DVD-Reihe porträtiert sechs Autoren aus der Türkei

"Orhan Pamuk hat manches beschleunigt"

21. Dezember 2012
von Börsenblatt
Nazim Hikmet, Yasar Kemal, Orhan Pamuk, Elif Safak, Murathan Mungan und Asli Erdogan: In einer Dokumentarfilmreihe werden wichtige Stimmen der türkischen Literatur vorgestellt. Ein Gespräch mit dem Kölner Filmemacher Osman Okkan über das Türkei-Bild der Verlage, Meinungsfreiheit und Feridun Zaimoglu.

Früher waren in der Türkei vor allem politische Autoren Repressalien ausgesetzt. Müssen sie heute immer noch leiden?
Osman Okkan: Ich denke schon, wir haben ja immer noch Autoren und Journalisten in den Gefängnissen. Es ist sicherlich nicht mehr so schlimm wie in den früheren Jahrzehnten. Allerdings gibt es immer noch Restriktionen. So gibt es nach wie vor den schwammigen Paragraphen 301 des türkischen Strafgesetzbuchs, der die "Herabsetzung der türkischen Nation" mit Strafe ahndet. Dass die Schriftsteller heute völlig frei von der Strafverfolgung sind, können wir leider immer noch nicht sagen.

In Ihrer Filmreihe "Menschenlandschaften" stellen Sie sechs Schriftsteller aus der Türkei vor. Sind das die wichtigsten Stimmen der türkischen Literatur?
Okkan: Wahrscheinlich sind nicht alle die allerwichtigsten. Ich würde die Autoren allgemein als moderne Klassiker beschreiben, zumindest die drei, Nazim Hikmet, Yasar Kemal und Orhan Pamuk. Elif Safak, Murathan Mungan und Asli Erdogan sind herausragende Schriftsteller aus der jüngeren Generation.

Für welchen TV-Sender haben Sie die Filme eigentlich gedreht?
Okkan: Wir haben die Filme ursprünglich für den deutsch-französischen Kultursender Arte konzipiert. Ein Hauptkriterium bei der Auswahl der Schriftsteller war deshalb, dass ihre Bücher in Deutschland und Frankreich übersetzt sind.
 
Und wer hat die Reihe finanziert?
Okkan: WDR und Arte haben die Filmfassung finanziert. Auch die Robert Bosch Stiftung beteiligte sich daran. Die DVD-Edition hingegen mussten wir mit Bankkrediten finanzieren.

Die türkische Literatur hat sich in Deutschland bisher keine breite Leserschaft erschließen können. Wundern Sie sich darüber?
Okkan: Es ist in der Tat ein sehr langsamer Prozess, der sich seit dem Nobelpreis für Orhan Pamuk 2006 und dem Gastland-Auftritt der Türkei auf der Frankfurter Buchmesse 2008 etwas beschleunigt hat. Es wird offenbar noch eine Weile dauern, bis die deutschen Verlage und Leser das Kulturpotenzial hinter ihrem "Türkei-Bild" entdecken, das sie eher mit Arbeitsmigranten verbinden.  

Planen Sie eine Fortsetzung der Filmreihe?
Okkan: Ja, wir möchten in einer Fortsetzung nicht nur Literaten vorstellen, sondern auch Künstler aus anderen Bereichen, wie den international bekannten Fotografen Ara Güler. Eine dritte Staffel ist auch schon in Vorbereitung. In dieser Reihe werden wir türkeistämmige Literaten und Künstler aus Deutschland, wie Fatih Akin und Feridun Zaimoglu, porträtieren.

Fragen: Kemal Calik

Menschenlandschaften / Insan Manzaralari (deutsch und türkisch). Sechs Autorenporträts der Türkei: Nazim Hikmet, Yasar Kemal, Orhan Pamuk, Elif Safak, Murathan Mungan, Asli Erdogan. Buch und Regie: Osman Okkan. DVD-Box. 29,90 Euro. ISBN: 978-3-00-039700-4.