E-Book-Markt

Autorenhonorare in digitalen Zeiten

11. März 2010
von Börsenblatt
Der Ton auf dem E-Book-Markt wird schärfer: Sowohl in den USA als auch in Großbritannien fordern Agenten von den Verlagen jetzt höhere Erlöse. Und in Deutschland?

Ein Blick in Richtung USA schärft so manche Zukunftsprognose. Das gilt auch und vor allem für den E-Book-Markt – ein junges Segment, das viele offene Fragen aufwirft. Dazu gehören auch die Preisgestaltung und die Höhe der Autorenhonorare.

Dass die Machtverhältnisse hier neu austariert werden, zeigt das Beispiel MacMillan: Der Verlag hatte, wie berichtet, ein Kräftemessen mit Amazon gewonnen und den Online-Händler dazu gebracht, seine E-Books statt für 9,99 US-Dollar für 12,99 bis 14,99 US-Dollar einzustellen (siehe Archiv, unten). Das lässt wiederum die Agenten frohlocken: Sie rechnen sich bessere Chancen bei den Honorarverhandlungen mit den Verlagen aus. Bisher sind beim E-Book hier wie dort 20 Prozent vom Nettoerlös üblich. Viel zu wenig, meinen nicht nur Agenten, sondern offenbar auch Bestseller-autoren wie Paulo Coelho und Ian McEwan, die mit Amazon direkt ins Geschäft gekommen sind.

Die Vergütungsfrage ist Teil einer Gemengelage, in der alle ihre Interessen sichern, ihr Feld abstecken und ihre Besitzstände wahren wollen – ohne allerdings die Kalkulationsgrundlagen zu kennen. Wie schnell wächst der Markt? Welche Preise setzen sich durch – und welche Lesegeräte? Werden E-Books die Printausgaben substituieren? Wann amortisieren sich die Investitionskosten? Und last not least: Wer gewinnt im Kampf um die Vertriebshoheit: Verlage, Händler oder gar Autoren?

Der Markt ist bis jetzt alles andere als transparent. Händler lassen Verlage Vertraulichkeitsklauseln unterschreiben, Agenten erhalten nichtssagende, weil nicht aufgeschlüsselte Gutschriften; Verlage berufen sich bei ihren Honorarverhandlungen auf hohe Investitionskosten, die die Agenten aber in Zweifel ziehen. "Zwischen den Parteien herrscht Misstrauen", beobachtet etwa Peter S. Fritz von der Züricher Agentur Paul & Peter Fritz. Fritz will für seine deutschen Autoren eine Erlösbeteiligung von 25 Prozent durchsetzen – und kann nicht verstehen, warum sich Verlage damit so schwertun.

Verlage wiederum reagieren auf solche Forderungen mit einem Kopfschütteln: "Es gibt keinen Grund, mehr als 20 Prozent zu verlangen", sagt beispielsweise Reimer Ochs, Justiziar bei S. Fischer; "sowohl in der Herstellung als auch in der Auslieferung ist beim digitalen Buch nichts billiger als beim gedruckten Buch." Hohe Konvertierungskosten, Dienstleistungsgebühren, Marketingkosten und nicht zuletzt Händlerrabatte machen E-Books teuer: So argumentiert die Verlagsseite. Der höhere Mehrwertsteuersatz (19 statt sieben Prozent) und die preisbewusste Erwartungshaltung der Kunden würden den Spielraum für Honorare weiter verringern: "Das Kaufverhalten wird sehr schnell die Preise diktieren", prognostiziert Lübbe-Geschäftsführer Klaus Kluge, "und die werden 20 bis 30 Prozent unter denen der gedruckten Bücher liegen." Außerdem seien wirtschaftliche Einbußen durch illegales Herunterladen zu befürchten. Kluge: "Schon heute folgen auf jeden legalen Verkauf bis zu 19 illegale Downloads."

Allen Unwägbarkeiten zum Trotz rechnen Verlage damit, dass der E-Book-Markt schnell wachsen und mit dem Launch des iPad von Apple neue Impulse erhalten wird. "Man kann in den USA jetzt schon sehen, welches Potenzial im E-Book steckt", sagt Frank Sambeth, in der Verlagsgruppe Random House als Geschäftsleiter für New Media zuständig. Er ist davon überzeugt, dass Autoren mit ihren E-Book--Erlösen "sehr zufrieden" sein können. Einige Random-House-Autoren würden schon jetzt vierstellige Beträge aus dem E-Book-Verkauf beziehen.

Weil sich derzeit noch nicht recht absehen lässt, wie sich der deutsche Markt entwickelt, geht Agentin Anke Vogel, so wie andere Kollegen, bei Vertragsabschlüssen auf Nummer sicher, um die Interessen ihrer Klienten zu wahren – mit einer Nachverhandlungsklausel für die digitalen Rechte nach zwei bis drei Jahren. "Für Autoren sind E-Book-Honorare noch kein Thema", hat Vogel beobachtet und räumt ein: "Interessant dürfte es ohnehin nur für erfolgreiche Autoren sein, die anderen verkaufen sich als E-Book sowieso nicht."

Es gibt aber auch Autoren, die das E-Book-Geschäft sehr kritisch begleiten: Thomas Hettche beispielsweise mag keine digitalen Rechte vergeben, solange diese nicht als Hauptrechte definiert werden. "Auch andere Punkte sind unklar", sagt er. "Die entsprechenden Vertragsergänzungen, die ich kenne, räumen den Verlagen beispielsweise das Recht ein, digitalisierte Texte in beliebigen Zusammenstellungen und Kontexten zu publizieren. Das scheint mir doch bedenklich." Obendrein: Die Kalkulation der Konditionen komme ihm »sehr willkürlich« vor. »Hier warte ich noch auf Klärung.« Zweites Beispiel: Kiepenheuer & Witsch-Autor Wolfgang Schorlau.

Schorlau sieht derzeit keinen Handlungsbedarf. Er ist zwar positiv überrascht von der hohen Download-Quote seiner "Dengler"-Krimis (nach Frank Schätzings "Limit" nach eigenen Angaben die zweithöchste innerhalb des Verlags) – er will aber erst mal abwarten, wie sich die Verkaufszahlen weiter entwickeln. "Für spektakuläre Veränderungen ist die Zeit nicht reif", meint er.

Autor Markus Albers wartet nicht ab, sondern versucht sich selbst als Verleger. Sein E-Book "Meconomy", das seit 25. Januar über die Website des Autors, bei Libri, Ciando und iTunes erhältlich ist, hat sich bereits mehr als 400-mal für 9,99 Euro verkauft und damit die Gewinnzone erreicht. "Das elektronische Publizieren ist billiger geworden und inzwischen kinderleicht", meint Albers. Das Interesse an seinem Know-how sei groß. Ein populärer Sachbuchautor habe ihn bereits um Unterweisung im elektronischen Publizieren gebeten.

Noch ist Albers die Ausnahme – nicht die Regel: Die meisten Autoren beobachten die Entwicklung. Literaturagent Michael Meller aus München sieht in dem scheinbaren Stillstand eine "total absurde Situation". Der Markt sei eigentlich noch gar nicht vorhanden, sagt er. "Es fehlen große Vertriebsplattformen, Lesegeräte werden nur schleppend verkauft." Aber die großen Veränderungen würden kommen. Meller: "Verlage in Zentraleuropa müssen aufpassen, dass sie nicht den Anschluss verpassen."