Doppelporträt zweier Kochbuchmacher

Erfahrene Bücherköche

20. April 2017
von Börsenblatt
Martina Weihe-Reckewitz baut das Kochbuchprogramm für den Verlag Königsfurt-Urania aus – Bernhard Kellner für den Lifestyle-Verlag teNeues. Beide sind Vollprofis und rollen ihre Karriere gern noch mal von vorn auf. Zwei Bücherköche im Doppelporträt. 

Martina Weihe-Reckewitz ist ganz zweifelsfrei eine Pionierin. Also einer jener abenteuerlustigen und tatkräftigen Menschen, die gern Neuland erobern und es gestalten. So wie sie es seit Herbst 2015 nun als Programmgeschäftsführerin für den Königsfurt-Urania Verlag tut.

Ihre Stellenbeschreibung: an der Seite des bis dato alleinigen Geschäftsführers Johannes Fiebig unter anderem ein Kochbuchsegment zu gesunder Ernährung neu aufbauen. Anders als der typische Pionier, der eher ein Mann vieler Anfänge ist, bleibt die gebürtige Westfälin stets am Ball. Als Verantwortliche für das Ratgeber- und Sachbuchprogramm des VGS Verlags, wo sie unter anderem die »Hobbythek«-Erfolge von Jean Pütz betreute, ebenso später als Verlagsleiterin von Teubner & Hallwag bei Gräfe und Unzer – eine Position, die dann Bernhard Kellner übernahm, als sie zum Club Bertelsmann wechselte. »Ich war allerdings schon eine Weile weg, bevor er kam. Wir sind uns dort also leider nicht begegnet«. Nun ist es die andere Aufgabe, die sie reizt, aber auch die Aussicht, München verlassen zu können. »Ich habe es wirklich versucht mit der Stadt – zweimal – im Abstand von zehn Jahren, aber so richtig warm geworden bin ich nicht mit ihr«. 

Trainierte Schlüsselqualifikationen  Bei Bertelsmann leitete sie 15 Jahre lang erst das Ratgeber- und dann auch das Sachbuchprogramm. Ein Vollprofi also, der nun – wie es scheint – von der Bundesliga in die Kreisliga gewechselt hat, von einem Weltkonzern zu einem vergleichsweise kleinen, auf Lebensdeutung und Lebenshilfe spezialisierten Verlag. Aber genau der bringt mit, was für Martina Weihe-Reckewitz mit ihrem Know-how so spannend ist: sich als Geschäftsführerin ein neues Spielfeld zu erobern und gleichzeitig lang trainierte Schlüsselqualifikationen anwenden zu können. »Ich bin ja hier im Prinzip an allem maßgeblich beteiligt – Programmgestaltung, Vertrieb, Vorschau, Produktion. Das ist hochinteressant«. Zumal sich die ehemaligen Nischenthemen gerade dank Publikationen wie »Happinez« oder »Flow« ein größeres Publikum erobern.

Und auch der Plan, ein Kochbuchsegment zu etablieren, das die Interessen der Zielgruppe aufnimmt und gleichzeitig neue Kunden interessiert, geht auf. »Wir bringen da mittlerweile pro Saison bis zu vier Neuerscheinungen heraus«. Mit Erfolg, allerdings auch mit der für ein kleineres Haus gebotenen Vorsicht. »Wir können es uns nicht erlauben, zwei gute Seller zu haben und acht Titel, die nicht laufen«. Also werden nur Hauptgerichte, »möglichst Filets«, anvisiert. Keine Sättigungsbeilagen.

Worin sich ihre Arbeit jetzt außerdem von der zuvor unterscheidet? Nun, sagt sie, vor allem durch die kurzen Wege. Ein großes Haus reagiere manchmal so träge wie ein Kreuzfahrtschiff. »Hier fallen die Entscheidungen schnell und sehr viel einfacher.« Umgekehrt habe sie aber auch einiges mitgebracht, »mehr, als ich gedacht habe«. Zum Beispiel: »Zielgruppendefinitionen, festgelegte Sitzungstermine, wo möglich ein Protokollwesen, regelmäßige, fest terminierte Rücksprachen mit den Mitarbeitern«. Ebenso eine Leidenschaft fürs Kochen und auch für Kochbücher, die sie liest »wie andere Romane oder Reiseführer«.

Da es bei ihr häufig spät wird, steht vor allem ihr Mann - Marcus Reckewitz, ein erfolgreicher Buchautor, Journalist und Verlagslektor in der Küche. Wenn die beiden nicht essen gehen – »auch, um sich wieder neu anregen zu lassen«. Denn schlussendlich hat eine echte Pionierin keinen Feierabend – schon deshalb, weil sie nie aufhört, einen Fuß in der Tür zur Zukunft zu haben. 

Leben ist wie kochen: Die schönsten Ergebnisse erzielt man manchmal, wenn man sich nicht an Rezepte hält und beherzt ein paar ganz eigene Zutaten hinzufügt. So wie es Bernhard Kellner getan hat. Gerade hat der 47-Jährige die Programmleitung bei teNeues übernommen. Eine Position, für die sich der »erfahrene und breit aufgestellte Verlagsmann« – wie Hendrik te Neues ihn beschreibt – mit einer Kombination »von erfolgreicher Programmgestaltung und Marketing-Know-how« empfohlen hatte.

Ein rarer Mix, der sich einer gleichermaßen geradlinigen wie rasant kurvenreichen Berufsbiografie verdankt. Schließlich ist Bernhard Kellner als gelernter Werbekaufmann und studierter PR-Fachwirt bei der Suche nach einem Job eher »durch Zufall in der Verlagsbranche gelandet«. Und hat sich seitdem immer wieder neues Terrain erobert. Zunächst als Pressereferent bei Gräfe und Unzer, dann als Leiter der Unternehmenskommunikation bei Langenscheidt, wo er Comedian Mario Barth für »Deutsch–Frau / Frau–Deutsch« gewann. »Eigentlich sollte er wegen Verletzung der Markenschutzrechte abgemahnt werden, weil er Langenscheidt in seinem Bühnenprogramm dauernd thematisierte, und dann habe ich gesagt, vielleicht reden wir mal mit ihm«. 

Das Ergebnis dieses Gesprächs verkaufte sich allein zwischen Oktober und Weihnachten 2004 über eine Million Mal. Bernhard Kellner legt damit den Grundstein für Langenscheidts erfolgreiches Entertainment-Programm, arbeitet am Aufbau mit und wechselt schließlich 2012 als Verlagsleiter für die Marken Teubner, Hallwag, Gräfe und Unzer erneut zu GU.

Da gilt er schon längst als eine Art verlegerisches Breitbandantibiotikum, als einer, der alles draufhat: Strategie, Autorenakquise, Themenfindung, PR, Marketing. Und jetzt also teNeues, wo Bernhard Kellner auf Regina Denk folgt, die zurück zu Gräfe und Unzer geht.

Seine Aufgabe bei teNeues: »den Bereich erzählendes Sachbuch, Lifestyle, Lebensführung und natürlich das Kochbuchsegment zusätzlich zum angestammten Portfolio klein und fein« aufzubauen. Welche Eigenschaften ihm dabei behilflich sind? Er sagt, ganz wichtig sei »ein echtes Interesse für Menschen. Wenn ich mich für jemand nicht interessiere, dann werde ich auch nie verstehen, was er machen will oder mich in seine Perspektive hineinversetzen können«.

Auch »furchtbar starke Nerven« wären nützlich, meint er lachend. Und natürlich sein Herd: »Kochen entspannt mich, und je schlimmer der Tag, desto komplizierter die Rezepte. Außer, wenn die Familie zu Besuch ist – dann gibt es meistens bayerischen Schweinebraten.«

Neben dem Kochen auf Sterneniveau (wie die berichten, die davon kosten durften) zählt Bernhard Kellner auch »Renovieren« zu seinen Leidenschaften. »Das liegt in der Familie. Bei uns wurden seit Generationen nicht bloß einfach Möbel umgestellt, sondern immer gleich Wände eingerissen«. Gerade hat er nach jahrelanger Planung und »mit viel Schweiß und Tränen, aber auch genauso viel Freude« sein Traumhaus fertiggestellt. Natürlich mit einer geräumigen, schönen und durchdachten Küche als Herzstück, die man sogar tageweise als Foto- und Kochlocation mieten kann. Dort wird Bernhard Kellner noch viele Rezepte ausprobieren und dabei einem Credo treu bleiben: das zu lieben, was er tut – und umgekehrt.