Die Sonntagsfrage zum Thema Tolino-Allianz

"Was halten Sie eigentlich vom Tolino, Herr Stöppel?"

10. März 2013
von Börsenblatt
"Das eigentlich Revolutionäre am neuen Tolino ist sicher nicht das Gerät", findet E-Reader-Spezialist Robert Stöppel. Warum er trotzdem hinter dem Projekt steht und was seine Kunden über die neue Plattform denken, berichtet der Weilheimer Sortimenter (Buchhandlung Stöppel) in unserer Sonntagsfrage. 

Spät, aber noch nicht zu spät haben die drei Großen der Buchbranche erkannt in welche gefährliche Richtung sich der E-Bookmarkt entwickelt und sie haben zusammen und konsequent gehandelt. Wem jetzt noch nicht klar ist, welche Umwälzungen und Verwerfungen dem Buchhandel bevorstehen, dem ist nicht mehr zu helfen.

Das eigentlich Revolutionäre am neuen Tolino ist sicher nicht das Gerät. Das ist schlicht und einfach ein schickes, ordentliches Lesegerät, das auf die aktuellen Kundenwünsche (Touch, Wlan, Beleuchtung, schnell und ordentliche Haptik) sehr gut abgestimmt ist. Da haben Weltbild, Thalia und Bertelsmann aus ihren bisherigen Erfahrungen gelernt und ihre Hausaufgaben gemacht. Auch die Cloudanbindung ist ein nettes, verkaufsförderndes Feature - aber vor allen Dingen ein Marketingcoup, dessen praktischer Nutzen sich erst zeigen wird.

Das Revolutionäre ist das gemeinsame Auftreten und das entschlossene Eintreten für einen "freien" Reader. Meine Erfahrung im alltäglichen Verkauf zeigt immer wieder wie wenige Kunden - und auch Buchhändler- wissen, dass Amazon mit seinem Kindle ein komplett geschlossenes System bildet, daß den Kunden "auf ewig" bindet.

Erklärt man dem Kunden, daß sie mit den Readern aus der Buchhandlung unabhängig und vor allem auch regional vor Ort ihre Ebooks beziehen können ist der Kunde gewonnen. Auch der Hinweis auf die öffentliche Onlineausleihe, die einem beim Kindle verwehrt ist, ist ein perfektes Verkaufsargument. Den Satz "Klasse, dann muss ich nicht bei Amazon einkaufen" habe ich im Weihnachtsgeschäft durchaus öfters gehört.

Genau das ist auch das eigentlich Positive am Tolino für den ganzen Buchhandel. Der Kunde, der sich für einen freien Reader entscheidet kann überall seine Ebooks kaufen. Ich kann dem Weltbildkunden, der bei mir im Laden stöbert, ohne Probleme über die Barsortimentsanwendungen sein gewünschtes Ebook per Mail an seinen Tolino schicken. Oder ich kann dem Thaliakunden im Laden meinen Onlineshop empfehlen. Ich muss es nur tun!

Sehr schade ist, dass der unabhängige Buchhandel nicht gleichzeitig mit dem aktuellen Marketing starten kann. Eine Zusammenarbeit des Verbandes mit den Großen der Buchbranche hätte, meiner Meinung nach, auch den unabhängigen Buchhandlungen wohl mehr gebracht als alle Trekstors, Librekas, Whitlabelshops zusammen.

Ich hoffe, daß der Verband sich auf seine Aufgabe des "Verbindens und Vernetzens" erinnert und auch wirklich jede Buchhandlung möglichst schnell die Möglichkeit hat viele Tolinos (oder heisst es Tolini) zu verkaufen, auch wenn der Kunde seine E-Books dann "frei und ungebunden" im Club oder bei Thalia bestellt.

Und dann sind wir wieder in der "guten alten Zeit" und endlich in der gleichen Konkurrenzsituation wie beim Papierbuchverkauf! Und damit können wir ganz gut umgehen...