Die Sonntagsfrage

"Warum müssen Sachbücher schön sein, Herr Wagner?"

13. Juli 2018
von Börsenblatt
Die Edition Zeitblende hat 2017 mit illustrierten Heften angefangen, im Herbst legt das Imprint des AT Verlags sein erstes Buchprogramm vor: 6 schön gestaltete, erzählende Sachbücher.  Wie viel Aufwand in die Ausstattung gesteckt wurde, warum das nötig ist und wen die Edition Zeitblende begeistern möchte, erklärt ihr Herausgeber Gerd Wagner.

Sachbücher sollten in jedem Fall schön sein. Heutzutage erst recht. Da gibt es so Einrichtungen, die nennen sich Google, Yahoo oder ähnlich. Wenn ich etwas nicht weiß, kann ich dort fragen. Die Antworten sind schnell, effizient und meist zutreffend.

Wenn ich allerdings mehr wissen will, mich in ein Thema vertiefe, greife ich zum Buch. Es soll mir Begeisterung für den Inhalt wecken. Dazu muss ich das Buch gern in die Hand nehmen. Es soll mir Freude am Denken bringen. Es ist eine ausgefeilte Ästhetik und etwas Geschick nötig, den modernen Menschen vom Buch zu begeistern und ihn daran zu fesseln.  Der Aufwand, den man dazu betreiben muss, ist enorm. Man sollte nur die besten Autoren und Grafiker an solche Bücher setzen, denn davon hängt ab, wie viel und an wen man etwas vermitteln kann. Um es an einem Beispiel zu erklären: Mathematik gilt als dröge und furchteinflößende Wissenschaft. Wenn man aber einen Autor findet, der Formeln mit Rilke erklären kann und dem einen Buchgestalter zur Seite stellt, der daraus  -  mit Hilfe von über 200 Federzeichnungen  - ein extrem schönes Buch macht, das zeigt welche Schönheit in der Mathematik steckt, hat man damit dem Leser einen völlig neuen Zugang verschafft. So ist "Die Bändigung der Unendlichkeit" entstanden.

Die Themen, derer wir uns annehmen, sind absolut vielfältig und reichen von  wissenschaftsnahen Titeln bis an die Grenze zur Belletristik. Das kann man an unserem ersten Programm sehr gut ablesen - schauen Sie auf unsere Internetseite. Unsere Bücher sind jeder digitalen Darstellung überlegen, weil man sie nicht nur lesen und anschauen kann, sondern sie in die Hand nimmt, ihre Haptik spürt. Sie besitzen als Gegenstände eine solche Schönheit, dass man sie einfach besitzen will.

Hier wird auch unsere Anbindung an den AT Verlag nachvollziehbar. AT macht schöne Kochbücher, bei denen das jeweilige Rezept nur einen Aspekt darstellt. Sie bereichern die Küche. Ist es da nicht naheliegend, dem ein gutes Sachbuchprogramm zur Seite zu stellen?

Unsere Idee richtet sich an ein Publikum, das sich sowohl für klassische Sachbuchthemen interessiert, als auch dem gesellschaftlichen Diskurs gegenüber aufgeschlossen ist. Wir werden uns, wie man auch sehen wird, nicht vor kontroversen Diskussionen fürchten.

Wenn ich mir anschaue, mit welcher aufgeschlossenen Neugier auf unser erstes Programm reagiert wird, bin ich sehr zuversichtlich. Das gilt sowohl für die Presse, andere Verlage - wir haben erste Anfragen aus dem Ausland, als auch für den Buchhandel, der außerordentlich interessiert ist an dem, was da entsteht. Auch Buchhändler brauchen heutzutage Mut!

Wir könnten schon jetzt sehr viel mehr machen, wenn unsere Bücher nur nicht so aufwendig wären. Sie stammen eben nicht aus der Retorte. Alles wird handgemacht, ist individuell und mit großer Sorgfalt behandelt! Daher bleiben wir vorläufig bei 10 Büchern im Jahr: 4 im Frühjahr, 6 im Herbst. Derzeit bereite ich das Frühjahrsprogramm 2019 vor, das noch einmal ganz andere Akzente setzen wird als das erste. Ehrlich, ich bin oft selbst verblüfft,  was aus unseren Diskussionen und kleinen Kämpfen dann entsteht. Wenn man schöne Bücher machen will, kann man das nur im Team.

Wir haben uns ja einen Slogan ausgeliehen, der unserem Dichterfürsten schlechthin zugeschrieben wird. So augenzwinkernd wir das auch getan haben, irgendwie trifft es unsere Wünsche: Mehr Licht!