E-Book

Testlauf für die E-Leihe

6. Juli 2015
von Börsenblatt
Aus Nutzersicht liegt nichts näher, als digitale Bücher lediglich zu mieten – noch ist das jedoch eher ein Sonderfall: Über eine Vertriebsidee und ihre Chancen.

"E-Books leihen statt kaufen": Der Werbeslogan von Skoobe klingt verführerisch. Ende 2012 war er in nahezu jeder der großen Tageszeitungen zu sehen, gedruckt in schwarzen Buchstaben auf einem satten, frischen Grün. Und obwohl die meisten da wohl eher ans Sparen und an bequemes, unbefangenes Dauerlesen dachten, erinnerten sich manche beim Blick auf die Anzeige auch an etwas anderes – eine Wiese im Frühling, an den noch jungen E-Book-Markt in Deutschland und an die mit ihm verbundenen Hoffnungen.

Digitale Bücher auszuleihen, rechtlich gesehen geht es um einen Mietvorgang von begrenzter Dauer, ist in Deutschland seit Jahren möglich. Ciando machte mit einem Angebot für wissenschaftliche Bibliotheken 2003 den Anfang, einige Jahre später folgten die öffentlichen Bibliotheken in kleinen Schritten mit ihrer Onleihe für Jedermann – keiner schien sich davon viel zu versprechen. Bis 2012. Da haben sich die Einschätzungen zur Leihe offenbar grundlegend gewandelt. Das Thema rückte vom Rand in die Mitte des Marktes, gleichzeitig entstanden immer neue, kommerzielle Angebote – Amazon ging an den Start, Libreka! und Skoobe. Und in den nächsten Monaten steht noch mehr an, zum Beispiel bei PaperC und Marktpionier Ciando.

"Eine Vielzahl alternativer Bezahlmodelle"
PaperC entwickelt derzeit für die neue, mobile Plattform PaperC.com ein Abo-Modell, Ciando will E-Books künftig auch an Endkunden ausleihen – allerdings nicht per Abo, sondern für eine Leihgebühr pro Titel. Das Projekt trägt den Arbeitstitel "Kaufleihe".  "Wir gehen davon aus, dass die Etablierung von Leihmodellen für private Endnutzer ein erster Schritt im Rahmen einer längerfristig angelegten Entwicklung ist", meint Ciando-Chef Werner-Christian Guggemos heute. "Am Ende dieser Entwicklung wird neben dem Verkauf von Einzeldokumenten eine Vielzahl alternativer Bezahlmodelle stehen."

Guggemos dürfte Recht behalten. Darüber herrscht Konsens, auch wenn sonst bis dato vieles unklar bleibt. Welche Rolle die Leihmodelle am Markt einmal spielen werden? Welches, der doch sehr unterschiedlichen kommerziellen Konzepte (eine Auswahl finden Sie hier) sich letztlich durchsetzt? Wie sie sich gegenüber der Onleihe behaupten können? Was Autoren dazu sagen und wie Verlage auf Dauer ihr Auskommen sichern? Alles offen. Fest steht derzeit im Grunde nur eines: Das Tauziehen am Markt ist in vollem Gange.  

Wie es aussieht, haben Endkunden bald die Qual der Wahl. Und werden sich möglicherweise fragen, warum sie überhaupt noch E-Books einzeln kaufen sollen, anstatt sie auf Zeit zu mieten. Vielleicht kommt es aber auch so, wie Katja Splichal von PaperC meint: Aus ihrer Sicht erübrigen sich Eigentum und Besitz beim E-Book per se. „Leihe wird niemanden interessieren“, sagt sie. „Denn sie ist nur das rechtliche Konstrukt hinter Zugang – und der wie auch immer geschaffene Zugang wird eines Tages 98 Prozent des Marktes ausmachen.“

Das Zahl der Leihtitel dürfte deutlich steigen
Eine steile, sicher auch bestreitbare These – zumindest solange völlig unklar ist, in welche Höhen sich der Marktanteil der kommerziellen Leihkonzepte tatsächlich schrauben lässt. Dafür müsste zunächst das Titelangebot deutlich wachsen. Selbst bei Skoobe, wo das digitale Regal derzeit mit 20.000 deutschsprachigen Titeln momentan am vollsten ist, ist noch Luft nach oben. Alles in allem sind aktuell schätzungsweise 100.000  deutschsprachige Titel digital erhältlich.

Doch diese Lücke zwischen Leih- und Kaufmarkt dürfte sich im Lauf der Zeit schließen. Die Verlagsgruppen Holtzbrinck und Random House sind via Skoobe längst auf den Zug aufgesprungen, viele kleinere ziehen nach. Wenn sich am Markt schließlich ein bis drei Mietangebote etablieren würden, die alle Inhalte aller Verlage offerieren – als Einzelausleihe und als Flatratmodell für einzelne Themen –, "dann haben wir das Modell, von dem die Leser träumen", wie der Stuttgarter Verleger Matthias Ulmer sagt.  

Da lohnt ein Blick auf Skoobe. Das Unternehmen zeigt, wie vielschichtig das Thema Leihe ist, und welche Wirkung Leihmodelle auf den Markt und die Kaufgewohnheiten von Endkunden haben. Knapp ein Jahr nach dem Start ist sich Christian Damke sicher: "Wir haben bewiesen, dass wir eine echte Markterweiterung erreichen können, dass ein Bibliotheksmodell attraktiv ist für Kunden, die sonst keine Bücher für ihr Smartphone oder Tablet gekauft hätten."

Skoobe-Mitglieder würden mehr lesen mehr und nach Abschluss ihrer Mitgliedschaft auch mehr Geld für Bücher ausgeben, betont er. Was erklären würde, warum Verlage Leihmodelle attraktiv finden und mittlerweile 402 Verlage an das Unternehmen liefern. Damke: "Die Leseprobenapplikation hilft teilnehmenden Verlagen ihre Titel bekannt zu machen, 18 Prozent der Mitglieder haben so schon einmal ein bei Skoobe entdecktes Werk dann auch als Print-Buch gekauft." Im Lauf der nächsten Monate will Skoobe seinen Katalog noch einmal ausweiten, ein Empfehlungssystem integrieren und eine laut Damke „bessere Stöberlogik“ entwickeln. Gleichzeitig werden neue Bezahlmodelle aufgesetzt (Details dazu gibt’s bei Skoobe.de). „Wir bleiben attraktiv für preissensible Zielgruppen.“  

Kaum Alternativen zum harten Kopierschutz
Ein Streitpunkt bei der E-Book-Leihe ist jedoch – zumindest aus Nutzersicht – das digitale Rechtemanagement (DRM). Bei Divibib, dem Unternehmen, das die »Onleihe« managt, hält man sich bisher klar an die Vorgabe der Verlage. Und die lautet: Harter Kopierschutz. Andere Lösungen wie das digitale Wasserzeichen erscheinen nicht geeignet, das komplexe Rechtemanagement zu regeln (darunter das Zeitlimit und die Beschränkung des gleichzeitigen Zugriffs auf einen Titel).

Vor allem das in Cleveland im Bundesstaat Ohio beheimatete Unternehmen OverDrive sorgt für eine flächendeckenden Service: In den USA werden 18.000 Bibliotheken aller Größenordnungen versorgt – das entspricht etwa 67 Prozent aller US-Bibliotheken und etwa 87 Prozent der US-Bevölkerung. Claudia Weissman, Director Education and Library Sales bei Overdrive, erläutert die prozentuale Abweichung mit der Lage der meisten Bibliotheken in dichtbesiedelten städtischen Ballungsräumen. Die E-Books der Verlage werden von OverDrive im EPUB-Format verbreitet und können mit Hilfe der Lösung OverDrive Read in jeder Browser-Anwendung gelesen werden.