Digitaler Drahtseilakt

Die Buchbranche zwischen Transparenz und Angriffsfläche im Netz

6. Juli 2015
von Börsenblatt
Am 3. Juli tagte in Nürnberg die GfK mit geladenen Gästen aus den unterschiedlichsten Branchen zum Thema "Kommunikation geht heute anders: Erfolgreich kommunizieren im Zeitalter von Netzwerken, Blogs und Shitstorms". Bernhard Pörksen beschäftigte sich unter anderem mit dem Thema Transparenz im Netz. Nachfolgend einige Tipps.

Bernhard Pörksen (Medienwissenschaftler an der Uni Tübingen und Buchautor) betrat bei der GfK-Tagung als erster Sprecher die Bühne. Er erzählte dem Publikum aus allen Branchen im gut gefüllten Saal von den widersprüchlichen Herausforderungen, die das Netz mit sich bringt: "Das Transparenz-Dilemma. Der gute Ruf im digitalen Zeitalter — was Unternehmen wissen müssen".  Herausforderungen, die auch der Buchbranche nicht fremd sind. Endkunden, so Pörksen, sind plötzlich mehr als bloße Gesichter aus der Nachbarschaft, sondern besitzen Profile im Netz, die ständig Spuren hinterlassen. Wie also auftreten in der Welt voll digitaler Spuren, die dauerhaft für die ganze Welt sichtbar bleiben?

Die Gefahren der Online-Kommunikation
Fragt man nach den Geheimnissen der erfolgreichen Online-Kommunikation, lautet das Zauberwort oft "Storytelling": Doch wie auch im Privatleben bedeutet die Preisgabe von Informationen auch für Unternehmen ein Risiko. Pörksen spricht hier von dem Personalisierung-, Ethik- und Transparenz-Dilemma: "Unternehmen müssen zum Beispiel in der Außendarstellung personalisieren. Gleichzeitig bedeutet diese Personalisierung jedoch auch ein deutliches Reputationsrisiko. Personen sollten nicht für ein Unternehmen in einer Gesamtheit stehen, denn dieses Gesicht kann erblassen oder erröten."

Als ähnlich heikel bezeichnet er im Hinblick auf Nachhaltigkeit das Ethik-Dilemma. Kurzfristig erreicht ein Unternehmen durch vermehrte Moralkommunikation in Form von Statements, Leitbildern oder öffentlichen Bekundungen zwar einen Imagegewinn, muss sich aber gleichzeitig in der Zukunft an den selbst gesetzten Standards messen lassen. Wer heute mit dem Jutebeutel oder umweltschonenden Versand wirbt, hält sich besser auch in Zukunft an die eigenen Ansprüche. Kein Problem, insofern die Moralkommunikation nicht nur auf dem Marketinggedanken basiert, sondern tatsächlich gelebt wird.

Auch die Transparenz des eines Unternehmens, sei es in der Buchhandlung oder im Verlag, wird zwar vom Kunden gefordert, steigert jedoch zugleich die Angreifbarkeit im Netz und ist somit strategisch ambivalent, gibt Pörksen zu bedenken. Digitale Dokumente und Spuren wie Beiträge auf Facebook und Tweets können schnell zum Boomerang werden. Darum heißt es im Hinblick auf die drei Dilemmata zunächst erst einmal "Wohl dosieren!", damit nicht plötzlich ein Shitstorm in Netz hereinbricht.

Wie entsteht ein Shitstorm?
Im Netz bewegen sich reale Menschen mit Gefühlen und moralischen Wertevorstellungen, die gegebenenfalls in irgendeinem Bereich mit dem Unternehmen aufeinanderprallen. Und weil sich Menschen gerne Luft machen, tun sie das schließlich dann auch in diesem Fall – mal mehr und mal weniger eloquent. Doch hinter allen Beschwerden steckt zunächst ein Bedürfnis. "Ich nenne das Phänomen Shitstorm auch Wutgedichte und wir brauchen jemanden, der diese Wutgedichte interpretiert – einen Shitstorm-Interpreten, der die alte Frage aus dem Deutschunterricht 'Was ist eigentlich gemeint?' aufgreift", so der Medienwissenschaftler. Ein Shitstorm-Interpret liefert also Fehlerdiagnosen, die zur Beseitigung unerlässlich sind. Lässt man die Trolle im Netz einmal außer Acht, lassen sich diese sogenannten Wutgedichte recht einfach vermeiden, wenn man die Ursachen der Aufregung kennt.

Das oberste Gebot lautet auch im Netz "Kommunikation", nur so lässt sich die Wut der Kunden bei offenen Fragen, Kritik oder möglichen Problemen im Vorfeld abfangen. Die Gründe für einen Shitstorm können jedoch auch moralischer Natur sein: Ausbeutung, Diskriminierung und Diffamierung von Minderheiten, Tierquälerei und Unmenschlichkeit. Aber auch das bereits bekannte Ethik-Dilemma kann Grund zur Aufregung sein. Wer sich moralisch profiliert, wird von seinen Kunden auf die Werte-Konsistenz festgelegt. Ebenso kann das Thema Mitbestimmung zum Stolperstein in der Online-Kommunikation werden. Wer seine Meinung verkündet, will schließlich auch, dass die auf jeden Fall gehört wird. Die größte Gefahr ist aber vielleicht der Umgang mit Fehlern im Netz. Die lassen sich nämlich nicht einfach unter den Teppich kehren. Fehler können immer passieren, bestätigt Pörksen, daher wird ein Unternehmen häufig nicht an den Fehlern, sondern dem Umgang damit gemessen. Was zunächst einfach klingt, kann online für die Unternehmen eine durchaus harte Probe sein.

Was tun, wenn es zu spät ist und der Shitstorm tobt?
Obwohl jeder Shitstorm ein individuelles Kommunikationsproblem ist, gibt es Leitgedanken, die zur Lösung von Konflikten beitragen, führte der Medienwissenschaftler aus. Zunächst sollte schnellstens geklärt werden, wie mächtig und vor allem wie berechtigt der Protest ist. Ist das Problem ein Reizthema? Je mächtiger der virtuelle Aufschrei, desto schneller braucht es eine Reaktion. Gerade im Zeitalter digitaler Kommunikation sei das Spiel auf Zeit out.

Außerdem müssen die öffentlichen Effekte des Handels langfristig vertretbar erscheinen. Auch wenn jetzt eine schnelle Reaktion gefordert ist, können voreilige Handlungen vielleicht sogar weiteren Schaden anrichten, statt den alten zu beheben.

Zu guter Letzt kann nur der Dialog aus dem Sumpf der übermäßigen Kritik helfen. „Wer jetzt zensiert, einschüchtert oder einfach gar nicht reagiert, hat bereits verloren“, fasst Pörksen zusammen. Doch mit gutem Willen und ein einer geschickten Kommunikationstaktik kann selbst ein Shitstorm zu einer gesteigerten Reputation in der Öffentlichkeit führen.  

Weitere Sprecher der GfK-Konferenz waren Alexandra Stein (Head of Brand and Customer Experience, GfK SE), Stephan Knaeble (Head of Consumer Panels Germany, GfK SE) und Florian Haller (Hauptgeschäftsführer der Serviceplangruppe, München).

 

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