E-Books

Wenn Autoren auch mal Verleger werden

20. Januar 2010
von Börsenblatt
Warum es reizvoll sein kann, das eigene Buch selbst an den Leser zu bringen. Von Markus Albers. Sein Buch "Meconomy" gibt es ab Montag, 25. Januar, unter www.meconomy.de bei Libri, Ciando und im iTunes Store.

Es war Siegfried Unseld, der das Paradox der Verlagsökonomie auf den Punkt brachte: "Selbst wenn der Verleger von seinem Temperament her mehr zum Ja-Sagen als zum Nein-Sagen tendiert, muss er bei seinen Entscheidungen immer öfter Nein als Ja sagen." Er muss, denn es ist teuer und langwierig, ein Buch in den Handel zu bringen. Unbegrenzte Regalfläche und minimale Vertriebskosten im Internet machen es heute hingegen einfach, ein E-Book zu veröffentlichen. Die befürchtete Informationsflut ist eine Frage effizienter Komplexitäts­reduktion. Bislang gab es dafür klassische Gatekeeper – Verlage, Buchhändler, Feuilleton –, heute sind es zunehmend soziale Filter wie Blogs, Facebook, Twitter.

Auf letzteren Wegen finden immer mehr professionell selbst verlegte E-Books ihre Kunden: Die Software-Theoretiker 37Signals verkauften 30.000 Exemplare von "Getting Real" für 19 Dollar pro Stück. Zen Habits, das Blog des auf Guam lebenden Produktivitätsexperten Leo Babaua hat weltweit über 100 000 Leser, von denen, wie er sagt, "viele Tausend" seine E-Books kaufen. Der Erfolg solcher digitaler Nischenprodukte wirft Fragen auf: Brauchen Autoren für jedes Buch einen Verlag? Und was ist überhaupt ein Buch? Ein künstliches Format, über dessen Eigenschaften es in der Branche einen – wenn auch nur scheinbaren – Konsens gibt. "Interessant, aber kein Buch." Das ist der Filter der Verlage.

Der Reiz gelegentlichen elektronischen Selbstvertriebs liegt für Schreiber erstens darin, nicht jede Idee ins Format "Buch" pressen zu müssen. Jan Weilers Kolumnen kann man für 25 Cent pro Folge auf seiner Website abonnieren. Angesichts der zunehmenden Verbreitung digitaler Lesegeräte sind solche Modelle die Zukunft, meint Medientheoretiker Jeff Jarvis: Leser können neben Zeitungen oder Büchern direkt den Output von Autoren erwerben. Mein neues Buch »Meconomy« bringe ich als E-Book und iPhone-App heraus und vielleicht ist es gar kein "Buch", sondern eher interaktives Dossier, kommentierte Materialsammlung, Feature mit viel Nutzwert.

Der zweite Vorteil des E-Books: Es ist schnell am Markt. In "Meconomy" geht es um Konsequenzen aus der Krise, Selbstverwirklichung in der digitalen Ökonomie, globale Mobilität, elektronisches Lernen, persönliche Produktivität und Self-Branding. Dinge, die für mich jetzt relevant sind. Um ein Buch zu drucken, bräuchte ein Verlag aber mindestens bis zum Herbst.

Der dritte Vorteil: Wenn man sich – wie ich – für neue Technologie interessiert und auch nur ein wenig Gründergeist verspürt, macht es einfach irrsinnig Spaß. Ich habe für Lektorat, Cover, Korrektur, Satz und Website Profis engagiert. Ich trage das unternehmerische Risiko, habe mit Textunes und Sony starke Vertriebs- und Marketingpartner gefunden. "Meconomy" wird für 9,99 Euro verkauft, davon gehören mir je nach Plattform zwischen 30 und fast 100 Prozent. Vielleicht werde ich nur 20 Exemplare los, dann lag ich falsch. Die steile Lernkurve war mir das allemal wert.

Nun sollten wir gemeinsam Visionen entwickeln, wie Bücher heute aussehen können. Mit Audio und Video für Tablets optimiert? Oder auf Papier liebevoll editiert, dafür mit E-Book-Datei umsonst dazu? Für solche Entscheidungen und Produktionen brauchen Autoren künftig Verlage mehr denn je. Um Texte zu veröffent­lichen, nicht mehr zwingend.