"Kommst du mit weinen" hieß es im Buchhandelstreff auf Facebook, als die Meldung von Lernando draußen war. Tatsächlich ist Lernando eine Katastrophe, weil mit der Plattform das Schulbuchgeschäft am Buchhandel vorbei abgewickelt werden soll. Der Handel wird von Westermann übergangen. Wir Sortimenter können uns auch nicht einfach für ein anderes Schulbuch entscheiden und den Verlag boykottieren. Ein Händler-Portal zur Verwaltung der Vormerker gibt es beim VSB-Verlagsservice Braunschweig der Westermann-Gruppe nicht – stattdessen gibt es jetzt ein Endkundenportal.
Falsche Liefertermine und –orte, schlechte Konditionen - das Schulbuchgeschäft ist mühsam, aber am Ende durch die Masse auch lukrativ. Bei uns im Bendorfer Buchladen macht das Schulbuchgeschäft – abhängig von den öffentlichen Aufträgen - 20 bis 40 Prozent vom Jahresumsatz aus. Außerdem bringen Schulbücher und Lernhilfen neue Kunden in den Laden.
Auch die Klett Gruppe bietet mit der Versandbuchhandlung Julius Weise’s Hofbuchhandlung seit mehr als 30 Jahren einen verlagsübergreifenden Schulbuch-Rundum-Service an. Das macht Lernando aber nicht besser. Die Dreigliedrigkeit des Buchhandels wird immer weiter unterlaufen. Dank der Verlage wird ein immer kleiner werdender Kuchen für uns Buchhändler noch kleiner. Je nachdem wie intensiv Westermann seinen Service jetzt bewirbt, werden wir das in der Kasse spüren. Die Kontakte zu den Schulen hat der Verlag ja. Ganz so einfach dürfte es für Westermann aber nicht werden. Das Schulbuchgeschäft ist nämlich knifflig. Da werden in den Schulbuchlisten immer wieder Nummern vertauscht, es gibt Zahlendreher, Fehler jeder Art. Außerdem ist den Schulen ein Ansprechpartner vor Ort wichtig, der mitdenkt und im Zweifelsfall schnell reagieren kann. Das ist das Pfund, mit dem wir Buchhändler wuchern können!
Was hier beim Schulbuch passiert ist ja keine Überraschung. Ich erinnere an die These 15, die wir auf der Hauptversammlung 2011 diskutiert hatten: "Das Schulbuchgeschäft und die zugehörigen Deckungsbeiträge werden bei den meisten Buchhändlern verschwinden. Das Volumen wird zurückgehen und sich auf bestimmte Händler konzentrieren, die Print und Elektronik parallel anbieten können." (http://www.boersenverein.de/sixcms/media.php/976/50%20Thesen.pdf)
Überraschend finde ich viel mehr, dass es ausgerechnet ein Schulbuchverlag ist, der eine Versandbuchhandlung gründet. Dabei hätte es dafür genug Spezialisten gegeben, die das auch und früher und vermutlich mit mehr Expertise gekonnt hätten.
Zum Heulen ist, dass es in der Branche nie gelungen ist eine gemeinsame Versandbuchhandlung als buchhändlerische Genossenschaft zu gründen, die genau solche Funktionen für die stationären Sortimenter hätte übernehmen können. Eine solche ist ja immer daran gescheitert, dass am Ende der Warenkorb des einzelnen Buchhandlung dominant sein sollte, was weder bei Libreka noch bei buchhandel.de die Kunden akzeptiert haben. Und dabei wäre ausgerechnet beim institutionellen Geschäft und dem Schulbuchgeschäft eine Lösung über die Vorauswahl der Buchhandlung sogar kundenfreundlich gewesen.
Es ist ein Jammer, dass durch solche Verschiebungen dem stationären Sortiment Deckungsbeiträge verloren gehen, und dadurch insgesamt dem Bildungsstandort Deutschland Schaden zugefügt wird und langfristig durch ein schwächeres Leseverhalten alle Verlage auch Umsatzeinbußen haben werden. Nach den Verschiebungen bei Fachmedien und bei Wissenschaft und Lehrbuch ist das nun die dritte Säule, auf der das flächendeckende Buchhandelssystem beruhte. Den Markt und die Buchkultur macht das schwächer.
PS: die genossenschaftliche Lösung wäre ja immer noch möglich!
Was regt ihr lieben Kollegen euch über Lernando, die hübsche Plattform mit dem zeitgeistlichen Kunstnamen auf?
Ist dieser Schritt nicht schon längst überfällig, bzw. absehbar gewesen?
So wie Westermann verhalten sich mittlerweile doch, bis auf wenige Ausnahmen, fast alle großen Schulbuchverlage.
Der Buchhandel steht diesen Unternehmen bei ihrer Gewinnmaximierung definitiv im Weg. Deshalb wird der Buchhandel auch nach und nach immer weiter ausgeschaltet, bzw. verdrängt.
Genau der Buchhandel, der diese Verlage in der Vergangenheit groß gemacht hat.
Und jetzt?
Schaut einmal der Buchhändler selbst auf Gewinnmaximierung, dann würden Schulbücher aber augenblicklich aus dem Sortiment fliegen, da der allgemeine Höchstrabatt bei 25% liegt und dieser durch den Verlag gewährte Rabatt letztlich unwirtschaftlich ist. Selbst, wenn dann noch weitere Rabattzusagen seitens des Verlages in Aussicht gestellt werden, so lohnt sich der Aufwand in keiner Weise.
Westermann ist gerade dabei, einen eigenen Endkundenvertrieb auf die Beine zu stellen und versucht mit der Plattform, weitere Vertriebswege zu schaffen.
Das versuchen dann auch noch diverse Publikumsverlage und: SCHEITERN.
Sehen wir doch gerne den Westermännern beim langfristigen Scheitern zu. Ein wenig Hilfe beim Scheitern kann der Buchhandel sogar selbst leisten.
Wenn die Westermänner meinen, ihre Buchhändler quälen zu müssen, dann kann der Buchhändler das natürlich genau so in umgekehrter Weise.
Also, liebe Buchhändler, seit kreativ und vor allem ungehorsam.
Wie der Spiess umgedreht wird, sieht man an einem recht aktuellen Beispiel: Bastei Lübbe.
Ach ja, @ Matthias Ulmer:
Durch die Auslistung von Schulbuchverlagen geht keinem Buchhändler die Handelsspanne verloren, wenn er den frei werdenden Platz anderweitig besetzt. Im Gegenteil, wenn er ganz genau rechnet, fehlt nur ein gewisser Umsatz aber nicht der Gewinn.
Was Ihr Gedankenspiel mit der genossenschaftlichen Versandbuchhandlung angeht, ist es fraglich, wen Sie a posteriori dafür gewinnen möchten? Wer wird die Investition tragen, wer die laufenden Kosten? Und was ist mit den Buchhändlern, welche sich nicht daran beteiligen möchten?