Fernuniversität Hagen zur Unterlassung ungenehmigter Lehrbuchnutzung verurteilt

Börsenverein: § 52a Urheberrechtsgesetz muss ersatzlos entfallen

10. Oktober 2011
von Börsenblatt
Vor dem Hintergrund eines Urteils des Landgerichts Stuttgart, in dem die Fernuniversität Hagen zur Unterlassung der ungenehmigten Nutzung eines Lehrbuchs des Kröner-Verlags verurteilt worden ist, hat der Börsenverein des Deutschen Buchhandels gefordert, dass der umstrittene § 52a Urheberrechtsgesetz vom Deutschen Bundestag nicht verlängert werden soll.
„Es ist zwar grundsätzlich erfreulich, dass das Stuttgarter Landgericht den Exzessen der Fernuniversität Hagen einen Riegel vorgeschoben hat“, sagt Dr. h.c. Karl-Peter Winters, Vorsitzender des Verleger-Ausschusses im Börsenverein, „wer aber die Ausführungen des Gerichts sorgfältig liest, muss erkennen, dass nur ein ersatzloses Auslaufen des § 52a Urheberrechtsgesetz die Ausbildung deutscher Studenten mit den modernsten und besten Lehrmaterialien sichern kann.“ Hochwertige elektronische Ausbildungswerke für Forschung und Lehre würden nur entstehen, wenn es für wissenschaftliche Autoren und Verlage wie früher Anreize zu ihrer Schaffung, Veröffentlichung und Verbreitung gäbe.
 
Seit der Einführung des § 52a Urheberrechtsgesetz im Jahre 2003 haben sich die Umsätze der Wissenschaftsverlage mit Ausbildungsliteratur sowohl im elektronischen wie im gedruckten Bereich negativ entwickelt, weil Ausschnitte aus Lehrbüchern unter der Vorschrift ohne Genehmigung von Urhebern und Verlagen genutzt werden dürfen. Die in § 52a UrhG eigentlich vorgesehene Zahlung werkbezogener Vergütungen an die Verwertungsgesellschaft Wort ist an der Weigerung der Hochschulen von Bund und Ländern gescheitert, die stattfindenden Nutzungen zu erfassen. „Angemessen vergütet werden Lehrbuchautoren und Verlage aber ohnehin nur, wenn der Erfolg ihrer Werke im Markt entscheidet“, so Winters, „deshalb erwarten wir, dass der Deutsche Bundestag die Geltung des Ende 2012 auslaufenden § 52a Urheberrechtsgesetz nicht noch einmal verlängert.“ Die Wissenschaftsverlage haben in den letzten Jahren alternative Lizenzmodelle entwickelt, die eine Nutzung von Lehrbuchteilen in den Intranets von Hochschulen in leicht handhabbarer Weise auf Basis individueller Rechteeinräumungen ermöglicht.
 
Mit der Klage des Alfred Kröner Verlags gegen die Fernuniversität Hagen soll geklärt werden, welche Vorgaben Hochschulen beachten müssen, wenn sie unter § 52a Urheberrechtsgesetz geschützte Werke für Forschung und Lehre zugänglich machen. Der Verlag wehrt sich dagegen, dass mehrere Kapitel des von ihm veröffentlichten Fachbuchs „Meilensteine der Psychologie“ Tausenden von Studenten im Intranet der Fernuniversität ohne Genehmigung kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Im Internet hatten sich mehrfach Studenten darüber ausgetauscht, dass eine Anschaffung des betroffenen Titels aus diesem Grund nicht nötig sei. Das Landgericht Stuttgart hat die Fernuniversität in der vergangenen Woche verurteilt, die fraglichen Nutzungen zu unterlassen, und ihr Dreiviertel der Kosten des Gerichtsverfahrens auferlegt. Der vom Börsenverein unterstützte Alfred Kröner Verlag beabsichtigt, gegen die Entscheidung Rechtsmittel einzulegen, weil ihm das vom Gericht ausgesprochene Verbot, das bestimmte ungenehmigte Nutzungen weiterhin zulässt, nicht weitreichend genug ist.
 
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