Die Sonntagsfrage

Flüchtlingen begegnen in Ihrer Buchhandlung – wie kann das gehen?

8. Dezember 2015
von Börsenblatt
Das Aktionsbündnis "Wir machen das" will Buchhandlungen zum Ort der Begegnung mit Lesern, Buchhändlern, Bibliothekaren und anderen Büchermenschen aus Flüchtlingsheimen machen. Die Autorin Annika Reich erklärt, wie das funktionieren kann.

Seit einiger Zeit kommen Menschen nach Deutschland, die uns mehr oder weniger fremd sind, und wir fragen uns: wie wollen wir mit ihnen leben? Wollen wir so weiterleben wie bisher, oder wollen wir gemeinsam ein anderes Leben gestalten?

Mich treibt diese Frage und ihre Umsetzung so sehr um, dass ich seit Monaten nicht mehr an einem neuen Roman schreibe, sondern meine Zeit mit Behördengängen mit einer äußerst humorvollen irakischen Familie, Diskussionen mit syrischen Journalistinnen und dem Aufbau eines Aktionsbündnis verbringe. Man kann keinen Roman schreiben, wenn man täglich mit der Bitte um die Organisation von 20 Paar Kindergummistiefeln oder um eine Unterkunft für einen blinden Mann aus Aleppo angerufen wird. Um einen Roman zu schreiben, braucht man einen freien Horizont, und den habe ich momentan nicht. Ich zweifle übrigens keinen Moment daran, mir diese Zeit zu nehmen. Ich habe mich ja dafür entschieden.

Je länger ich das mache, desto mehr wünsche ich mir Räume, in denen die Menschen, die hierher gekommen sind und wir uns kennenlernen können. Viele meiner Freunde und Bekannte und alle Geflohene, die ich bisher getroffen habe, wollen genau das, wissen aber nicht, wie und wo.

Und hier kommen die Buchhandlungen ins Spiel. Sie sind wie dafür geschaffen, ihre Räume zu öffnen. Menschen, die in Buchhandlungen gehen, wollen Geschichten von anderen Menschen entdecken, und Buchhändler haben die Vermittlung der Geschichten anderer Menschen zu ihrem Beruf gemacht. Es könnte also nicht besser sein.


Wie könnte das konkret aussehen?

Die BuchhändlerInnnen würden eine/n BuchhändlerIn, BibliothekarIn, AutorIn oder begeisterte LeserIn aus einer Flüchtlingsunterkunft in ihrer Nähe einladen, einen gemeinsam Abend zu gestalten. Man könnte aus einem Lieblingsbuch vorlesen – in der Originalsprache und auf Deutsch, einen Erzählsalon oder ein Vorlesen für Kinder veranstalten. Sie würden eine/n ÜbersetzerIn finden und die Moderatorenrolle übernehmen. Ihre Kunden und Bewohner der Flüchtlingsunterkunft wären Ihre Gäste. Ich bin mir sicher, dass viele Ihrer Kunden gerade ehrenamtlich aktiv sind bzw. es gerne werden wollen und einige schon Kontakte mit Flüchtlingshilfe-Organisationen haben. Wenn es Ihnen gelingt, dass es nach der Lesung und dem Gespräch zu einem Austausch in Ihrer Buchhandlung kommt, bei dem Beziehungen geknüpft werden können, dann ist der wichtigste erste Schritt geschafft.


Wer sind die Initiatorinnen?

Die Lesungsreihe ist Teil der Wir machen das – Bewegung, die im Januar mit einer großen Medienkampagne starten wird. Wir machen das ist ein Aktionsbündnis für all die Personen und Initiativen, Projekte und Organisationen, die sich für ein gelungenes und dauerhaftes Zusammenleben einsetzen. Wir kooperieren mit zahlreichen kulturellen und wissenschaftlichen Institutionen (Theater, Universitäten etc.). Es wird eine Website im Magazin-Format geben – mit einem „Best of“ der Initiativen, Aktivitäten und Organisationen sowie einem ständig aktualisierten „Perlentaucher“ der Berichterstattung zu Flüchtlings- und Asylpolitik. Auf dieser Website werde ich regelmäßig von den Lesungen berichten und auf die Veranstaltungen hinweisen. Dort werden für Sie auch Handzettel und Plakate als Downloads bereit stehen. Das Börsenblatt, der Börsenverein und ZEIT-Online begleiten uns und aspekte (ZDF) wird in einer Sendung über Wir machen das berichten und Spots drehen. Hier werde ich auch die Lesungsreihe vorstellen können.

Wir machen das wurde initiiert von einem Netzwerk aus 100 Künstlerinnen, Autorinnen, Galeristinnen, Wissenschaftlerinnen, Journalistinnen, Musikerinnen und Intendantinnen. Tatkräftig unterstützt wird die Lesungsreihe von Felicitas Feilhauer aus dem C. Hanser Verlag.

Für Rückfragen stehe ich Ihnen sehr gerne zur Verfügung: mail.annikareich@googlemail.com