Ehrengast Frankfurter Buchmesse 2015

Indonesiens Abschied von der Unsichtbarkeit

3. März 2015
von Holger Heimann
Indonesien ist Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2015. In Berlin wurde am vergangenen Donnerstag bei einem Empfang in der indonesischen Botschaft über Perspektiven der Vermittlung von indonesischer Literatur in Deutschland diskutiert.

Indonesien zählt mit 240 Millionen Einwohnern zu den bevölkerungsreichsten Länder des Erdballs und rangiert gemessen an der Population an vierter Stelle. Unangefochtener Spitzenreiter ist der Inselstaat jedoch hinsichtlich einer überwältigenden kulturellen Vielfalt; rund 700 Sprachen werden in dem südostasiatischen Land, das 1945 von der niederländischen Kolonialmacht unabhängig wurde, gesprochen, rund 400 Ethnien leben dort.

Doch es ist ein kaum bekannter Reichtum, Indonesien gilt hierzulande bislang allenfalls als interessantes touristisches Ziel. Seine Kultur hat kaum den Weg nach Europa gefunden. Das hat nicht zuletzt auch damit zu tun, dass es nur sehr wenige professionelle Vermittler gab.

Der Wissenschaftler Berthold Damshäuser vom Institut für Orient- und Asienwissenschaften der Universität Bonn hält die meisten älteren und auch manche neueren Übersetzungen schlichtweg für unzureichend: „Viele Texte wurden von Linguisten übertragen, das Poetische daran ist verlorengegangen." Übertragungen indonesischer Lyrik durch Schriftsteller wie Adelbert von Chamisso und Oskar Pastior blieben Ausnahmen.

Mit dem Ehrengastauftritt Indonesiens zur kommenden Frankfurter Buchmesse im Oktober soll sich das ändern. „Wir wollen aus einer für das deutsche Publikum großen Unbekannten eine gute Freundin machen", sagte Professor Agus Rubiyanto, Attaché für Bildung und Kultur, am vergangenen Donnerstag bei einem Empfang in der indonesischen Botschaft in Berlin. Ziel sei es, der indonesischen Literatur über die Buchmesse hinaus einen Platz im deutschen Buchhandel zu schaffen.

Das ist recht ambitioniert und wäre den sympathischen Organisatoren ebenso zu wünschen wie den vielversprechenden Schriftstellern. Renommierte Autoren wie Ayu Utami oder Afrizal Malna jedenfalls haben bei Auftritten in Frankfurt und Berlin schon jetzt einige Neugier auf die Literatur aus Südostasien geweckt. Indes ist das alte, von Damshäuser beklagte Vermittlungsproblem nur kleiner geworden, verschwunden ist es nicht. Es gibt nur eine kleine Zahl geübter literarischer Übersetzer aus dem Indonesischen; diese wenigen aber arbeiten derzeit im Akkord. Große Verlage wiederum halten sich bislang bei der Akquise von Titeln zurück: Hanser Berlin bringt den neuen Roman von Andrea Hirata, „Der Träumer" (nach „Die Regenbogentruppe") heraus, bei Ullstein erscheint der umfangreiche Roman einer der interessantesten jungen Autorinnen, Laksmi Pamuntjak, der in die Zeit der Suharto-Diktatur zurückführt. Darüberhinaus sind es vor allem kleinere Verlage, die indonesische Titel und Autoren ins Programm genommen haben, darunter der Weidle Verlag (Leila Chudori) und Horlemann (Ayu Utami).

„Wir haben wenig Zeit", sagen die indonesischen Organisatoren unisono – durchaus selbstkritisch. Die Vorbereitungen für den Frankfurter Messeauftritt werden erst seit dem Vorjahr intensiver vorangetrieben. Der Schriftsteller und Chef des Organisationskomitees Goenawan Mohamad beklagt bürokratische Lethargie und sagt: „Es ist schwierig, aber wir versuchen unser Bestes. Indonesische Literatur, aber auch Tanz, Musik, Architektur waren bislang unsichtbar in Europa. Wir wollen das ändern." 50 bis 70 Autoren sollen nach Frankfurt kommen. Von dem ehrgeizigen Vorhaben, 200 Titel ins Deutsche zu übersetzen, hat man sich indes verabschieden müssen; annähernd 100 Bücher (teils nur als E-Book oder Print on Demand-Titel) sollen es dennoch sein, sagt Nova Rasdiana, die für das Buch-Programm zuständig ist.

Um den Mangel an kundigen deutschen Übersetzern auszugleichen, schlägt Damshäuser vor, auf englische Übertragungen zurückzugreifen. Diese wiederum gibt es in durchaus in stattlicher Zahl, da sich seit 1987 die Lontar Foundation in der indonesischen Hauptstadt Jarkarta um die „Verbesserung der internationalen Sichtbarkeit von indonesischer Literatur und Kultur" kümmert. Einer der Gründer der Organisation und zugleich Mitglied des Ehrengast-Komitees, der Übersetzer John McGlynn, warb in Berlin dafür, sich für Übersetzungsförderung innerhalb des Programms I-Lit (Indonesian Literature in Translation), zu bewerben. Eine entsprechende Titelvorschlagsliste gibt es auf der Seite von Litprom (litprom.de/indonesien), Verlage können jedoch auch unabhängig davon Förderung beantragen. Ob das I-Lit Programm über die Zeit der Buchmesse hinaus fortgesetzt wird, ist derzeit noch offen.

Goenawan Mohamad ist derweil nicht der einzige, der sich mit Verve für eine größere Sichtbarkeit indonesischer Bücher und Autoren engagiert. Der Berliner Blogger Sebastian Posth baut zusammen mit dem Goethe Institut und der Frankfurter Buchmesse an einer Internet-Plattform für indonesische Literatur. Unter publishing-indonesia.com sollen ab Februar Informationen über alle auf Deutsch erhältlichen Bücher aus dem Indonesischen ebenso wie Biografien der Autoren verfügbar sein. Die Seite soll sodann nach und nach ausgebaut und mit anderen Websites verlinkt werden. Im Idealfall könnte sie so zur unentbehrlichen Adresse für interessierte Leser, Buchhändler und Verleger werden.