf "nicht lieferbar", "nicht auf Lager" und es gab keine Vorbestellmöglichkeit mehr. Auch die eBooks waren zeitweise einfach verschwunden, sprich, nicht gelistet. Monatelang. Alle sahen zu. Niemand handelte. Mal wieder nicht.

Das war der Augenblick, in dem die kollektive Toleranzschwelle der Autorenschaft überschritten war: Uns reichte es. Sowas von. Wegen Amazon. Und wegen allem.

Eine Handvoll Pragmatiker aus den Verbänden BVjA, Syndikat, PEN und VS tat sich zusammen, lud andere Verbände ein und gründete in hektischen Augustnächten die "Initiative Fairer Buchmarkt". Erste Amtshandlung: Ein Offener Brief an Amazon, von über 2.000 Autorinnen gezeichnet – u.a. von Herta Müller und Elfriede Jelinek, Julie Zeh und Ferdinand von Schirach. Als ihre Mails rein kamen, habe ich geweint vor Erleichterung: wir waren auf dem richtigen Weg! Zwar erhielten wir nie von Jeff Bezos eine offizielle Antwort. Eine inoffizielle sehr wohl, die zu meinem Highlight der fiebrigen Aktion gehörte: Mit diesem Autorenaufstand hatte niemand gerechnet. Man wusste zwischen Seattle und München einfach nicht, wie man sich mit diesen neuerdings lauten, widerstandsbereiten Autoren auseinander setzen sollte.

Wir waren der neue, unberechenbare Faktor.

Lieber Buchmarkt: Das wird ab jetzt häufiger vorkommen.

Die Initiative Fairer Buchmarkt ist das logische Ergebnis einer Frustrationskette für Autoren (halbgare Verträge, mangelndes Wohlverhalten, politische Gleichgültigkeit, das Gefühl, von zu vielen gegängelt und angetrieben, aber von wenigen geschätzt und respektiert zu sein), und entsprechend heißhungrig wurde sie aufgenommen. Andererseits ist sie der Ausdruck einer Autorenschaft in Deutschland, die das Stillhalteabkommen beendet: Wir werden uns ab jetzt einmischen.

Wir wollen Lösungen "FÜR" finden. Wie etwa bei unserer "Aktion Lieblingsbuch" FÜR den unabhängigen Buchhandel. Dieser verkauft versandkostenfrei (!) handsignierte Werke − von Daniel Glattauer bis zum neuen Bestseller von Rebecca Gablé. Wo es welchen Titel signiert zu kaufen gibt, sammeln wir auf www.aktion-lieblingsbuch.com. In nur zwei Wochen machen bereits 200 Autorinnen mit 550 Titeln und 65 Buchhandlungen mit; die Idee kommt extrem gut bei den Leserinnen an. Wir etablieren diese charmante Aktion als Dauer-Läufer − ich möchte eines Tages in allen 4.000 Buchhandlungen Deutschlands handsignierte Bücher bestellen können! (und suche bei der Gelegenheit ein paar freiwillige DateneinpflegerInnen…)

Wie es weitergeht? Nur, weil Amazon und Bonnier sich einigten, heißt das nicht, dass alles Plüschrosa ist. Es gibt noch viel zu tun, FÜR einen faireren Buchmarkt. Vertragsrecht, Lizenzrecht, Urheberrecht − wir wollen z.B. dem Normvertrag einen "Agenturvertrag" gegenüber stellen, der zeigt, was möglich ist und wo die Fallstricke liegen. Wir wollen über Honorare, eBook-Tantiemen, die unsägliche Kindle-Unlimited-Flatrate, die manchen Indiepublishern bis zu 75 Prozent Umsatzeinbußen beschert hat, aufklären. Wir wollen internationale Rechts­durchsetzung gegenüber eBookpiraterie. Die Anerkennung des eBooks als Kulturgut. Aberkennung des Begriffs "Verlag" für Druckkostenzuschuss-Druckereien. Wir wollen gute, schöne, wichtige, schwierige Bücher schreiben. Wir wollen kein billiges Maschinenfutter für Gerätehersteller sein.

Jeder der ehrenamtlich Engagierten des Teams – Anwälte, Autorinnen, Doppel­jobber, Rechercheure, Zeitungsausträger, Informatikerinnen, Philosophen, Ethnologen, Handwerker – jeder ist davon überzeugt, dass es nötig ist, mitzumischen. Und dafür geben wir unsere Freizeit her. Natürlich fragen wir uns, wann wir zum Bücherschreiben kommen – aber andererseits müssen wir jetzt dafür kämpfen, dass das Bücherschreiben auch in Zukunft noch als Beruf und nicht nur noch als Two-Cent-Hobby möglich ist.

PS: Etwa zur FaM-Buchmesse 2015 wird die Initiative Fairer Buchmarkt die nächste Aktion vorstellen. Ich freue mich jetzt schon auf das eine oder andere überraschte Gesicht, was sich diese anstrengenden Autorinnen jetzt schon wieder ausgedacht haben.