Documenta 13

Buchhändler im Ausnahmezustand

13. Juni 2012
von Börsenblatt
Die erste große Herausforderung ist geschafft, nun stehen rund 100 Tage intensiver Diskurs mit einem leidenschaftlich interessierten Publikum an: Die Kölner Kunstbuchhandlung Walther König hat in einem Kraftakt ihre temporäre Buchhandlung zur Documenta 13 bestückt.

Die Ausstellung, die alle fünf Jahre in Kassel stattfindet, gilt als international bedeutendste Schau der bildenden Künste und zieht Besucher aus aller Welt an. Über 750.000 Gäste werden in diesem Sommer erwartet.

80 weiße Container sind in den vergangenen Tagen an prominenten Orten in ganz Kassel wie Pilze aus dem Boden geschossen. Eintrittskarten, Souvenirs, Garderobe, Bier, Bratwurst und Bücher gibt es hier. Die Beschriftung: extrem dezent. Einblick: kaum. 13 aneinandergekoppelte Metallkisten auf einem zusammengezimmerten Holzpodest mitten auf der Wiese stellen für Kunstbuchhändler Walther König trotzdem das Nonplusultra dar, denn der Standort direkt vis-à-vis des Museums Fridericianum ist nicht zu toppen. "Der direkte Weg von der zentralen Ausstellungshalle der Documenta führt zu uns", steht für König fest.

Für Künstler, Händler, Sammler, Medien- und Museumsleute, Studierende und das breite Publikum gilt die mobile Buchhandlung für die kommenden drei Monate als Treffpunkt. "Das Interesse an Kunst ist unsere gemeinsame Basis. Die Documenta ist eine einmalige Gelegenheit, ein so großes und gleichzeitig anspruchsvolles Publikum zu erreichen – und die Stimmung ist super", betont Franz König. Für den Sohn des Geschäftsgründers, der heute selbst in der Unternehmensleitung ist, ist die Documenta ein "Ausnahmezustand" – im positiven Sinne.

Für seinen Vater hat die Teilnahme an der Ausstellung Tradition, doch jede Documenta ist einzigartig. "1968 war ich erstmals mit einem Büchertisch dabei. Damals noch als Mitarbeiter der Kölner 'Bücherstube am Dom'", berichtet Walther König. Seit 1972 nimmt er als selbständiger Buchhändler teil, bis auf eine Pause zur Documenta 12, als die Buchhandlung an "pro qm" aus Berlin verpachtet war. "Jeder Kurator hat ein unterschiedliches Interesse an Büchern", so seine Erfahrung. Für die künstlerische Leiterin der Documenta 13, Carolyn Christov-Bakargiev, nehme die Literatur einen hohen Stellenwert ein. "Sie ist ein außergewöhnlich intensiver Büchermensch. Unser herausgehobener Standort mitten auf dem Friedrichsplatz ist auch ein kulturpolitisches Statement ihrerseits", ist König überzeugt.

Buchhandlung im Container

Nach dem Vertragsabschluss mit der Documenta GmbH (das Geschäft läuft über Umsatzpacht, d.h. die Documenta erhält Fixkosten plus einen prozentualen Anteil am Umsatz) hat sich die Kuratorin im Dezember 2011 persönlich mit dem Buchhändler getroffen und über das inhaltliche Konzept der Buchhandlung diskutiert. Hier gibt es dieses Mal eine eigene Abteilung mit Büchern, die Carolyn Christov-Bakargiev zur Vorbereitung der Documenta dienten – ihre eigene Bibliothek, die sich Documenta-Besucher praktisch mit nach Hause nehmen können.

Die Buchhandlung im Container, die unter der Führung von Christian Posthofen aus der König-Geschäftsleitung von jeweils zwei bis drei Kölner Buchhändlern und zusätzlichen Aushilfen aus Kassel betreut wird, präsentiert auf rund 120 Quadratmetern ein in die Tiefe gehendes Kunstbuchsortiment. Im linken Drittel gibt es Postkarten und populärere Titel. Rechts der Kasse finden sich ästhetische Theorie, die Bibliothek der Documenta-Leiterin, die Titel der Documenta-Teilnehmer und natürlich stapelweise der dreibändige Ausstellungskatalog (Hatje Cantz).

Etwa die Hälfte der Titel ist fremdsprachig, überwiegend auf Englisch. Im hinteren Bereich finden sich ein Lesetisch sowie Vitrinen mit Künstlerbüchern. "Sie sind mein Steckenpferd. Die Künstlerbücher, die wir hier zeigen, haben wir über viele Jahre zusammengetragen", erläutert Walther König. Das wertvollste Exemplar: "Dutch Details" des U.S.-amerikanischen Malers und Grafikers Ed Ruscha aus dem Jahr 1971, das für über 10.000 Euro angeboten wird.

Rund drei Jahre seines Lebens habe er bisher auf der Documenta verbracht, wenn er alle Aufenthalte zusammenzähle, schätzt König. Für ihn bestätigt sich in diesem Sommer wieder einmal: "Die Documenta-Ausstellungen sind seit über 40 Jahren die Fixpunkte meines buchhändlerischen Lebens." cb